Die Mehrheit der Vinschger können sich heute mit dem Zug identifizieren. Er ist kaum mehr wegzudenken. Aber er ist kein Selbstläufer gewesen sondern hart erkämpft und im Rahmen großartiger Leistungen geschaffen worden.
von Peter Tscholl
Von damals bis heute: Am7. Juli 1903 wurde die Vinschgerbahn als staatlich garantierte private österreichische Lokalbahn konzessioniert. Am 1. Juli 1906 wurde sie gleichzeitig mit dem neuen Bahnhof Meran eingeweiht. Erzherzog Eugen winkte aus dem ersten Zug, als er den Bahnhof von Meran das erste Mal Richtung Mals verließ. Den Betrieb führten die k.k. österreichischen Staatsbahnen. Die Freude an der neuen Eisenbahn dauerte aber nicht lange. Es kam der 1. Weltkrieg. Wie er ausgegangen ist, ist allen bekannt. Südtirol kam zu Italien und die italienischen Staatsbahnen übernahmen den Betrieb der Vinschger Bahn. Bald schon fuhr die berühmt-berüchtigte „Littorina“ durch unser Tal. Ende der 80er Jahre wurden allerdings die Gerüchte über eine Stilllegung der Bahn immer lauter. Am 9. Juni 1990 fuhr der letzte Zug der alten Ära.
Ende der 90er Jahre übernahm das Land Südtirol die Bahnstrecke. Sie wurde auf den neuesten Stand gebracht. Am 5.5.2005 begann eine neue Eisenbahn Ära im Vinschgau. Heute wird die Bahnlinie zwischen Meran und Mals von den Südtiroler Transportstrukturen (STA) betrieben. Sie ist verantwortlich für die Instandhaltung und Wartung der gesamten Infrastruktur.
2010 wurde im Rahmen eines durch die EU finanzierten Interreg-Projekts eine Studie in Auftrag gegeben, welche eine Verbindung mit dem schweizerischen Kanton Graubünden prüfen sollte. Das Projekt, welches 2013 vorgestellt wurde, sollte das Schweizer Mittelland mit Oberitalien bzw. Graubünden mit Südtirol verbinden. Das Projekt fand damals bei der Südtiroler Landespolitik breite Unterstützung. Ins Gespräch gebracht wurde auch eine Neuauflage der nie verwirklichten Reschenbahn ins österreichische Nordtirol, nach Landeck. Aber außer Studien ist diesbezüglich bis heute noch nichts gemacht worden.
Am 5. September 2020 fand am Bahnhof in Latsch eine schlichte Feier zur 15-jährigen Wiederinbetriebnahme der Vinschger Bahn statt. Eine derartige Feier wird jedes Jahr an einem anderen Bahnof des Vinschgau abgehalten. Es ist immer eine Gelegenheit zurückzuschauen, aber gleichzeitig auch um vorauszuschauen. Die Einladung erfolgt von den Freunden der Eisenbahn und der jeweiligen Gemeindeverwaltung. Eingeladen werden die Bürgermeister des Tales, der zuständige Landesrat und die politischen Vertreter des Tales (Abgeordneten im Landtag und Parlament).
LR Arnold Schuler und Daniel Alfreider ließen sich entschuldigen. Von der Gemeindeverwaltung Latsch erschienen Bürgermeister Helmut Fischer sowie vom Gemeinderat Harald Plörer und Stefan Bauer. Ebenso der Einladung gefolgt ist der Bürgermeister von Schluderns Peter Trafoier. Nicht gefehlt hat natürlich Walter Weiss, der Präsident der Freunde der Eisenbahn. Als Kämpfer der ersten Stunde für die Vinscherbahn war Richard Theiner anwesend.
„Wenn 1998/99 eine Volksabstimmung gemacht worden wäre, wäre sie sicherlich verloren gegangen.“
Gespräch mit Ex-Landserat Richard Theiner
Vinschgerwind: Du warst 2005 bei der Wiederinbertriebnahme der Bahn Landesrat. Erzähle wie es dazu kommen konnte?
Richard Theiner: Im Vinschgau hatte sich schon die Umweltschutzgruppe immer ganz klar und deutlich für den Zug ausgesprochen. Auch andere Organisationen und Verbände, wie z.B. die Kaufleute waren dafür. Von den Bürgermeistern im Tal haben sich nur 3 für den Zug ausgesprochen - heute gehören übrigens ¾ der Bürgermeister zum Verein „Freunde der Eisenbahn“. Vor 25 Jahren haben die Leute einfach noch nicht daran geglaubt, dass wieder einmal der Zug kommen könnte. 1998, bei meiner ersten Kandidatur zum Landtag haben sie mich noch regelrecht ausgelacht. Der kommt nie, das ist eine Utopie, meinten sie. Mit meinem persönlichen Referenten Martin Matscher habe ich mich aber immer wieder für die Vinschgerbahn eingesetzt. Wir beide haben uns im Ausland verschiedene Konzepte eines öffentlichen Nahverkehr angeschaut, insbesondere für Züge im ländlichen Raum. Wir haben in mehreren Dörfern Vorträge gehalten und somit auch Freude und Begeisterung geweckt. In dieser Zeit, vor fast 20 Jahren gründete auch Walter Weiss die Freunde der Eisenbahn, was ebenso für die Stimmung wichtig war. Ich war der einzige politische Vertreter aus unserem Bezirk in Bozen und musste viel Überzeugungsarbeit leisten. Wenn damals 1998/99 eine Volksabstimmung bezüglich de Bahn gemacht worden wäre, wäre sie sicherlich verloren gegangen. Erst so langsam fand man Interesse an dem Projekt und als LH Luis Durnwalder sah, dass die Mehrheit der Vinschger dahinterstehen, hat auch er die Pläne für eine Wiederinbetriebnahme voll unterstützt. Man kann schon sagen, dass damals allgemein eine Aufbruchstimmung im Land herrschte, es wurde viel gemacht und gebaut. Als Martin und ich in den verschiedenen Dörfern des Vinschgau die ersten Foto von den Zügen der Firma Stadler am Bodensee zeigten, wurde die Sache immer konkreter. Auch Landesrat Di Puppo, damals zuständig für die Mobilität, und später Thomas Widmann haben sich für uns ins Zeug gelegt.
Vinschgerwind: Jetzt wird an der Elektrifizierung gearbeitet. Wie siehst du das Ganze? Positiv oder gibt es auch Nachteile?
Richard Theiner: Ich sehe es sehr positiv. Wenn ab Dezember 2022 mit dem Winterfahrplan die Züge im ½ Stunden Takt fahren, ist das für einen ländlichen Raum wie den Vinschgau schon gewaltig. Der einzige Nachteil ist, dass dann keine Schnellzüge mehr fahren können. Denn damit Schnellzüge möglich wären, bräuchte es Kreuzungsmöglichkeiten, nicht nur an Bahnhöfen sondern auch entlang der Strecke, also zweigleisige Streckenabschnitte. Für Berufspendler wären Schnellzüge schon sehr wichtig.
Vinschgerwind: Was sind deine Zurufe an die Politik?
Richard Theiner: Dass man jetzt schon daran denkt zweigleisige Streckenabschnitte zu errichten. Die Landesverwaltung arbeitet bereits an Arbeitsplänen für den Streckenabschnitt Meran – Bozen um die Fahrtzeiten zu verkürzen. Dabei sollte aber gleichzeitig auch an den Vinschgau gedacht werden.
Vinschgerwind: Wie wichtig ist für dich eine Weiterführung der Bahn in die benachbarte Schweiz bzw. nach Österreich?
Richard Theiner: Eine Weiterführung der Bahn nach Scoul (Engadin) ist sehr wichtig weil es konkrete Überlegungen gibt für eine Eisenbahnverbindung von Scoul nach Landeck. Man sollte meiner Meinung nach noch weiter denken, auch an eine Eisenbahnverbindung vom Vinschgau in den Veltlin, nach Bormio. Das hätte aber nur dann einen Sinn wenn die Lombarden eine Verbindung von Tirano nach Bormio machen würden. Bezüglich einer Verbindung von Mals nach Scoul wäre eine regionenübergreifende Entscheidung, d.h. dass man sich auf einen Trassenverlauf einigt, dringend notwendig. Klar ist, dass so etwas nicht von heute auf morgen geschehen kann. Es sind enorme Investitionen, aber damit überhaupt die Chance besteht, dass eines Tages ein derartiges Projekt verwirklicht werden kann, muss heute schon der Trassenverlauf dafür in die Bauleitpläne der betroffenen Gemeinden eingetragen werden. Sonst nützen die ganzen Studien nichts. Eine Weiterführung der Bahn ist für den ganzen Vinschgau von grundlegender Bedeutung, speziell für den Obervinschgau. Sie ist nicht nur von wirtschaftlicher Bedeutung sondern auch von größter gesellschaftlicher Bedeutung. Es geht um unsere Zukunft, um die Zukunft unserer Kinder und Kindeskinder.
Interview: Peter Tscholl