Erkenntnis aus Erfahrung
In der Einleitung zum Bericht schreibt Dr. Maurizio Zanin, der Amtsdirektor des oben genannten Amtes in der Trentiner Landesverwaltung, dass das Jahr 2012 neben dem biologischen Fortpflanzungserfolg der Bären gezeigt hat, wie das Bärenprojekt in eine kritische Phase eingetreten sei. Änderungen im Projektansatz würden in kurzen Fristen notwendig sein. Zahlenmäßig nähert sich die Bärenpopulation mit 50 Individuen der Mindestgröße für eine überlebensfähige Population, aber gleichzeitig und gegenläufig sei die soziale Akzeptanz der Bären stark abnehmend. In der Einschätzung von Dr. Zanin besteht ein unaufschiebbarer Bedarf, die Instrumente zum Handling der Bärenpopulation dringend anzupassen. So müssten die Kriterien zu den „problematischen Verhaltensweisen“ von einzelnen Braunbären dringlich neu definiert werden. Dies gelte vor allem für die Gefährlichkeit und Schädlichkeit von verhaltensauffälligen Exemplaren. Die aus den bisherigen Erfahrungen abgeleiteten Schlussfolgerungen sollten ihren Niederschlag auch im Managementplan für die Braunbären (PACOBACE genannt) finden. Des Weiteren sollten die Befugnis, bestimmte Maßnahmen zur Intervention zu setzen, vom Umweltminister auf eine dezentralere Ebene herunterdelegiert werden. Dies wünscht sich ein Verantwortungsträger vor Ort, der fast täglich mit der Betreuung nicht einfacher Details im Rahmen des Bärenprojektes befasst ist.
Das Monitoring
Unser Wissen über die Bärenpopulation aus der Brenta-Gruppe und über deren Entwicklung stammt aus intensiven Beo-bachtungen, Überwachungen und deren Auswertung. Das Trentiner Bären-Monitoring, das in Zusammenarbeit mit den Nachbargebieten betreut und umgesetzt wird, umfasst im Wesentlichen vier Bausteine:
• das genetische Monitoring mit der Untersuchung von Haar- und Kotproben,
• das systematische Monitoring mit Informationen aus dem Fang und der Wiederfreilassung von Bären,
• das Zufallsmonitoring aus Beobachtungen, Sichtungen und deren Meldung,
• das fotografische Monitoring über Fotofallen.
Im Jahre 2012 wurden beispielsweise 646 Haar- und Kotproben eingesammelt und der genetischen Analyse unterzogen. Insgesamt wurden damit seit Beginn der genetischen Untersuchungen im Jahre 2002 4.952 Proben eingesammelt und untersucht.
Das Monitoring über Fotofallen an sogenannten Kratzbäumen wurde hingegen im vorigen Jahr 2012 zum ersten Mal durchgeführt. Im Zeitraum Mai bis Oktober haben die Bären insgesamt 128 Mal den Infrarotsensor an einem der 20 Fotoapparate ausgelöst. Die Bären an den Kratzbäumen waren in der weit überwiegenden Mehrzahl Männchen. Die Forscher vermuten, dass die Braunbären über dieses Kratzen an Baumstämmen auch ihre Hierarchie in der Gruppe festlegen.
Einige Ergebnisse
Aus den genetischen Analysen konnten im Jahre 2012 43 verschiedene Bären identifiziert werden. Dazu müssen noch 7 Junge gezählt werden, welche aus 4 Würfen stammen, die genetisch derzeit noch nicht zuordenbar, aber regelmäßig beobachtet und fotodokumentiert worden sind. Abzuziehen sind für die Berechnung der Mindestpopulation hingegen 7 Bären, 5 tote und 2 in das Friaul Julisch Venetien abgewanderte Tiere. Die geschätzte Populationsgröße liegt 2012 bei 43 – 48 Individuen (z.Vgl. 2011: 33 – 36).
Unter den 5 toten Bären von 2012 befinden sich auch die drei Brüder M12, M13 und M14 aus dem Geburtsjahr 2010. M14 ist am 22. April 2012 auf der Staatstraße südlich von Klausen unter ein Auto gekommen und verendet. M12 hingegen ist am 8. Juni 2012 beim Überqueren der Schnellstraße Me-Bo auf der Höhe von Vilpian ebenfalls bei einem Zusammenprall mit einem Auto tödlich verletzt worden. M13 hat im südbündnerischen Puschlav überwintert und ist mit einem Erlass der Schweizer Bundesbehörde zu einem Risikobären erklärt und am 20. Februar 2013 bei Miralago im Puschlav erschossen worden. Bereits im Sommer 2012 war das Männchen verhaltensauffällig geworden, hatte auf Almen Weidetiere gerissen und Bienenstöcke zerstört und war immer wieder ohne Scheu vor den Menschen in die Wohnsiedlungen gekommen, auf der Suche nach Nahrung auch in ein Ferienhaus eingebrochen. Vergrämungsaktionen hatten den Bären nicht aus der Nähe zu Wohnsiedlungen vertreiben können.
Im Jahr 2012 waren insgesamt 7 Würfe mit 16 Jungen zu vermerken. Seit dem Jahr 2002 sind damit in den 11 Jahren bis 2012 insgesamt 34 Würfe mit mindestens 69 Jungen zu verzeichnen. Junge, die tot geboren werden oder nach dem Wurf sterben, sind nicht erfassbar. Die Jungen stammen von insgesamt 14 verschiedenen Weibchen und 5 Männchen.
Das Durchschnittsalter der erstgebärenden Bärinnen liegt bei 3,6 Jahren. Das Intervall zwischen zwei aufeinanderfolgenden Würfen betrug durchschnittlich 2,1 Jahre. Die durchschnittliche Wurfgröße (aus 33 Würfen im Zeitraum 2002-2012 ermittelt) lag bei 2,06 Jungen pro Wurf. In ihrer Altersstruktur ist die Trentiner Bärenpopulation 2012 aus 17 erwachsenen Bären (7 Männchen und 10 Weibchen), 11 Jungbären (8 Männchen, 3 Weibchen) und 15 Jungen (7 Männchen, 1 Weibchen, 7 mit derzeit noch unbestimmten Geschlecht) gebildet.
Raumnutzung und Wanderungen
Das Areal, das von den männlichen Bären aus dem Trentino im Jahr 2012 bestrichen worden ist, beträgt 19.425 km² und entspricht damit im Größenvergleich der 2,6-fachen Südtiroler Landesfläche. Die Weibchen halten sich dagegen nach wie vor in einem sehr viel kleineren Kerngebiet von 1.062 km² um den Brenta-Stock im westlichen Trentino auf. Im Zeitraum 2005-2012 haben insgesamt 21 Bären, allesamt männliche Jungbären das Gebiet der Provinz Trient verlassen. Vier davon sind gestorben, zwei gelten als abgewandert, einer als vermisst. 14 dieser 21 jungen Männchen sind im Jahre 2012 erfasst worden, 6 davon sind in das Trentino zurückgewandert.
Drei Bären waren im Jahr 2012 mit Senderhalsband ausgestattet und wurden mittels Satellitentelemetrie in ihren Ortswechseln und Wanderungen überwacht. Einer dieser Bären war der bereits erwähnte M13.
Der Trentiner Bärenbericht 2012 enthält auch einen Anhang zum Luchs und zum Wolf im Trentino. Zu diesen zwei Beutegreifern will ich in einem anderen Beitrag berichten.
Im Nationalparkhaus aquaprad ist derzeit noch unsere Wechselausstellung zu den „Großen Drei“ (Wolf, Luchs und Bär) zu sehen.
Wer den Trentiner Bärenreport 2012 in der ausführlichen Gesamtlänge lesen will, der findet ihn im Internet unter www.orso.provinicia.tn.it Der Bericht ist in italienischer Sprache abgefasst.
Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau