Süd- und Nordtirol/Schlanders - Im November und Dezember des letzten Jahres wurde in Bozen, Brixen, Neumarkt, Bruneck, Sterzing, Meran und Schlanders der neue Film von Georg Lembergh über eines der großen Tabuthemen gezeigt: „(K)einen Ton sagen - Missbrauch in Nord- und Südtirol“. Es ist ein erschütternder und zugleich mutiger Dokumentarfilm über sexuellen Missbrauch, die Angst darüber zu reden, über Zivilcourage und gewonnenes Selbstvertrauen. Lembergh hat mit rund 50 Personen aus Nord- und Südtirol gesprochen. Im Film kommen vier betroffene Frauen zu Wort und erzählen ihre Geschichte des Missbrauchs. Sie reden auch über die Scham, die Sprachlosigkeit und das Unverständnis, das sie erfahren haben. Es waren Menschen aus dem engeren Umkreis, ein Nachbar, ein Freund der Familie, ein Priester, ein Berufskollege, die Grenzen überschritten und bei den Betroffenen tiefe Wunden hinterlassen haben, die sie ein Leben lang prägen. Es ist ein Gefühl, auch nach dem Baden noch schmutzig zu sein, ein Schmutz, der sich nicht abwaschen lässt, wie eine Betroffene im Film erklärt. Sie haben es verdrängt, konnten Jahre und Jahrzehnte sich niemanden anvertrauen und mussten erst lernen, darüber zu reden, mit Therapeuten, mit Freundinnen, mit dem eigenen Mann. Oder sie wurden ignoriert, man hat nicht hingehört, nicht zugehört, man hat es nicht wahr haben wollen oder auch nicht geglaubt. Sie wurden bedroht: Wenn du es deiner Mama erzählst, bring ich euch um. Sie waren Kinder, Jugendliche oder Erwachsene. Die Wunden sind so tief, dass manche Frauen die körperliche Nähe nicht ertragen. Es ist ein mutiger und einfühlsamer Film, der aufzeigt und auffordert hinzuhören und ernst zu nehmen, wenn jemand davon berichtet. Die vier Frauen haben ihre lange Sprachlosigkeit überwunden, sie reden offen, mutig und selbstbewusst darüber. In der Diskussion nach dem Film meldete sich gleich ein betroffener Mann zu Wort. Im Alter von 6 bis 8 Jahren wurde ich rund 50 Mal von einem Priester missbraucht, sagte er. Es geschah vor Jahrzehnten, aber der Schmerz und die Wut waren immer noch da und für alle im Raum spürbar. (hzg)