Vor der eigentlichen Weihe der Liftanlagen bei der Talstation fand in der Pfarrkirche eine Gemeinschaftsmesse statt, die der hochw. Pfarrer Rainer zelebrierte. Bläser der Musikkapelle Burgeis spielten zur Deutschen Messe von Franz Schubert.
Pfarrer Rainer nahm in seiner Predigt direkten Bezug auf die positiven und negativen Seiten, die der Fremdenverkehr mit sich bringt. Es gehe vor allem darum, die positiven Seiten zu sehen und nutzbar zu machen, die aus dem Fremdenverkehr nicht nur für die wirtschaftliche und soziale Sicherung der Bevölkerung, sondern auch für die menschlichen Beziehungen der Völker untereinander erwachsen. Negative Aspekte seien eben durch eine richtig verstandene Pflege der positiven Werte zu überwinden. Denn der Fremdenverkehr müsse als Tatsache hingenommen werden, die aus der sozialen Entwicklung der Gegenwart nicht mehr wegzudenken ist.
Nach dem Meßopfer versammelten sich die Festgäste – unter ihnen seien erwähnt die Landtagsabgeordneten Dietl und Dr. Ziernhöld, sowie der Geschäftsführer des Gemeindenverbandes Dr. Karner – die Schulkinder und viel einheimische und ausländische Zuschauer in der hübsch geschmückten Talstation, wo sie sogleich mit schneidigen Märschen von der Musikkapelle Burgeis begrüßt wurden.
Der Bürgermeister von Graun Dr. Karl Stecher hielt dann im Namen der Gemeinde die Eröffnungsrede. Er erläuterte eingangs einige sehr interessante technische Details. Die vertikale Länge des Lifts, also der Abstand zwischen Berg- und Talstation, beträgt 2.280 m. Die Bergstation liegt auf 2.188 m ü. Meer. Insgesamt sind zur Zeit 62 Gondeln in Berieb, was bedeutet, dass dank der Beförderungsgeschwindigkeit in der Stunde 220 Personen befördert werden können. Es besteht aber die Absicht, noch weitere 26 Gondeln einzusetzen, so daß die Beförderungsmöglichkeit auf 280 Personen erhöht werden kann.
Bürgermeister Stecher gab sodann einen kurzen Überblick über die vielen Bemühungen, die schließlich zur Fertigstellung des Gondelliftes geführt haben.
Ursprünglich war das Oberland ein ausgesprochenes Bauernland. Durch die Errichtung des großen Stausees der Montecatini-Werke wurde aber gerade dem Bauerntum die Grundlage für seine Existenz in vielerlei Hinsicht entzogen. Zahlreiche Familien waren damals gezwungen, ihre Heimatgemeinde zu verlassen. Diese widrigen Umstände ließen schon damals die Notwendigkeit erkennen, daß wegen der arg getroffenen Landwirtschaft nach anderen Einnahmequellen gesucht werden muß, die es der eingesessenen Bevölkerung erlauben, in der Heimat ein würdiges Dasein zu führen.
Es war selbstverständlich, daß sich die ersten Blicke nach den Möglichkeiten richteten, die der Fremdenverkehr bieten kann. Die Schönheit der Landschaft war es, die damals die Männer, die sich um den wirtschaftlichen Aufstieg und den sozialen Fortschritt der Bevölkerung bemühten, in dieser Hinsicht mit mehr als berechtigten Hoffnungen erfüllte und sie nicht ruhen ließ in der Suche nach geeigneten Wegen zur Erschließung der großen Möglichkeiten, die für das ganze Oberland im Fremdenverkehr liegen. Dazu mußten vorerst natürlich die notwendigen Einrichtungen erstellt werden. Vor allem fehlte es an geeigneten mechanischen Aufstiegshilfen für den Winter- und Sommerverkehr. So nahm allmählich der Plan zur Erbauung einer Gondelbahn immer konkretere Formen an. Im Jänner 1960 faßte der Gemeinderat Beschlüsse zur Frage der Erbauung von Aufstiegshilfen. Im Herbst des vergangenen Jahres begab sich dann eine Abordnung aus St.Valentin zusammen mit Dr. Ziernhöld nach Trient, um für den Gondellift eine finanzielle Unterstützung zu erwirken. Von der Region konnte dann auch bei dieser Vorsprache erreicht werden, daß ein Beitrag von 42.400.000 Lire gewährt wurde. Das Konsortium für das Wassereinzugsgebiet der Etsch warf zudem einen Betrag von 12 Millionen aus.
Abschließend dankte noch Dr.Stecher im Namen der Gemeinde Graun und der Fraktion St.Valentin auf der Haide für die Unterstützung, die ihnen von der öffentlichen Hand angekommen ist. Auch die beiden Baufirmen Trojer und Thöni erwähnte er lobend wegen der pünktlichen und gewissenhaften Ausführung der Aufträge.
Nach der mit Beifall aufgenommenen Rede des Bürgermeisters nahm Pfarrer Rainer die Einsegnung der Anlagen der Gondelbahn vor.
Gleich anschließend folgte eine Ansprache vom Landesabgeordneten Dr.Franz Ziernhöld. Es sei ihm eine besondere Ehre und Freude, seinen lieben Landsleuten vom Oberland die Glückwünsche der Landesregierung und des Landtages überbringen zu können. Er dankte dann dem Pfarrer für den großen Sinn für Wirklichkeit, mit dem er vom sittlichen und sozialen Gesichtspunkt aus das Problem des Fremdenverkehrs angefaßt habe. Er gab schließlich noch der Hoffnung Ausdruck, daß eine günstige Entwicklung auf dem Fremdenverkehrssektor die gemeinsame Arbeit, die echte Zusammenarbeit der Fraktionen und der Gemeinden des Oberlandes herbeiführen werde.
Wiederum mit festlichen Klängen schloß das Spiel der Burgeiser Musikkapelle diesen Teil der Festveranstaltung ab, worauf die Ehrengäste eine erste Fahrt mit der Bahn genießen konnten. Diese war für alle wirklich ein einmaliges Erlebnis.
Nach dem Festessen im Hotel Traube begann am Nachmittag ein sehr gemütliches und von überall her stark besuchtes Volksfest bei der Bergstation auf der Haider Alm, das bis in die späten Abendstunden dauerte.
„Dolomiten“ vom Montag, den 13.08.1962
Transkribiert vom Original im Ferdinandeum in Innsbruck durch Chronisten Andreas Waldner am 03.08.2012
Auch heuer, genau nach 50 Jahren, fällt der Sonntag auf den 12. August.