Warum drängen sich so viele Besucher in diese Ausstellung? Umringt und befragt von den vielen Interessierten, konnte man anlässlich der Eröffnung kaum zum Künstler vordringen. Frauen und Männer vor allem auch Kinder finden hier etwas aus der eigenen Geschichte und Erlebniswelt, möchten zugreifen, mitleben.
Viele neue Holzschnitte, die schönen Tiere, Krippen. „Kaum habe ich die Füße auseinander gebracht, wurde ich schon zur Arbeit geschickt“, erinnert sich der alte Meister an seinen Heimathof Mastaun.
So heißt das aus mehreren Gebäuden bestehende Gehöft am Ausgang eines Hochtales bei Unser Frau in Schnals. Und so heißt auch das Tal, das dort beginnt.
Mastaun ... Monate lang allein gelassen mit einer Herde von Schafen oder Ziegen ... schon damals begann das Schnitzen und die Zwiesprache mit Gott. Damit sind zwei Hauptthemen im Schaffen des Künstlers bereits angedeutet: Die Schöpfung und der Schöpfer. Bildwerke aus verschiedenen Materialien. Holz, Stein, Bronze. Er macht besonders schöne Tiere, sieht ihre Göttlichkeit. Eigentlich ein heidnischer Gedanke, aber für den tiefgläubigen Friedrich kein Problem.
Am 24. April 2013 wurde auf Schloss Kastelbell eine Ausstellung über das Gesamtwerk des jetzt 90 jährigen Künstlers Friedrich Gurschler eröffnet, eine Leistungsschau, die bis zum 9. Juni 2013 gezeigt wird.
Friedrich Gurschler wohnt und arbeitet nun schon lange in seinem Haus neben der Hauptstraßen in Partschins/ Töll, unermüdlich als Künstler und als Hirte inmitten seiner Herde. In seinem neuen Reich, in seinem großen Garten und Atelier mit den vielen Tieren ... sie wandern noch immer, weiden, drängen sich, stoßen und ruhen. Dargestellt auf Papier, in Bronze, in Marmor und vor allem in Holz. Als kleine Welt, als Krippe. Sie ist das Abbild der großen Welt.
In seiner Jugend hat Friedrich Gurschler Schafe und Ziegen gehütet, schon damals allerhand Wildtiere beobachtet, später auch als Jäger. Seine religiöse Prägung erfuhr er zuerst im heimatlichen Tal, in Unser Frau in Schnals, auf dem Mastaunhof, wo er geboren wurde. Er war auch Soldat im Krieg.
All diese Erfahrungen hat er verinnerlicht, in künstlerische Sprache gebündelt, zeigt sie immer wieder, auch in Holzschnitten, die in den jüngsten Arbeitsjahren wieder häufiger werden. Die Gesichter verändern sich, meint ein Besucher, sie werden einander immer ähnlicher, die Gesichter der Menschen und der Schafe. Tatsächlich fügen sich die Schafe zum Gruppenbild, spielen Verein, einzelne Gesichter werden erkennbar. „Habe ich den nicht schon irgendwo gesehen, vielleicht als Vorsitzenden einer Bank?“
Eine Besucherin weist auf die schlaff herabhängenden Ohren der Schafe ... es sind Vinschger Schafe ... sie haben schon alles erlebt, es sind die Ohren von Opfertieren. Lamm Gottes, Gelassenheit, Hingabe. Respekt vor jedem einzelnen Tier, spürbar durch liebevolles Schnitzen jeden Ziegenfelles. Streicheln eines geliebten Wesens, Lob der Schöpfung, Gotteslob.
Der „Mastauner Friedl“, so wurde er in Schnals genannt, arbeitete lange als Knecht bei verschiedenen Bauern seines Heimattales und konnte erst spät die Kunstakademie in Nürnberg besuchen. Hoch geschätzt nicht nur als Schöpfer sakraler Werke ist er im ganze Land und weit darüber hinaus bekannt.
Er hat aber immer noch enge Beziehung zu seinem Schnalstal. Deshalb wollte auch Hubert Veriola, der frühere Bürgermeister für das Heimattal etwas ankaufen - einen schönen Frauenakt. Aber das hat ihm der Künstler ausgeredet: „Das passt nicht nach Schnals, ich habe etwas anderes!“ Und er zeigte dem Bürgermeister eine Brunnensäule aus Apfelbaumholz, in die er seine geliebten Gämsen und Murmeltiere geschnitzt hat. Dieses Holzstück, das er von einem Töller Bauern gekauft hat, wurde dann auf Kosten der Gemeinde in Bronze gegossen und auf einem Platz in Katharinaberg aufgestellt. „Die Brunnenschale ist nicht von mir“, wehrte sich der Künstler, „sie wurde von einem Architekten entworfen; diese Dinge sollten aus einer Hand kommen, sonst passen sie nicht zusammen!“
In Gurschlers künstlerischer Entwicklung geschieht ein mit Isaaks Opferung vergleichbarer Vorgang: Neben absoluter Gottestreue eine ebenso unbedingte Treue zur künstlerischen Wahrheit. „Hieratisch“ nennt Marjan Cescutti diese Kunst und meint damit das Heilige, Priesterliche und Feierliche im Werk Gurschlers. Vom Hirten zum Jäger und zum Künstler.
Aus großen, verwunderten, manchmal schalkhaften Augen schauen uns seine Gschöpfe an, Stinböcke, Ziegen, alle halten sie inne, so als würden sie sich zum Gebet versammeln, zum gemeinsamen Gottesdienst ganz hinten, ganz oben im Mastauntal.
Aus dem Blech der „Goaßschellen“ werden Botschaften aus Bronze.