Immer wieder trifft man im abgelegenen Vinschgau interessante Menschen mit besonderen
Lebensgeschichten. Einer davon ist Pichler Alois; ein ehemaliger Lehrer aus Kortsch mit großer Leidenschaft für die englische Sprache.
von Cornelia Knoll
Doch lassen wir ihn selbst zu Wort kommen:
„Geboren in Sulden in der „Waldruhe“ am 04. November 1940, verlebte ich trotz der damaligen Kriegswirren in der Geborgenheit des Waldes eine fürwahr schöne, unvergessliche Zeit. In diesem Haus, mitten im Wald wurden ich, meine Eltern und meine Geschwister von Füchsen und Rehen täglich besucht.
Der Nachbar in Außersulden war eine halbe Stunde entfernt; nach Innersulden mussten wir eine ganze Stunde wandern um zur Kirche zu gehen. Damals holte sich der Messner das Klingelgeld mittels eines Beutels, der an einer Stange hing. Ich und mein Vater knieten brav im Kirchstuhl, daneben schlief seelenruhig ein alter Suldnerbauer. Der Mesner weckte ihn, indem er ihm mit diesem Beutel an den Kopf klopfte. Der Bauer erwachte kurz, schaute nach oben und sagte: “Na,des isch nit mei Huat“ und schlief weiter.
Die Volksschule besuchte ich in Außersulden. Weit und anstrengend war der tägliche Fußweg dahin und somit meinte unsere gütige Lehrerin Frau Maria, dass ich bei ihr essen und schlafen dürfe.
Jahre später ging es zur Bürgerschule nach Prad, darauf nach Brixen ins Priesterseminar, um mich für die Aufnahmeprüfung ins Vinzentinum vorzubereiten.
Unser Pfarrer in Sulden wollte unbedingt, dass ich Priester werden solle, doch ich stellte mir meine Zukunft anders vor. Meine Absicht war es, in den Welthandel einzusteigen und so zog ich mit zwei Mitschülern frohen Mutes nach Wien. Dort angekommen stiegen wir erstmals auf den Stefansdom, genossen die Aussicht und buchten abends sogleich eine Tanzschule.
Die Universität besuchten wir am nächsten Tag, verbrachten dort viele Monate Studienzeit, lernten für das Studium des Welthandels. Doch ich wusste, ich musste dafür auch unbedingt die englische Sprache erlernen.
So zog ich mit der Absicht, nach England zu gehen, einstweilen zurück nach Hause, nach Sulden.
Glücklicherweise wurde unser Waldrestaurant täglich von einem englischen Ehepaar „Harris“ besucht. Diese boten mir an, bei ihnen in Lancaster zu wohnen und dort in die Schule zu gehen.
Gesagt, getan. Nach kurzer Zeit startete ich voller Vorfreude meine abenteuerliche Reise. Mit dem Schiff von Calais nach Dover und am nächsten Tag weiter mit dem Zug nach Lancaster an die schottische Grenze
Endlich angekommen war alles geschlossen, die Familie Harris noch nicht dort. Was also tun in einem fremden Land? Ein großes Hotel stand in der Nähe. Kurzerhand trat ich ein, stellte mich vor und bat um eine Bleibe. Der Chef dort meinte „Do you speak English?“ und dann, “Na wenn du Südtiroler bist, müsstest du doch Ziehharmonika spielen können?“ Ich verneinte. “Dann wirst du wohl zumindest Gäste bedienen können?“, fragte er.
Wieder musste ich ihn enttäuschen und schlug vor, dass er mich doch gerne an die Küchenspüle stellen könne. Er war einverstanden, führte mich zum Spülbrunnen und sagte „Clean the Scheiße“.
So verbrachte ich die erste Zeit in dem fremden Land, arbeitete und lernte nebenbei die Sprache. Auch die bunte Hauptstadt London durfte ich kennenlernen. Dort verdiente ich mich 9 Monate in einer Jugendherberge, spülte und säuberte sogar einige Monate die Schlafzimmer.
Weiter ging’s nach Oxford. Herr Professor Kahle aus Deutschland bat dort um meine Dienste bei Pflege und Haushalt. Im Gegenzug durfte ich dort wohnen und die Schule besuchen.
Im Sommer 1963 kehrte ich mit wunderbaren Eindrücken in meine Heimat zurück. Dort herrschte in jener Zeit ein großer Lehrermangel und man warb um mich als Lehrer in der Mittelschule Schlanders. Ich machte die Matura und inskribierte an der Univerität in Verona an der Fakultät für „Lingue e letterature straniere“.
1975 promovierte ich bei Prof. Frau Taparelli mit dem Thema „Die Problematik des armen Spielmann“, eine Novelle von Grillpanzer.
Im darauffolgenden Jahr bat mich der Direktor der Handelsschule Schlanders, seinen Schülern die englische Sprache beizubringen. 26 Jahre lang durfte ich diese Sprache meine Schüler lehren, die immer fleißig meinem Unterricht gefolgt sind. In Kortsch habe ich mit meiner Frau eine Familie gegründet und 2 wunderbare Kinder, Evi und Jochen bekommen.
Im Jahre 2002 war ich reif für die Pension.
2007 gab es dann nochmals ein wahres Highlight. Mit 8 weiteren Kollegen trat ich die Reise nach Uganda an. Unter der Leitung des Missionarsbruder Hans Raffeiner konnten wir dieses sehr arme aber wunderschöne Land kennenlernen. Wir haben dort viel an Menschlichkeit, Offenheit und Gastfreundschaft erfahren
Diese „andere Welt“ hat mir bewusst gemacht, wie reich wir an materiellen und finanziellen Mitteln sind und wie dankbar wir für unsere Heimat sein können.“