Vorletzte Woche ist nämlich ein Schreiben in die Gemeindestuben von Schlanders und von Laas und in die Fraktionsstube von Göflan und in das Forstinspektorat Schlanders eingetrudelt, dessen Inhalt eben jener Wendepunkt ist, den die Schlanderser fürchteten und den die Laaser herbeisehnten.
Mit der schlichten Überschrift „Marmortransport aus dem Göflanerbruch“ ist der Brief versehen, zuunterst die Unterschrift von Landeshauptmann Luis Durnwalder.
„Sehr geehrte Herren“, schreibt LH Durnwalder in den Vinschgau. Der Brief liegt dem Vinschgerwind vor und vollinhaltlich lautet er wie folgt:
„Die Gemeinde Laas hat mir mit Schreiben vom 3.7.2013 die Betriebsbewilligung für die bestehende Marmorschrägbahn übermittelt, welche vom Bürgermeister am 3.7.2013 im Sinne des Landesgesetzes vom 30. Jänner 2006, Nr. 1, in geltender Fassung, erteilt wurde. Diese Betriebsbewilligung wird mit vorliegendem Schreiben der Marktgemeinde Schlanders übermittelt.
Aufgrund der Entscheidung des Staatsrates, welcher einen Aussetzungsantrag gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Bozen Nr. 72/2013 abgelehnt hat und aufgrund des Vorliegens der Betriebsbewilligung für die Schrägbahn, bestehen nunmehr keine rechtlichen Voraussetzungen mehr für eine Ermächtigung von meiner Seite des Abtransportes des Marmors auf der bestehenden Forststraße.
Der Abstransport aus dem Göflanerbruch muss also mit sofortiger Wirkung über die Schrägbahn erfolgen.
Ich ersuche deshalb den Bürgermeister von Schlanders, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, dass der Marmortransport über die Forststraße eingestellt wird.
Die Organe der Forstbehörde werden die Einhaltung der Bestimmungen des Landesgesetzes vom 8. Mai 1990, Nr. 10, in geltender Fassung überwachen.
Mit freundlichen Grüßen
Der Landeshauptmann
Dr. Luis Durnwalder“
Deutlicher geht’s nicht.
Die LKWs fahren seit gut einem Monat schwer beladen vom Mitterwantlbruch hinunter nach Göflan bis zur Marmorstätte von Burkhard Pohl. Eigentlich ohne rechtliche Genehmigung. Der Schlanderser BM Dieter Pinggera sieht das anders: „Wir sind aufgrund der provisorischen Genehmigung des Landeshauptmannes gefahren, in der steht, dass diese bis zur effektiven Inbetriebnahme der Schrägbahn gilt. Die Laaser haben mit der Ausstellung der Betriebsbewilligung kürzlich selbst zugegeben, dass es bisher eine effektive Inbetriebnahme nicht gegeben hat.“ Pinggera sieht sich jedenfalls im Recht. Bisher.
Absurde Situationen
Auf der Forststraße zwischen Göflan und dem Mitterwantlbruch haben sich in den letzten Wochen skurrile Szenen abgespielt, welche zu einer Art verwunderter Erheiterung Im Vinschgau beitragen können: Forstbeamte und Beamte des Nationalparkes Stilfserjoch haben abwechselnd die LKW-Transporte mit Strafen belegt. 75 Euro pro Strafe. Eigentlich müsste der abgestrafte LKW-Fahrer das Fahrzeug nach einer solchen Strafe stehen lassen. Die obligate Frage der Beamten, ob der Fahrer gedenke weiterzufahren, wurde von den Fahrern mit süffisantem Ja beantwortet, woraufhin eine zweite Strafe in derselben Höhe von 75 Euro fällig wurde. Dermaßen abgestraft ist der LKW in den Bruch weitergefahren, hat den Marmorblock dort aufgeladen und ins Tal gebracht. Es gibt Fälle, dass der LKW-Fahrer ein drittes Mal, bei der Abfahrt ins Tal, mit eine Strafe belegt worden ist. Das Spiel hat sich beinahe täglich wiederholt. Die Beamten un die Fahrer fanden sich in einer kafkaesken Situation wieder. Mittlerweile dürften an die 50 solcher Strafen zusammengekommen sein.
Absurd ist allerdings noch eines: Die Gemeinde Schlanders, für den Marmor-Transport vertraglich verantwortlich, lässt ihren beauftragten Trasporteur wissentlich in die Strafen fahren und hält diesen schadlos. Der LKW-Fahrer oder die beauftragte Firma Marx zahlt demnach keinen Cent Strafe. In Laas sorgt das für böses Blut: Die Schlanderser Gemeinde habe dermaßen viel Geld, dass sie schon die Verkehrsstrafen der Bürger bezahle, witzelt man bitter in Laas. BM Dieter Pinggera sagt: „Wir werden gegen jede einzelne Strafe bis zum Zeitpunkt des Briefes vom Landeshauptmann Rekurs einreichen.“
Was ab nun passieren soll, das werde man nun in der Gemeindestube und in der Fraktion Göflan prüfen. Klar ist, dass man auf allen Ebenen Widerstand leisten wird. Pinggera gibt zu, dass man in einer ersten Krisensitzung bereits die Marschrichtung ausgemacht hat. „Wir werden die ganzen Gutachten prüfen lasssen, die die Betriebsbewilligung der Schrägbahn betreffen“, bläst Pinggera zum Angriff.
Dann werde man einen Antrag stellen, das 10-er Gesetz auf der Göflaner Straße außer Kraft zu setzen - mit der Begründung, dass diese Straße in früheren Zeiten schon einmal Gemeindestraße war.
Nutzt das nichts, werde man um eine Fahrbewilligung über das 10-er Gesetz ansuchen und dieses Ansuchen mit der vorliegenden Umweltstudie untermauern.
Und schließlich werde man alle rechtlichen Schritte gegen diesen Bescheid des Landeshauptmannes prüfen lassen.
Eine deutliche Kampfansage aus Schlanders - gegenüber Laas und gegenüber Bozen. Die Buben in der Peripherie wollen anscheinend nicht mehr folgen - weder dem Durnwalder, noch geltendem Gesetz. Trotzig sagt BM Pinggera: „Ich muss alle Mittel ausschöpfen, um den Marmor über die Straße nach Schlanders zu bringen. Und das tue ich.“
Irgendwie setzen die Schlanderser auf Zeitgewinn, um die Ära Durnwalder hinter sich lassen zu können. Man scheint auf eine neue Landesregierung zu hoffen, die den Weg für die Marmorstraße ebnen soll.
Hintergrund des Aufstandes der Schlanderser bzw. der Göflaner ist ein Vertrag, der vor 10 Jahren abgeschlossen worden ist. Darin hat sich die Gemeinde Schlanders verpflichtet, den Marmor für 60 Euro pro Kubikmeter vom Göflaner Wantl in die Verarbeitungsstätte des Konzessionsnehmers - heute ist das die Göflaner Marmor GmbH von Burkhard Pohl - zu bringen. Und dieser Preis ist nur über die Straße zu realisieren.
Bei Vertragsabschluss war diese Logik - aus der Sicht des Bruchbesitzers, der Fraktion Göflan - zwingend, um einen anderen Mitbewerber als die Lasa Marmo ins Boot holen zu können. Denn die bis dahin unvermeidliche Transportstruktur - die „Katze“, die obere Bahn und die Schrägbahn waren im Besitz der Lasa und stellten damit quasi ein Monopol dar.
Mittlerweile haben sich die Vorzeichen aber grundlegend geändert. Die Transportstruktur ist in den Besitz der Fraktion Laas übergegangen. Die Fraktion Laas hat sie an die Lasa Marmo - mittlerweile im Besitz der Lechner Marmor AG - verpachtet.
Und was sagen die Laaser?
„Die Straße auf unserer Seite ist bereit“, sagt der Laaser Fraktionsvorsteher Oswald Angerer. Angerer meint jenen Teil der Straße zwischen dem Göflaner Mitterwantlbruch und dem Weißwasserbruch, der auf dem Grund der Fraktion Laas liegt. In diesen Tagen werden noch einige Schlaglöcher mit Schotter aufgefüllt. Auch das Gelände im „Loch“, der Talstation der Schrägbahn, biete, so Angerer, Platz genug für Umladetätigkeiten. Angerer bedauert es, dass es bisher nicht möglich war, eine Lösung zu finden. Vom Präsidenten des Nationalparkes Stilfserjoch, Ferruccio Tomasi, sei er enttäuscht. Dieser habe Anfang April seine Vermittlerrolle angeboten und er habe versprochen alle Beteiligten an einen Tisch zu holen. Geschehen sei leider, so Angerer, nichts. Damals hätte man drucklos verhandeln können, weil das Urteil bzw. die Kurzmitteilung des Staatsrates noch nicht vorhanden und damit alles noch offen war.
Für den Laaser BM Andreas Tappeiner ist die Sachlage glasklar: „Der Landeshauptmann hat mit seinem Schreiben die schrägbahn-gestützte Abtransportstruktur als einzige definiert. Punkt.“
Dass die Schlanderser sämtliche Gutachten, die zur Betriebsbewilligung der Schrägbahn notwendig sind, anfordern und überprüfen wollen, nimmt BM Tappeiner vorerst gelassen: „Die sollen nur kommen und kontrollieren.“ Auf der anderen Seite ärgert sich Tappeiner: „Wenn eine Nachbargemeinde anzweifelt, ob Unterlagen für eine Genehmigung rechtmäßig sind, dann finde ich das eine Frechheit. Wir haben überhaupt kein Problem, die Akten zur Verfügung zu stellen. Aber der Hintergedanke aus Schlanders weist eindeutig in die Richtung, dass die Akten angezweifelt werden.“ Informiert ist Tappeiner darüber, dass die Straße auf der Laaser Seite mit einer Fachfirma überprüft worden ist und dass sie für einen Abtransport vom Marmor aus dem Göflaner Wantlbruch zur Verfügung steht. Und zwar ab sofort.
Spätestens dann, wenn BM Dieter Pinggera aus dem Urlaub zurück sein wird, wird sich erweisen, wie sich die Gemeinde Schlanders gemeinsam mit der Fraktion Göflan in der Causa Marmor-Transport real verhalten wird.