Zwei sich Gefundene, sich Verlorene! Oder anders gesagt: außerhalb des Zauns, sich Befundene, zeitlebens.
Zitat: Hermann Permann
Alois Kuperion
Biografie: Alois Kuperion war wohl einer der originellsten Maler aus dem Vinschgau. Er wird auch als Bettelmaler bezeichnet. Geboren wurde Alois Kuperion 1891 als Sohn eines Kleinbauern in Tarsch/Latsch. Er war einziges Kind. Die Volkschule besuchte er teilweise in Kuens, Tarsch, Martell und in Tschars, weil der Bruder seines Vaters dort Pfarrer war. Auf Wunsch seines Vaters besuchte er dann eine landwirtschaftliche Schule. Das Interesse am Zeichnen wurde dort geweckt.
1939 übersiedelte Kuperion nach Österreich, kehrte aber nach dem zweiten Weltkrieg wieder in den Vinschgau zurück. Beim Öttl-Hof in Galsaun fand er Unterkunft. Dort wohnte er von 1949 bis 1957. Nachdem die Dachkammer, in der er wohnte, durch ein Unwetter schwer zu Schaden kam, ging er 1957 nach Meran. Dort war er gerne gesehen und auch geschätzt. In Meran gab es mehrere Kunstinteressierte, bei denen Kuperion Anerkennung fand. Bekannt wurde er unter anderen durch Hans Ebensperger, vor allem aber durch Karl Plattner. Laut Plattner erreichte Kuperion gegen Ende der 50er Jahre europäisches Niveau. Alois Kuperion starb arm und vereinsamt im Jahre 1966.
Ausstellungen: Seine erste Ausstellung machte Alois Kuperion 1961 in der Kurverwaltung in Meran. In der ARUNDA 1/1976 erschien ein Beitrag über Kuperion von Roland Kristanell und Kuperion-Fotos von Hansgeorg Hölzl. Roland Kristanell und Paul Preims widmeten Kuperion die ARUNDA 24. Ebenfalls 1988 folgten Ausstellungen in Latsch und Bozen. 2015 veranstaltete das Kulturamt der Gemeinde Meran zusammen mit dem Kunstverein „Kunst Meran“ eine Ausstellung über Alois Kuperion, dazu erschien auch ein Katalog. Kuperions letzte Ausstellung fand 2016 auf Schloss Kastelbell zusammen mit Josef Mahlknecht und Gottfried Masoner statt.
Eine Zeitzeugin erzählt: Maria Forcher, geboren 1940 in Galsaun, heute wohnhaft in Latsch, erzählt: “Ich war noch ein Kind und zusammen mit anderen bin ich mit dem Luis öfters von Tschars, wo er zu Mittag etwas gelottert hatte, nach Galsaun gegangen. Es gab damals einige Lotterer in Tschars und Galsaun. Man ist solchen Leuten meist aus dem Weg gegangen, man wollte mit ihnen nichts zu tun haben. Der Luis hat sich eigentlich immer ordentlich verhalten, ich habe keine schlechten Erfahrungen mit ihm gemacht.
So richtig gearbeitet hat er nie. Nur gelegentlich half er bei Bauern mit. Beim Turnguater zum Beispiel, dem Nachbar vom Öttl, hat er immer die Sur austragen müssen. Abends kam er manchmal beim Moar im Stall vorbei. Ich habe mich öfters gefragt, warum er nicht dreckiger ist? Das ist er nie gewesen, er war immer sauber. Der Luis hat seine Kleider selber gewaschen und gebügelt, war eigentlich immer gepflegt.
Nachdem der Luis nach Meran ging, hat man bei uns hier nicht mehr viel mitbekommen von ihm. Ich habe mich dann öfters noch gefragt, warum man sich nicht mehr um ihn gekümmert hat? Ich habe mir aber schon gedacht, hoffentlich macht er sein Leben, wie er es will. Mir hat er oft leid getan, ich mochte ihn“.
Hermann Permann
Leben und Werdegang: Hermann Permann ist am 24.01.1958 ebenfalls in Tarsch bei Latsch geboren. Bis zum sechsten Lebensjahr wohnte er in Tarsch, kam dann nach Ulten auf den Gruabberg/Larcherberg. Von dort kam er nach Bozen zu der Schwester seiner Mutter und machte dort in der Goetheschule den Volkschulabschluß. Von Bozen ging es wieder zurück nach Tarsch, bald darauf als Hüterbub in die Schweiz (Engadin). Die Zeit als Hüterbub war seine schönste Zeit. Er bekam keine Schläge, hatte genug zu essen und saubere Wäsche. Zurück in den Vinschgau ging er zunächst als Tellerwäscher nach Sulden, dann erneut wieder nach Bozen. Bei Otto Kastowsky machte er eine Glasmalerlehre. Anfang 1979 eröffnete sich ihm ein Freundeskreis, der ihn als Autodidakten sowohl im Zeichnen und Malen, als auch in seinem dichterischen Schaffen förderte. Als Zwanzigjähriger veröffentlichte Permann seinen ersten Gedichtsband, die Jugendgedichte „Stimmen der Stille“. Es folgten Veröffentlichungen im „Schlern“ und Ausstellungen in Kastelruth und im Walterhaus in Bozen. Beeindruckt hat ihn ein Gespräch mit Otto von Habsburg, dem er neben anderen Persönlichkeiten in Kastelruth begegnen durfte. Permann erhielt ein Stipendium für die Kunstschule Wien. Von 1980 bis 1984 war er in Wien und besuchte dort Zeichenkurse bei Prof. Fritz Martins. Von Wien ging es wieder zurück nach Bozen, wo er heute noch lebt. Die Zeichnung Laubensassa in der Neuen Südtiroler Tageszeitung ist eine Karikatur von Hermann Permann aus den 90er Jahren.
Permann und Kuperion: Durch seinen Vater ist Hermann Permann mit Alois Kuperion weitaus verwandt. Über Kuperion kam Hermann Permann zur Malerei. „Gleichsetzen mit Alois Kuperion würde ich mich aber nicht. Kuperion war als Künstler bei Weitem besser. Ich bin der bessere Handwerker, er war der bessere Künstler, der bessere Poet“, sagt Hermann.
Nachdem Alois Kuperion 1957 nach Meran zog, kam er noch öfters zu den „Holler“ nach Tarsch. Hermann erinnert sich: „Der Luis war öfters bei uns zuhause, wie ich noch ein kleiner Bub war. Meine Mama hat ihm dann manchmal ein paar Lire gegeben. Viel hatten wir ja selber nicht. Wir hatten einen kleinen Garten und wenn der Luis kam, sagte er zu mir: „Kimm Mandl, gian miar in Gortn oi eppas moln!“ Ich kann mich auch noch erinnern, wie der Vater dann sagte: „Schlorp, loss amol den Bua in Rua! Muasch du ihn a nou zu so an loppeten Moler mochn!“ Der Vater nannte den Luis immer Schlorp, weil er meistens lose Schuhsohlen hatte. Ich kann mich auch noch erinnern, dass der Luis immer Pinselen bei sich hatte, die waren immer so „stroffinato“. Als wir dann im Garten miteinander malten, sagte er zu mir: „Schau, do tuasch a bisl Grün zui und do a bisl Rot. Eigentlich mögen sich die zwei Farben nicht unbedingt, aber sie gehören zusammen. Woasch, des isch wia wenn zwoa heiraten. Am Anfang ziachn sie zomm und dann trennen sie sich. Miteinander können sie nicht und ohneeinander auch nicht!“ So hat er es mir erklärt. Das weiß ich noch ganz genau. Später habe ich den Luis dann immer den Mini-Michelangelo genannt“.
Auf die Frage, ob Kuperion es war, der ihn zum Malen inspiriert hat, antwortet Hermann Permann: „Ja, er hat mich angestänkert, wie man so schön sagt. Aber mich hat das schon auch irgendwie interessiert. Und ich habe ihn gemocht, weil er Zeit für mich hatte. Er war immer freundlich zu mir. Das war für mich auch etwas, was ich nicht gewohnt war. Für mich war er ein Lichtblick in den ganzen Grautönen, in der Schattenwelt“.
Auf die Frage, was er von Kuperion gelernt bzw. übernommen hat, antwortet Permann: „Vielleicht die Art der Staffelung. Von der Rundform hat sich der Luis nicht beeinflussen lassen, er hat alles gerade gemacht. Die Staffelung habe ich vielleicht unbewußt von ihm übernommen“.
Hermann Permann über sich: „Ich würde mich nicht als Künstler bezeichnen. Künstler dürfen ruhig all die anderen sein. Man kennt mich unter Kneipenmaler. Ich bin ein Bildlmaler, mache Bildlen, nach meiner Auffassung, so wie es mir gefällt, nicht nach dem Markt, dem Kunstmarkt. Das hat der Luis auch nicht getan. Ich muss immer etwas Neues machen, mein Stil ist nicht typisch Hermann. Ich kann nicht immer das Gleiche machen, bin kein Pauspapier von mir selber. Ich habe alles Mögliche gemacht. Ich hatte eine Zeit, da habe ich nur Pferde gezeichnet oder nur Pflastersteine. Ich habe Landschaften gemalt, dann bin ich wieder zurück zur Renaissance, ins 15./16. Jahrhundert, habe klassische Zeichnungen gemacht, dann wieder zur Abstarktion und so weiter und so fort“.
„Ich war zeitlebens ein Flüchtling“, sagt Hermann von sich selbst. „Wenn mich etwas gerettet hat, war es das Zeichnen und Malen, vor allem aber das Lesen. Bücher waren und sind meine besten Freunde, neben ein paar guten Freunden wie K. Rabensteiner, Gottfried Masoner, Vinzenz Oberhollenzer, Karl Heinz Thomann, Nadi und Mali, nicht zu vergessen Margret Pichler und Bruder Hans Lindner. Mögen mir all jene Nachsicht gewähren, die ich vergessen habe“.
„Je älter ich werde, desto öfter träumt es mir, rückzukehren, ins Tal der Kornfelder und Marillenbäume, als Kind, an der Hand meines über alles geliebten Großvaters, vorbei an Trockenmauern und wildem Hopfen, die wir als Kinder zu Bänder geknotet als Zügel benützten, um Bauer zu spielen“. H. Permann, 07.10.2024
Peter Tscholl