Dienstag, 25 Juni 2013 09:06

Nationalpark Stifserjoch - Sonnenkinder - Schmetterlinge als Bioindikatoren

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Lorenzo Shoubridge C3Wolfgang Platter, am St. Hons-Tag, 24. Juni 2013

Die Schmetterlinge sind nach den Käfern die zweitgrößte Ordnung der Insekten. Als Fluginsekten haben sie ein kurzes Leben, das meist nur wenige Tage dauert und mit der Eiablage durch die Weibchen endet. Vor dem letzten Stadium als Vollinsekt machen die Schmetterlinge eine mehrstufige Entwicklung vom Ei über die Larve zur Puppe durch, die bei manchen Arten auch mehrere Jahre dauern kann. Die Larve ist das Fressstadium der Falter, die Puppe deren Ruhestadium. Durch die gierige Nahrungsaufnahme aus artspezifischen Futterpflanzen wächst die Raupe beständig.

Die Körperhülle wird zu eng und die Raupe häutet sich mehrfach. Die Raupe hat beißende Mundwerkzeuge zur Aufnahme fester (Blatt-)Nahrung, der fertige Falter kann mit seinem Saugrüssel hingegen nur flüssige Nahrung aus Nektar aufnehmen. Der vollständige Entwicklungszyklus vom Ei zum Vollinsekt wird in der Fachsprache als Metamorphose bezeichnet. Der aus dem Griechischen abgeleitete Begriff bedeutet Veränderung. In der Tat verändert der Schmetterling so wie alle Insekten sein Aussehen und seine Körperform vom Ei zum Fluginsekt völlig.

203C2043C3Zoologische Einordnung
Die Schmetterlinge gehören zu den Insekten. Heute sind weltweit mehr als 180.000 Arten von Schmetterlingen beschrieben. Die zoologische Systematik unterteilt die Falter in 127 Familien. Jährlich werden etwa 700 neue Arten beschrieben, aber es sterben auch viele Arten aus, weil durch die menschlichen Aktivitäten den Schmetterlingen abträgliche bis tödliche Veränderungen in ihren Lebensräumen erfolgen.
Das Arteninventar in Südtirol
Das Artenverzeichnis von 1994 führt für unser Land 1.180 Arten von Schmetterlingen (Macrolepidoptera) an. Davon entfallen 212 Arten auf die Tagfalter. Nach ihrem Gefährdungsgrad werden in der Roten Liste bei den Tagfaltern folgende Kategorien angeführt: (siehe Kasten auf der nächsten Seiten)

tabelle

Schmetterlinge als sensible Sensoren
Schmetterlinge sind empfindliche Gradmesser für die Qualität der Lebensräume. Auf Veränderungen in ihrem Lebensraum etwa durch Kulturumänderung, Verbuschung bei Auflassung, Ausbringung von anorganischem Dünger zur Intensivierung der landwirtschaftlichen Kulturen, Eintrag von Pestiziden und auf andere Veränderungen reagieren die Falter empfindlich. Viele Arten von Tagfaltern sind Sonnenkinder der Magerwiesen, Weiden, Magerrasen oder der alpinen Rasengesellschaften. Außerdem sind ihre Raupen futterpflanzenstet, d.h. sie ernähren sich nur von ganz bestimmten Pflanzenarten. Erfährt der Lebensraum Veränderungen, so fallen viele Schmetterlingsarten in diesem angestammten Biotop aus. Der Artenrückgang und-verlust in den landwirtschaftlichen Anbauflächen mit Monokulturen ist hoch.

Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung
Die Europäische Gemeinschaft stellt im Rahmen eines Life-Förderprogrammes zweckgebundene Finanzmittel für Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung von Schmetterlingen zur Verfügung. Das diesbezügliche Förderprogramm nennt sich Butter(fly)Life. Pflegemaßnahmen für Schmetterlingslebensräume können beispielsweise sein: Mähen, Entstrauchen, kontrollierte Weide. Zusammen mit den beiden benachbarten Landesnaturparken Adamello Brenta im Trentino und Adamello in der Provinz Brescia bewirbt sich der Nationalpark Stilfserjoch um die Zuteilung von Geldmitteln aus dem EU-Programm „ButterLife“ zum Schmetterlingsschutz. Für den Vinschgauer Parkanteil wollen wir im Finanzierungsgesuch einige Trockenrasen als besonders artenreiche Lebensräume für Schmetterlinge angeben.

Tarmanns Schmetterlingsstudie
Prof. Dr. Gerhard Tarmann leitet die Naturwissenschaftliche Abteilung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum in Innsbruck. Er ist durch seine Forschungsarbeiten und die Publikation deren Ergebnisse als Schmetterlingsfachmann ausgewiesen. Dr. Tarmann hat auch im Vinschgau wiederholt Feldstudien durchgeführt. Im Wissenschaftlichen Jahrbuch der Tiroler Landesmuseen 2009 sind die Ergebnisse seiner Arbeit unter dem Titel „Die Vinschgauer Trockenrasen – ein Zustandsbericht auf Basis der Bioindikatoren Tagfalter und Widderchen (Lepidoptera: Rhopalocera, Zygaenidae) publiziert worden. Dr. Tarmann hat im Ober-, 247C2240C1Mittel- und Untervinschgau auf insgesamt 23 Untersuchungsflächen von je ca. 1 Hektar Größe die Zeigerarten unter den Tagfaltern für den Lebensraumtyp Trockenrasen und weitere Arten von Tagfaltern und Widderchen erhoben. Nach ihrer Wertigkeit und Häufigkeit wurden die vorkommenden Falterarten in eine Bewertungsskala umgelegt. Dabei wurden 5 „Güte“-Klassen von Lebensräumen von hochwertiger Schmetterlingswiese über wertvolle, mittelmäßige, minderwertige bis degradierte, d.h. für Schmetterlinge „zerstörte“ Wiese unterschieden. So beherbergte  beispielsweise die Untersuchungsfläche Nr. 3 Laatsch St. Cäsarius 41 Tagfalterarten, davon 17 Arten auf der Roten Liste Südtirols. Dieser Trockenrasen ist mit diesem Arteninventar und der daraus abgeleiteten Leitzahl eine hochwertige Schmetterlingswiese. Tarmanns Untersuchungen haben auch ergeben, dass „nahe den Intensivobstbaugebieten jedoch massive Veränderungen nachzuweisen sind, die bis zur völligen Degradierung der Biotope für ein Leben von bodenständigen Schmetterlingspopulationen geführt haben. Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die für das Vinschgau typischen thermischen Winde und den Ferntransport von Giftstoffen aus den Obstbaugebieten im Tal auf die Trockenhänge bis hinauf in mittlere Höhenlagen (ca. 200-300 m über der Talsohle) zurückzuführen. In Nordhanglagen, wo wegen der geringeren Sonneneinstrahlung keine oder kaum thermische Aufwinde registriert werden, ist die Situation bis in talnahe Bereiche wesentlich besser.“


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