Aus dem Gerichtssaal - Gerichtsurteile ergehen bekanntlich „Im Namen des Volkes“. Dies auch deswegen, weil in einer Demokratie das Volk der Souverän ist. Das war nicht immer so. Nach dem Ersten Weltkrieg, auch noch während Mussolinis faschistischer Diktatur, verkündeten die Richter ihre Urteile „Im Namen des Königs“. Der Unterschied ist keine bloße Spitzfindigkeit. Er sollte die Abkehr vom Obrigkeitsstaat und die Hinwendung zu einem demokratischen Gemeinwesen symbolisieren. Damit hätte auch ein Wandel in der Sprache einhergehen sollen. Hierzulande war den Leuten der Zugang zu Recht und Gesetz zusätzlich erschwert, dass ihm diese in der Staatssprache, also in Italienisch begegneten. Die mangelnde Zweisprachigkeit äußerte sich auch in so kläglichen Übersetzungsversuchen wie „Tribunale“ in „Tribunal“ und „Pretura“ in „Prätur“, wie sie lange den Eingang zum Hauptsitz des Gerichts in Bozen „verzierten“. Richter, welche die deutsche Sprache beherrschten, waren Mangelware. Erst in den späten 60-iger Jahren änderte sich langsam etwas: Der spätere langjährige Richter am Landesgericht Bozen, Josef Kreuzer, machte den Anfang. Ihm folgten die mit Tauferer Wurzeln „behaftete“ Margit Fliri und der Meraner Heinz Zanon, die ihre Karrieren als Vorsitzende des Jugendgerichts bzw. als Präsident des Landesgerichts beendeten. Seit den 80-iger Jahren werden Sonderwettbewerbe zur Rekrutierung von zweisprachigen Richtern durchgeführt, welche zu einer guten „Durchmischung“ geführt haben. Zwei humorvolle Episoden möchte ich den Lesern nicht vorenthalten, welche die Notwendigkeit der Kenntnis beider Sprachen durch den Richter veranschaulichen. Da fand vor dem Bezirksgericht Schlanders ein Strafprozess wegen Amtsehrenbeleidigung statt. In der in Italienisch abgefasten Anklageschrift stand zu lesen, der Angeklagte habe einen Forstaufseher als „caccamolla“ tituliert. Erst auf die Nachfrage des Richters war verständlich, dass damit ein „Schleimscheißer“ gemeint war, was nun bei Gott keine feine Anrede für einen Uniformierten darstellt. Und in einem Musterprozess, der ebenfalls vor dem Gericht in Schlanders ausgetragen wurde, stand im Anklagesatz zu lesen, ein Tscharser hätte einen Schnalser in einem Gasthaus in der Weise beleidigt, dass er ihn mit den Worten begrüßte: “Eccoti qui, Senalese dalla coda lunga“, was in die Urform übertragen dann hieß: “Hoi, bisch a schun do, du longseckelter Schnolser“.
Aber seit im Jahre 2013 sämtliche peripheren Bezirksgerichte aufgelassen und an den Hauptsitz des Landesgerichts in Bozen übersiedelt wurden, finden auch so volksnahe Prozesse wie die oben beschriebenen nicht mehr statt. Denn Hand in Hand damit ging eine Entmenschlichung und Bürokratisierung der Justiz, und das alles aus Gründen der Sparsamkeit, wobei mir noch niemand erklären konnte, worin die Einsparung bestehen soll. Gegen diesen Kahlschlag zum Schaden der Peripherie wäre ein ähnlicher Widerstand angebracht gewesen wie vormals gegen die versuchte Dezimierung der Bezirkskrankenhäuser.
Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt
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