Spezial-Bauen: „Bauen ist momentan eine Kunst für sich“

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Eine Investition in ein Eigenheim ist immer noch das Beste. Architekt  Alexander Andretta Eine Investition in ein Eigenheim ist immer noch das Beste. Architekt Alexander Andretta

Architektur-Interview mit Alexander Andretta

Interview & Foto: Angelika Ploner

Es ist lieb gewordene und gern gepflegte Tradition beim Vinschgerwind im Sonderthema „Bauen & Einrichten“ mit Vinschger Architekten ein Gespräch zu führen. Diese Interview-Reihe wird in dieser Wind-Ausgabe mit dem Architekten Alexander Andretta fortgeführt. Wir haben mit ihm über Mehrkosten beim Bauen derzeit, über Rohstoff-Verknappung, Fehler beim Bauen oder Lieblingsprojekte gesprochen.

 

Vinschgerwind: Herr Andretta, die steigenden Baukosten sind aktuell ein sehr gefühltes Thema. Mit wieviel Mehrkosten müssen Bauherren derzeit rechnen?
Alexander Andretta: Es ist momentan sehr schwierig genaue Baukostenprognosen zu machen. Die Steigerungen haben 2021 im Zuge der Pandemie angefangen. Pandemie bedingt sind diverse Produktions- und Lieferketten ins Stocken geraten und das hat zu Verknappungen geführt und dazu, dass man nicht unmittelbar Materialien beschaffen konnte. Jetzt haben wir die nächste Krise und das ist nochmal eine brisantere Situation. Die Inflation steigt. Die Preissteigerungen der Primärenergien schlagen sich natürlich auf die Produktionskosten nieder. Zum Beispiel bei der Produktion von Dämmmaterialien, Beton, Baustahl, Glas usw., wo die Primärenergie, sprich die Rohstoffe Öl oder Gas benötigt werden. Lieferanten und Baufirmen können momentan keine fixen Preisgarantien geben. Momentan stellt dies eine Situation dar, die es, seit ich plane, in dieser Form zumindest in den letzten 20 Jahren noch nie gegeben hat.

Vinschgerwind: Kann man eine wage prozentuelle Schätzung der Mehrkosten machen?
Alexander Andretta: Ich würde sagen so im Schnitt zwischen 20 bis 25 Prozent. Das hängt natürlich vom Bau ab. Auch davon ob Bauherren noch alte Verträge haben. Die Holzpreise sind wieder gesunken. Bei den öffentlichen Bauten hat die Politik bereits reagiert. So können nun Auftragnehmer, welche vor den außergewöhnlichen Preissteigerungen Aufträge abgeschlossen hatten, nun eine Kostenanpassung vornehmen. Im Privatsektor fehlt hierzu leider eine ähnliche Regelung, sprich hier wäre es Aufgabe der Politik entsprechend zu reagieren und auch zu intervenieren.


Vinschgerwind: Also Bauen ist momentan sehr nervenaufreibend.
Alexander Andretta: Bauen ist momentan eine Kunst, jeden Tag muss man einen Spagat machen, auf andere Materialien ausweichen, improvisieren. Wenn ich Dämmmaterial in der gewünschten Stärke nicht herbekomme, dann muss ich es halt mal in zwei verschiedenen Stärken nehmen. Das ist nur ein Beispiel.

Vinschgerwind: Kann momentan eine Preiskalkulation vor diesem Hintergrund überhaupt gelingen?
Alexander Andretta: Nur für kurze Zeit und immer mit der Ungewissheit, ob es bei diesem Preis dann letztendlich bleibt. Wir sehen es ja auf dem internationalen Markt: Jeden Tag steigen die Gas- und die Strompreise, beim Treibstoff genauso. Wir haben fast täglich eine neue Situation.

Vinschgerwind: Was raten Sie angehenden Bauherren: Abwarten oder bauen?
Alexander Andretta: Das ist eine schwierige Frage. Ich sage so: Man muss das Ganze etwas weitläufiger sehen. Die Inflation ist gestiegen, die Lebenskosten sind gestiegen. Die Inflation verbrennt das Kapital, das auf der Bank liegt. Folglich ist eine Investition in ein Eigenheim, in eine Immobilie immer noch das Beste. Natürlich ist der Wehrmutstropfen, dass man teurer bauen muss, aber ich hab mein Geld zumindest gut investiert und sicher geparkt. Da glaube ich ist es sinnvoller gemeinsam mit den Bauherren zu schauen, wo man im Moment einsparen könnte. Dass man vielleicht zumindest einmal den Rohbau voranbringt und dann etappenweise schaut und baut. Wir sehen jetzt einfach die Folgen der Globalisierung. Wir haben uns in eine Abhängigkeit manövriert. Ich glaube, wir müssen wieder zurück zu mehr Regionalität und zu kleinen Kreisläufen. Auch beim Bauen.

Vinschgerwind: Womit wir beim Thema ressourcenschonendes Bauen und Energiesparen wären. Muss Bauen nachhaltiger werden? Oder anders gefragt: Was muss Architektur in Zukunft können?
Alexander Andretta: Ich habe mich in der Passivhaus-Planung spezialisiert.

Mein Anliegen war immer, dass das Bauen nicht nur heute als Investition im Moment zu sehen ist, sondern auch morgen, wenn das Haus bewohnt und zu erhalten ist. Und genau da fängt Nachhaltigkeit an. Wie ich ein Haus heute plane, ist maßgebend dafür, wie es morgen funktioniert und wie ich meinen Energiehaushalt und die Kosten beeinflussen kann. Das ist die Herausforderung der Architektur in Zukunft: Passivhausplanung, Niedrigenergie, gezielt Maßnahmen zu setzen, damit ich morgen Energie spare, Ressourcen nutzen und intelligent bauen. Dass heißt Architektur muss in Zukunft mit geringeren Mitteln und weniger Ressourcen den Komfort der heutigen Zeit halten.

Vinschgerwind: Stichwort Stromkosten und Fotovoltaik: Was raten Sie Bauherren?
Alexander Andretta: Meine Vorstellung wären Energiegenossenschaften, mehrere Bauherren, die sich zusammentun und gemeinsam Dachflächen mit Fotovoltaik bepflastern und den Strom dann für den eigenen Gebrauch verteilen. Privatkonsortien. Anscheinend soll da vom Staat ein Anreiz für solche Genossenschaften oder Konsortien kommen. Ich sehe da sehr großes Potential. In bestehenden und künftigen Wohnbauzonen könnte man so etwas andenken. Auch hier wäre wieder die Politik gefragt gesetzliche Rahmenbedingungen, Mittel und gezielte Förderungsprogramme zu schaffen, um den Bauherrn den direkten Zugang für nachhaltige Energie zu ermöglichen und das nicht nur für Sanierungen im Nachhinein, sondern bereits im Vorfeld beim Neubau. Momentan ist die Situation so, dass auch bei den Fotovoltaikplatten einfach mit langen Lieferzeiten zu rechnen ist, nicht zuletzt aufgrund des derzeit möglichen „Superbonus“ 110 %, welcher seit 2020 in Italien mit dem Gesetzesdekret „rilancio“ zur Wiederbelebung der Wirtschaft eingeführt wurde.

Vinschgerwind: Themenwechsel: Was ist laut Ihren Erfahrungswerten der häufigste Fehler beim Bauen?
Alexander Andretta: Die Zeit. Viele nehmen sich für dieses Bauvorhaben, wo ein Normalverdiener 20 bis 30 Jahre Kredit zurückzahlen muss, viel zu wenig Zeit. Es muss schnell gehen und der Bau sollte morgen schon stehen. Aber gut Ding braucht gut Weil. Auf dem Papier kann man abreißen und aufbauen, simulieren und Varianten durchspielen. Genau das ist sehr wichtig. Wohl zu überlegen. Änderungen während der Bauphase werden teuer, es müssen Varianten gemacht werden, das bringt wiederum einen verwaltungstechnischen Aufwand mit sich und das sind einfach Kosten, die unbedingt zu vermeiden sind. Manche schauen ein halbes Jahr wegen einem Autokauf und wollen das Haus in drei Wochen geplant haben. Die sorgfältige Planung im Vorfeld ist einfach sehr wichtig.

Vinschgerwind: Einige persönliche Fragen: Was planen Sie lieber? Einen Neubau oder eine Sanierung?
Alexander Andretta: Das ist schwierig. Eine Sanierung ist sicher spannend. Die Herausforderung s46 sogbodenbesteht darin mit Respekt zum alten Gebäude, insbesondere wenn dieses geschichtsträchtig und von kulturhistorischem Wert ist, zu agieren und die Symbiose zwischen Alt und Neu zu finden, damit alles im Gleichgewicht bleibt und sich bestenfalls ergänzt. Auf der einen Seite, wenn ich an das kürzlich realisierte Projekt „Sogboden“, einem neuen Restaurantbetrieb bei den Heiligen Drei Brunnen in Trafoi denke, dann war dieser Neubau auch etwas ganz Besonderes. Da dieser sich am Rande einer Gefahrenzone (Schneelawine) befindet und hierfür spezielle bautechnische Schutzmaßnahmen vorzusehen waren, bestand die baulich/architektonische Herausforderung darin, das Gebäude so zu konzipieren, dass die Schutzfunktion vom Bauwerk selbst übernommen wird. Der schalenförmige Schutzbau wurde konsequent in das Landschaftbild eingebunden. Die schalenförmige Konstruktion als schützende Außenhülle in Beton, welche organisch aus dem bestehenden Gelände wächst, stülpt sich quasi wie eine Art „steinerne Schale“ bzw. „Schildkrötenpanzer“ über den inneren Kern, welche nach „außen“ seine Schutzwirkung übernimmt und signalisiert und nach „innen“ dem darunterliegenden Gebäude, welches sich mit einer ortstypischen Lärchenholz-Fassanden-Verkleidung äußert, vor Witterung und Gefahren geschützt, ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt. Ich kann daher wirklich nicht eine Präferenz nennen.

Vinschgerwind: Herr Andretta, wie wohnen Sie selbst?
Alexander Andretta: Ich hatte das Glück, das ich mit meinem Eigenheim mein Haus im Grünen realisieren konnte. Das waren glückliche Umstände muss ich sagen. Ich wohne in einem Passivhaus mit Wärmepumpe und Fotovoltaik. Ich konnte meine Vorstellung von einem nachhaltigen, effizienten Bau vollends realisieren.

Vinschgerwind: Welche Voraussetzungen muss man als Architekt mitbringen?
Alexander Andretta: Ein Architekt hat eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe. Ein Architekt ist quasi ein Allrounder, welcher in Besitz von Fachkenntnissen sein muss, welche über ein weitläufiges Spektrum reichen. Zum einen ist er ein Künstler, der kreativ ist, zum anderen ein versierter Ingenieur, der die technische Seite im Auge haben muss, auf jeden Fall ein Experte im Baurecht, sowie Bauberater in allen bautechnischen bis hin zu wirtschaftlichen und sozialen Belangen. Er muss die Baukosten berechnen können und diese während der Bauphase im vorgegeben Rahmen halten. s46 zerminigerMeiner Meinung nach ist es wichtig, dass ein Architekt ein Teamplayer ist und Empathie hat. Empathie gegenüber den Bauherrn, um die Ansprüche zu verstehen und auf seine Wünsche einzugehen, aber auch Empathie gegenüber allen Beteiligen am Bau, weil jeder in seinem Fachbereich Respekt und Wertschätzung verdient. Teamplayer hingegen, weil ein Architekt mit vielen zusammenarbeiten muss. Auch Achtsamkeit ist sehr wichtig.

Vinschgerwind: Wieviele Projekte haben Sie bis jetzt realisiert?
Alexander Andretta: Ich bin seit 2005 selbständig mit meinem eigenen Büro, konnte aber als freier Mitarbeiter zuvor bereits viele tolle Projekte mitbetreuen, wie zum Beispiel das neue Krankenhaus Schlanders mit dem Architekten Stecher oder das neue Altersheim in Laas. Also ich führe keine Strichliste, irgendwann habe ich aufgehört zu zählen ... auf jeden Fall habe ich in fast 20 Jahren selbständiger Tätigkeit eine Vielzahl an Projekten im Vinschgau und darüber hinaus in Südtirol verwirklichen können.

Vinschgerwind: Und woran erkennt man einen Andretta-Bau?
Alexander Andretta: Vielleicht daran, dass bei meinen Bauten Passivhaus-Architektur vorhanden ist, also viel Glas in Kombination mit Vordächern. Im Winter kommt die Sonne herein und im Sommer schützt das Vordach vor der Hitze. Im Prinzip eine Architektur, die sich aus den Nutzungsanforderungen, der Funktion, die sie erfüllen soll ergibt und nicht umgekehrt durch eine gezielte ästhetische Formsprache, an welcher sich die Funktion des Gebäudes anpassen muss. Deshalb folgen meine Bauten nicht bedingungslos einer streng linearen Form, als dass sich bei meinen Bauten auch gerne eine Spannung in schrägen Bauteilen findet. Ich würde sagen eine organische und flexible Architektur zeichnet meine Bauten aus.

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