von Don Mario Pinggera - Die Weihnachtszeit ist eine Zeit der Sensibilität und der Emotionen, manchmal aber auch der Oberflächlichkeit. In Richterswil haben wir zwei Pflegeheime, welche schon aufgrund einer wichtigen Etikette Aufschluss über ihre Philosophie oder besser ihr Verständnis zum Thema Weihnachten geben. Als Seelsorgende sind wir neben anderen Gästen und Institutionen zu den entsprechenden Feierlichkeiten eingeladen, die im Advent stattfinden. Während das eine Pflegeheim traditionell zur «Weihnachtsfeier» einlädt, lädt das andere zur «Jahresabschlussfeier» ein. Das mag zunächst nicht weiter auffällig sein, dennoch offenbart sich mit dieser Terminologie eine Grundhaltung, was das Verhältnis zur religiösen Kultur eines Landes betrifft. Den «Jahresabschluss» verorten aufmerksam Lesende doch eher bei einem Unternehmen, wenn es zum Beispiel um die Bilanzen geht. In der Tat sind derartige Tendenzen, Religiöses einfach zu streichen, schon seit Jahren gang und gäbe. Aufmerken liess in diesem Zusammenhang vor mehr als 10 Jahren das Vorhaben der Zürcher Regierungsrätin Regine Aeppli, Weihnachtslieder in den Schulen zu verbieten (ein Unsinn, der glücklicherweise nicht eintraf). Beide Phänomene, sowohl die «Jahresabschlussfeier», als auch das angedachte Verbot von Weihnachtsliedern sind nur zwei Beispiele von Vielen mit ähnlicher Tendenz, die zu beobachten sind. Was dahinter steckt, ist indes sowohl tragisch als auch bedenklich: Wie steht es mit unserer Selbstidentität? Wir sind ein reiches Land, das mitunter sehr auf politische Korrektheit (was auch immer das ist) achtet, das z.B. im sogenannten Gendern ganz vorne dabei sein will (wobei Gendern per se einen problematischen Eingriff in das Kulturgut Sprache darstellt). Ich bin überzeugt, dass die mangelnde Selbstidentität in Bezug auf die religiöse Kultur weder ein Beitrag zur interkulturellen Verständigung noch zur geistigen Gesundheit einer Gesellschaft ist. Und wir tun gut daran, uns weder «Jahresabschlussfeiern» statt «Weihnachtsfeiern» vorschreiben, noch das Singen von Weihnachtsliedern verbieten zu lassen. Ausserdem weckt dies Erinnerungen an Zeiten, wo sowohl Weihnachtslieder wenn nicht verboten, so doch umgeschrieben wurden, als auch Religion und Kirche massiv eingeschränkt und unterdrückt wurden. Denken wir nur an Hans Baumanns Lied aus der Zeit des Nationalsozialismus «Hohe Nacht der klaren Sterne» von 1939. Die Weihnachtsgeschichte nach Lukas wurde völlig ausgeblendet. Stattdessen huldigte das Lied der Wintersonnenwende. Gedacht war es als Ersatz für «Stille Nacht». Natürlich funktionierte dieses dumme Vorhaben nicht, zumindest, was die Eliminierung von «Stille Nacht» angeht. Schon allein deshalb ist «Stille Nacht» von unschätzbarem Wert. Nicht nur, weil es in seiner Schlichtheit gut gemacht ist, sondern auch und gerade deshalb, weil diese einfache Wiegenlied einer der schlimmsten Diktaturen der Menschheitsgeschichte zu trotzen vermochte. Es ist an der Zeit, gerade jetzt, in Zeiten diverser Kriege und Unsicherheiten, das Bewusstsein für kulturelle Werte – und damit auch religiöse – zu weiten, um damit einer Gesellschaft den Halt zurückzugeben, der bisweilen vermisst und an Orten gesucht wird, die mitnichten in der Lage sind, menschliche Hoffnungen und Sehnsüchte auch nur ansatzweise zu stillen. Der künstlich und mitunter mit grossem Engagement einzelner erzeugte «Vorweihnachtsstress» mit dem «Silbernen» und dem «Goldenen» ist hierfür ein hervorragendes Beispiel.