Vinschgau - Im Oktober stehen in vielen Fraktionen im Vinschgau Fraktionswahlen an. Alle Bürger sind wahlberechtigt - und alle Bürger sind wählbar. Ein Aufruf, diese Wahlen wahrzunehmen.
von Erwin Bernhart
In allen 9 Fraktionen in der Gemeinde Mals werden am kommenden Sonntag, am 10. Oktober 2021, Fraktionswahlen abgehalten. Die Burgeiser wählen ihr 5-köpfiges Fraktionskomitee ebenso wie die Schleiser, die Tartscher, die Matscher, die Laatscher, die Malser, die Schliniger, die Planeiler und die Ultner und Alsacker. Alle Bürger:innen sind wahlberechtigt, sofern sie in den Wählerlisten der Gemeinde Mals eingetragen sind. Und, was nicht sonderlich bekannt ist, jede:r ist wählbar. Es gibt zwar eine Liste, die von jeder Fraktion in der Gemeinde Mals hinterlegt ist, aber die ist indikativ, also nicht bindend. Die Gemeinde Mals hat die Aufgabe, die Wahlen der Fraktionen durchzuführen. Die Kosten müssen allerdings die Fraktionen selbst tragen.
Neue Gesichter werden in den Fraktionen Matsch und Schleis auftauchen, denn dort stellen sich die altbewährten und altgedienten Fraktionspräsidenten Vinzenz Telser in Matsch und Luis Pobitzer in Schleis nicht mehr der Wahl.
Bei den Fraktionswahlen werden die Verwaltungen von grosso modo Wald, Weide und Almen neu bestimmt. Offiziell heißen diese Verwaltungen „Eigenverwaltung Bügerlicher Nutzungsrechte (E.B.N.R.)“. Im gesamten Vinschgau - von der Töll bis zum Reschen - gibt es 35 Eigenverwaltungen, mit eigenem 5-köpfigen Komitee, mit eigenen Fraktionspräsidenten. Spötter sprechen von kleinen Bürgermeistern in den Dörfern. Nicht zu Unrecht, denn es gibt Fraktionen, deren Budget größer ist als jenes einer Kleingemeinde. Das ist der Landespolitik, auch mancher Gemeindepolitik ein Dorn im Auge.
In Südtirol sind es insgesamt 117 Eigenverwaltungen. Das Pustertal hat viele solcher Eigenverwaltungen - und eben auch der Vinschgau.
Im Herbst vorigen Jahres, im September 2020, wurde eine Genossenschaft, der „Landesverband der Eigenverwaltungen Bügerlicher Nutzungsrechte Südtirols“ gegründet und im Südtiroler Bauernbund angesiedelt. 56 Eigenverwaltungen, also knapp die Hälfte, sind dem Verband bisher beigetreten. Präsident ist der Laaser Fraktionsvorsteher Oswald Angerer. Mit Armin Plagg, Andreas Weitgruber und Helmuth Pircher stehen ihm drei Vinschger Fraktionspräsidenten im Verwaltungsrat zur Seite, ebenso die aus Schlanders gebürtige Julia Mayr. Vizepräsident ist der Toblacher Franz Troger und die Riege aus dem Pustertal mit Martin Bachmann (Bruneck), Erwald Kaiser (St. Johann im Ahrntal) und Norbert Kirchler (Ahrntal) komplettiert den Verwaltungsrat. Die Malser Wirtschaftsberaterin Carmen Zwick bildet den Aufsichtsrat.
Der Ringschluss zwischen dem Vinschgau und dem Pustertal, hervorgegangen aus dem vorherigen Arbeitskreis der Fraktionen, hat mehrere Gründe. Einer der gewichtigsten: Das die Fraktionen betreffende Gesetz von 1980 soll und muss reformiert werden und LH Arno Kompatscher hat in seinem - bisher - Schubladen-Gesetzesentwurf vorgesehen, dass es bei Bedarf eine unentgeltliche Abtretung von Fraktionsgrund an die Gemeinden geben soll.
Das sorgt für Unmut in den Fraktionen und hat zu einem Schulterschluss, auch zur Gründung dieses neuen Verbandes geführt. „Es geht nicht, dass wegen zweier Einzelfälle alle Fraktionen übers Seil springen sollen“, fasst es Oswald Angerer zusammen.
Das Internetportal salto.bz hat die Verbandsgründung und vor allem das Ansiedeln des Verbandssitzes in der Bauernbundzentrale so kommentiert: „Südtirols Bauern haben sich die Eigenverwaltungen einfach unter den Nagel gerissen. Das wird auch am neuen Landesverband deutlich, der vom Bauernbund gepusht wird.“
Tatsächlich handelt es sich bei den zu verwaltenden Gemeinnutzungsgütern zum großen Teil um Wälder, Weide und Almen. Aber auch Bruchrechte, wie die Marmorbrüche in Laas und in Göflan, gehören den dortigen Fraktionen und deren Pacht bringt viel Geld ein. Auch Beteiligungen an E-Werken spielen für manche Fraktionen eine große Rolle. In der Gemeinde Mals sind alle Fraktionensverwaltungen an E-Werken beteiligt. Der vormalige BM Ulrich Veith hat den Fraktionen Schlinig, Tartsch, Ulten/Alsack und Mals mit der Beteiligung am Puni-Werk eine Art Abschiedsgeschenk gemacht. Die Fraktion Latsch etwa verfügt über Einkünfte über Apfelwiesen. Auch Skilifte verlaufen über Fraktionsgrund. Kurzum, die Fraktionen verwalten mehr als Wald, Weide und Almen. Dies schlägt sich seit mehreren Jahren auch in den Präsidentschaften nieder: So sind etwa die Fraktionspräsidenten von Mals und Burgeis Nichtbauern, ebenfalls Nichtbauern sind die Fraktionspräsidenten von Laas und von Latsch, um nur einige Beispiele zu nennen. Und es funktioniert.
Eigenverwaltungen Bürgerlicher Nutzungsrechte sind keine Relikte und Atavismen aus alten Zeiten, sondern vitaler Bestandteil für das Funktionieren von Dorfgemeinschaften. Denn Holz aus Fraktionswäldern stehen allen Bürger:innen zur Verfügung, grundsätzlich auch die Weiden und die Almen. Und gesetzlich verankert ist, dass ein Teil und zwar 10% des gesamten Fraktionseinkommens an die Vereine der Ortschaft ausbezahlt werden kann. Feuerwehren, Musikkapellen, Sportverein und Schützen sowie andere Vereine profitieren also von den Fraktionen und den Gemeinden dürfte es Recht sein, wenn die Vereine unterstützt werden.
30% des Ertrages steht den Bauern zu. So steht es im grundlegenden Gesetz von 1980, welches der damalige Landwirtschaftsassessor gezimmert und damit den damaligen demografischen Entwicklungen Rechnung getragen hat. Der heute 80-jährige damalige Bauernassessor und spätere Landeshauptmann Luis Durnwalder kennt das Gesetz heute noch auswendig und hat das kürzlich in Matsch bei der Bürgerversammlung bewiesen.
Das Gesetz sei reformbedürftig, sagt auch Oswald Angerer. Die 10 Prozent für die Vereine etwa (es könnten ruhig mehr sein), oder die 30 Prozent vom Wirtschaftsüberschuss an die Bauern (das könnte laut Angerer weniger sein) oder auch der Wahlmodus, bei dem es mehr Vorzugsstimmen geben könnte. Derzeit können zwei Vorzugsstimmen abgegeben werden.
Am 24. Oktober 2021 wird es auch in den Fraktionen Göflan und Kortsch Neuwahlen geben. In Göflan tritt der langjährige Fraktionspräsident Erhard Alber nicht mehr an und hat im Schlanderser Gemeindeblatt die bäuerliche Linie vertreten: „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Fraktion in vorwiegend bäuerlichen Händen bleiben soll.“
Ebenfalls am 24. Oktober 2021 wählen die Fraktionen in der Gemeinde Kastelbell-Tschars ihre Fraktionskomitees für 5 Jahre. Gewählt wird in den Fraktionen Tomberg, Marein/Latschinig/Freiberg, Galsaun, Tschars und Kastelbell.
Am 31. Oktober werden die Oberländer zu den Wahlurnen in ihren Fraktionen gerufen. In Reschen, in St. Valentin, in Graun und in Langtaufers wählen alle Bürger:innen die Fraktionskomitees.
Ebenfalls am 31. Oktober sind Wahlen in den Fraktionen Latsch, Goldrain, Tarsch und Morter.
Am 14. November wird es Wahlen in den Fraktionen Naturns, Tabland und Staben geben. Der Fraktionspräsident von Naturns Helmuth Pircher wird sich nicht mehr der Wahl stellen.
Ebenfalls Mitte November wird in Sulden das Fraktionskomitees gewählt.
Die Fraktionen, die über mehrere Almen und große Weiden verfügen, haben ein erkleckliches Einkommen auch über die Betriebsprämien. Das sind die EU-Gelder, welche für den Erhalt der Almen pro Großvieheinheit ausgeschüttet werden. Ein Beispiel: Auch über diese Gelder kommt etwa die Fraktion Langtaufers auf Gesamteinnahmen von rund 670.000 Euro im Finanzjahr 2017. Oder ein anderes Beispiel: Die Eigenverwaltung Reschen verzeichnet im Jahr 2020 über 914.000 Euro Gesamteinnahmen, darunter 70.000 Euro für die Bewirtschaftung der Almen. Im Vergleich dazu ist die almenlose Fraktion Mals kirchenmausähnlich. 2020 verfügte die Fraktion Mals über Gesamteinnahmen von 362.000 Euro. Die kleine Fraktion Schlinig hat ihr Finanzjahr 2020 mit Gesamteinnahmen von 217.000 Euro verbuchen können.
Die Abschlussrechnungen aller Fraktionen sind nicht greifbar. Im Verband ist man dabei, die Abschlussrechnungen 2020 aller Mitglieder zu erfassen. Die Daten der Mitglieder im Vinschgau werden nachgeliefert, sagt Oswald Angerer. Nicht alle Fraktionen im Vinschgau sind dem Verband beigetreten. Man wollte die Fraktionswahlen abwarten, um den neuen Verwaltungen die Möglichkeit der Entscheidung zu überlassen.
Der Verband, der Bauernbund und wohl auch die bisherigen Fraktionsverwalter wünschen sich eine möglichst hohe Wahlbeteiligung aller Bürger:innen. Einerseits kann eine solche als Wertschätzung geleisteter Arbeit gedeutet werden und auf der anderen Seite eine Stärkung für die weitere Vorgangsweise und auch gegenüber „feindlichen“ Übergriffen auf die Fraktionen. Von welcher Seite auch immer.