Der 89-jährige Martin Gamper lebt seit seiner Geburt auf dem 1.600 Meter hochgelegenen
Mitter-Pardatsch Hof, einem Erbhof auf St. Martin im Kofel. Obwohl sein Leben am steilen Hang oft sehr kräfteraubend war, hat er sich nie nach einem anderen Ort gesehnt.
von Magdalena Dietl Sapelza
Der Altbauer Martl verbringt heute die Zeit zurückgezogen in der getäfelten Stube, dort wo Generationen von Vorfahren ein- und ausgegangen sind. Er hat beim Umbau dafür gesorgt, dass die Stube in der ursprünglichen Form erhalten geblieben ist. „Di Brettr fün Bodn do hon i nou selbr gschnittn“, betont er. Martin wuchs als ältester von sieben Kindern auf Pardatsch auf. Die Familie lebte von dem, was der Hof hergab. Nur Salz, Zucker, Maismehl und Karbid für die Lampen trugen die Eltern im dreistündigen Fußmarsch von Latsch zum Hof. Als Achtjähriger durfte Martin seinen Vater erstmals begleiten. „Sel isch a Erlebnis gwesn“, erinnert er sich. Ein halbstündiger Fußmarsch führte ihn vom Hof zur Bergschule neben der Kirche. Die Schulmesse war Pflicht. „Miar hobm wegn dr Kommunion gmiaßt niachtern sein, unt Mux hobmer koan terft mochn“, erzählt er. Nachdem sich Martin einmal zu jemanden umgedreht hatte, dem schlecht geworden war, riss ihm der Pfarrer das Ohrläppchen los. Im ersten Schuljahr war die Unterrichtssprache Italienisch. „Verstondn hobm miar lei soldi unt mangiare“, scherzt er. Bei der Option entschieden sich Martins Eltern für das Dableiben. Das brachte ihm und den Geschwistern die hämischen Zurufe „walsche Kindr“ ein. Der Schulweg war vor allem im Winter sehr beschwerlich. Stürmischer Wind wirbelte den vielen Schnee auf. Einmal wäre Martin beinahe erstickt, wenn ihn nicht ein Nachbar gerettet hätte. Die Arbeit auf dem Hof ging nie aus. Schwierig war die Zeit, als der Vater im Krieg in Norditalien war. Mit Hilfe der Kinder pflügte die Mutter die Felder, mähte in alle Herrgottsfrüh die Wiesen und trug Heu und Getreide in die Scheune. „Do tatn heint viele schaugn, wia miar gorbatet hobm, zmorgaz mit dr Segaz unt Nomitog mit dr Krax.“ Erst viel später brachten Maschinen Erleichterung. Um etwas dazu zu verdienen, arbeitete Martin zeitweise beim Bau des Stausees in Martell, als Knecht in Latsch und als Holzarbeiter. „Nor hobmer obr a Gelt kopp, a Fackl z‘ kafn“, meint er. Während seines Militärdienstes in Meran führte ihn eine Reise zur Papstaudienz nach Rom. „Selm hots miar gor nicht gfolln, miar hobm lausig glebt“, betont er. Neben der Arbeit auf dem Hof gab es immer auch Zeiten der Geselligkeit bei Musik und Tanz, so am Ostermontag, nach dem Korntragen und zu Martini. Gar einige Burschen konnten Ziehharmonika spielen. „Dr Stubabodn do hot eppas ausholtn gmiaßt“, scherzt er. In seiner Stube tanzte er zum ersten Mal auch mit seiner späteren Frau Rosa Gamper (Jg. 1938). Von der Empore in der Kirche aus hatte er ihr zugezwinkert und sich dann mit ihr getroffen. Im Mai 1963 führte er sie zum Traualtar. Es schneite so viel, dass es im Pardatschhof vom Dach der Brautkammer auf das Bettzeug tropfte. „Di Rosa hot nor gmiaßt di gschenkte Bettwasch inbettn“, lacht er. Für das Hochzeitsfoto fuhr das Paar später nach Meran. Inzwischen konnte die Seilbahn benutzt werden. „Di Bohn isch für inz do s` Herzblattl“, unterstreicht Martin. Das Lachen von sieben Kinder füllte schon bald den Hof. In dunklen Wintern spielten sie bei Kerzenlicht. 1979, ein Jahr nachdem Martin den Hof übernommen hatte, wurde dieser an das Stromnetz angeschlossen. Endlich konnten eine Waschmaschine, ein Kühlschrank und eine Tiefkühltruhe gekauft werden. Ein schreckliches Ereignis hat sich in Martins Gedächtnis eingebrannt. Es ist der Tod seiner zwei Brüder und deren zwei Kollegen am 3. September 1966. Als Holzarbeiter am Nördersberg waren sie nachts in ihrer Baracke von einer Mure begraben worden. Tröstlich empfand die Familie die Anwesenheit von Bischof Josef Gargitter bei der Beerdigung in Latsch. Sehr geschmerzt hat ihn auch der Tod seiner Frau Rosa im November 2021. „Wenn i obr di gleich Frau kriagat, tat i in mein Lebm wiedr olz gleich mochn“, bekennt er. Von ihr geblieben ist ihm das Bild an der Wand und viele schöne Erinnerungen an die Zeit, die sie gemeinsam im Familienkreis in der getäfelten Stube verbracht haben.