Mittwoch, 18 April 2012 00:00

Klaus Marsoner, Iwan Zanzotti: „Eine Sanierung ist am Ende authentischer“

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 s40_6034Passender hätte der Rahmen nicht sein können: Im über hundert Jahre alten Schulgebäude von Schluderns, dort wo Klaus Marsoner und Iwan Zanzotti ihre Büroräume haben, führten wir das Gespräch über Altbau und dessen Sanierung. Gesprochen haben die beiden jungen Vinschger Architekten über Reiz und Zwang, Erhaltenswertes und Zerstörtes, Vergangenes und Zukünftiges.

Interview: Angelika Ploner | Foto: Magdalena Dietl Sapelza

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau

Vinschgerwind: Mal ehrlich: Was ist Ihnen lieber, ein Neubau oder die Sanierung eines Altbaus?


Klaus Marsoner: Das ist schwierig zu beantworten. Jede Bauaufgabe hat ihren speziellen Reiz. Bei Neubauten gibt es meistens nicht so viele Zwänge, wie bei einer Sanierung. Da sind bestimmte Parameter schon vorhanden. Parameter wie Ausrichtung oder Zufahrten. Ich hab ein bestehendes Haus, eine Struktur, die Orientierung ist schon gegeben, die Dachform, die Straße. Ich muss mir wenig Gedanken mehr machen, wie richte ich dieses Haus aus, wo ist die Sonne, wo die Zufahrt. Das fällt alles weg, es gibt schon einen Rahmen. Bei einem Neubau gibt es 100 verschiedene Möglichkeiten zu bauen. Bei einer Sanierung schreib ich die Baugeschichte einfach weiter.
Iwan Zanzotti: Bei einem Neubau gibt es, wie Klaus schon gesagt hat, viel mehr Möglichkeiten und man muss beim Bauablauf mit weniger Überraschungen rechnen. Ein Neubau ist wesentlich einfacher zu betreuen.

Vinschgerwind: Ganz persönlich, was ist Ihnen lieber?
Iwan Zanzotti: Beides hat seinen Reiz, es gibt kein lieber. Der Vorteil von einem Neubau ist der, dass man sich als Architekt präsentieren und seinen „Stil“ nach außen tragen kann, wobei das nicht der primäre Aspekt unserer Arbeit sein soll. Das Tolle an einer Sanierung ist das Weiterbauen des Bestehenden, das Wechselspiel zwischen Alt und Neu.

Vinschgerwind: Womit wir bei der nächsten Frage wären. Weithin sichtbar ist ein Neubau immerhin ein Prestigeobjekt, dem die Aufmerksamkeit gewiss ist, bei einem sanierten Altbau muss man die Feder des Architekten meist erst im Inneren suchen.
Iwan Zanzotti: Die Planung und Ausführung eines Altbaus ist sehr spannend, ähnlich einer archäologischen Ausgrabung. Man kommt immer wieder auf Neues drauf, ist sozusagen auf „Entdeckungsreise“. Es sind meist schon viele Elemente vorhanden, die den Charakter dieses Hauses ausmachen. Am Ende ist eine Sanierung authentischer und die Bauherren können sich besser mit einem Altbau identifizieren. Außerdem kann auch ein moderner Lebensstil in einer alten Bausubstanz erreicht werden.
Klaus Marsoner: Den Architekten wird ständig angelastet, Prestigeobjekte bauen zu wollen. Das stimmt nur teilweise, denn es sind oft die Bauherrn selbst, die sich ein sogenanntes Prestigeobjekt wünschen, das sie nach ihren Ideen und Wünschen realisieren können. Prinzipiell kann man aber nicht sagen Neubau ist Prestigeobjekt, das wäre eine Pauschalisierung, die so nicht stimmt.

Vinschgerwind: Der Großteil der öffentlichen Gebäude ist vollbracht. Schätzungsweise die Hälfte des Bauvolumens ist Altbau. Tendenz steigend. Die Musik für die Architekten spielt - zwangsläufig – im Bereich Sanierung von Altbauten.
Iwan Zanzotti: Das Verhältnis Altbau zu Neubau unserer Aufträge dürfte bei schätzungsweise 70 zu 30 Prozent sein. Wir sind beide als junge Architekten 2005 mit mehreren Sanierungen gestartet.
Klaus Marsoner: Das Sanieren von Altbauten war somit von Anfang an unser größter Aufgabenbereich und wird es auch in nächster Zukunft bleiben.

Vinschgerwind: Auszeichnungen, die für vorbildliche Sanierungen vom Land vergeben werden, sollen Altbau-Sanierung bei Architekten attraktiv machen. Umgekehrt gefragt: Muss eine Attraktivitätssteigerung des Altbaus für Bauherren nicht mit der Bespielung von öffentlichen Flächen einhergehen. Immerhin sind die meisten Altbauten im Zentrum situiert. Und Studien belegen, dass ein Haus im Grünen immer noch der Traum jeden jungen Mannes in Südtirol ist.
Iwan Zanzotti: Ich hab zum Beispiel im Dorfkern von Tartsch mehrere Häuser saniert und da behaupte ich das Gegenteil: Der Bichl ist die Naherholungszone für das Dorf und somit als öffentliche Frei- bzw. Grünfläche zu sehen. Meiner Meinung nach ist die Lebensqualität im Ortskern eine bessere als in vielen Erweiterungszonen, obwohl öfters die private Grünfläche fehlt. Ich glaube, ein großes Handicap sind nicht die öffentlichen Freiflächen, sondern die Parkmöglichkeiten. Es ist so, dass Projekte daran gescheitert sind, weil die Parkplätze fehlen. Das war z.B. in Prad in der A-Zone der Fall.
s41_6051Klaus Marsoner: Die Parkplätze sind zweifelsohne eine große Herausforderung. Hierfür sollte man den Stellenwert des Autos überdenken und von den Städten lernen. Auch in unseren kleineren Dörfern könnte man zum Beispiel öffentliche Plätze hernehmen, um unterirdische Garagen zu bauen, die für Anrainer genutzt werden könnten.

Vinschgerwind: Gebündelte Parkplätzesind also die Zukunft.
Klaus Marsoner: Ganz genau.
Iwan Zanzotti: Oft bietet sich auch ein Wirtschaftsgebäude an. Da ist genügend Volumen vorhanden und das ist in Laas, Tartsch oder in Mals auch schon gemacht worden.
Klaus Marsoner: Aber um auf die Attraktivität der Dorfkerne zurückzukommen. Ich bin schon der Meinung, dass die unbestritten ist. Ich hab in unmittelbarer Umgebung alles, was ich zum Leben brauche; Geschäfte, die Schule, den Kindergarten, die Bank, das Kaffee usw. Ich verstehe nicht, warum das Haus in der grünen Wiese mit einer zwei Meter hohen Betonmauer rund herum der Traum eines jeden Individuums sein soll. Das fördert die Zersiedelung unserer kleinstrukturierten Dörfer und trägt auch zum Sterben der Nahversorgung bei.
Iwan Zanzotti: Die aktuellen Initiativen von vielen Gemeinden sind vorbildhaft, wo geförderte Volkswohnungen durch Sanierung der Altbauten in den Ortskernen geschaffen werden. Dieses Modell wird Schule machen. In Mals und auch in Schluderns werden die ersten Rangordnungen demnächst auf dem Tisch liegen. In einem Jahr dürften die ersten geförderten Objekte fertig gestellt sein.
Klaus Marsoner: Damit wird auch den Ortskernen eine Entwicklungsmöglichkeit gegeben und der Wert erkannt, den unsere Dörfer vielfach ungenutzt bereitstellen.

Vinschgerwind: Bauen ist auch eine Frage des Geldes. Was ist für jene, die bauen günstiger, Neubau oder Sanierung Altbau?
Klaus Marsoner: Das ist nicht so auf die Schnelle zu beantworten. Bei der Sanierung hängt viel davon ab, in welchem Zustand die bestehende Bausubstanz ist und welche Eingriffe vorgenommen werden. Aber prinzipiell ist meiner Meinung nach eine Sanierung teurer.
Iwan Zanzotti: Ich bin derselben Meinung, die Sanierungen werden allerdings auch mehr gefördert. Beim Neubau hingegen kann man vorab mit einer detaillierten Kostenschätzung die Bau-
kosten besser überwachen als bei der Sanierung eines Altbaus.

Vinschgerwind: Die Herausforderungen bei der Sanierung eines Altbaus sind vordergründig zweierlei: die energetische Sanierung und die Steigerung der Wohnqualität. Bei denkmalgeschützten Gebäuden ist die Sanierung samt Reglementierungen um ein Vielfaches komplexer und vielschichtiger.
Klaus Marsoner: Beim Denkmalschutz ist es so, dass es jede Menge Auflagen vom Amt für Denkmalschutz gibt. Fenster, Fassade, Dachformen sind ganz wesentliche Elemente einer Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes. Es gibt sogar Listen von Handwerkern, die für denkmalgeschützte Gebäude spezialisiert sind und beauftragt werden müssen. Denkmalgeschützte Gebäude werden aber auch dementsprechend gefördert.

Vinschgerwind: In vielen Dörfern des Vinschgaus zerfällt viel alte Bausubstanz. Warum?
Klaus Marsoner: Erstens haben viele vor den Kosten einer Sanierung Angst. Zweitens gibt es oft ganz viele komplizierte Besitzverhältnisse, materielle Anteile, die auf die Realteilung von Laas aufwärts zurückzuführen sind. Und drittens ist auch das Auto, fehlende Parkmöglichkeiten, ein Grund. Das gemeinschaftliche Denken fehlt. Der vierte Grund ist der Trugschluss, dass ich mit einer Sanierung keine Wohnqualität erreiche. Wohnqualität, Individualität, Geborgenheit kann ich in einem alten Haus genauso erreichen.

Vinschgerwind: Es gibt Gebäude, die das Ortsbild charakterisieren, Gebäude, die den Geist eines Dorfes, den genius loci prägen und Zeugen der Vergangenheit sind. Drei Beispiele.
Klaus Marsoner: Das rote Schloss in Latsch.
s41_6040Iwan Zanzotti: Für mich ist der Ansitz Liechtenegg in Mals so ein Beispiel. Das Gebäude prägt den Hauptplatz. Dann in Tartsch das Steck’nhaus, ein denkmalgeschütztes Haus, das auf dem Dorfplatz steht und dessen Fassade durch den Abriss des alten Schulhauses noch stärker in den Vordergrund getreten ist.

Vinschgerwind: Wenn ich ein ortsbildprägendes Gebäude etwa in Naturns suche.
Klaus Marsoner: In Naturns gibt es leider sehr wenige alte ortsbildprägende Gebäude mehr. Mit dem Tourismus ist in Naturns vieles verschwunden.

Vinschgerwind: In Schlanders.
Iwan Zanzotti: Das Rathaus.

Vinschgerwind: In Laas.
Klaus Marsoner: In Laas gibt es sehr viele wunderschön sanierte Gebäude und Ensembles wie zum Beispiel  das bei der Krone.

Vinschgerwind: Einige sind willentlich, andere unwillentlich verschwunden. Welchem Gebäude im Vinschgau trauern Sie am meisten nach.
Iwan Zanzotti: Der Volksschule in Tartsch. Die war über einhundert Jahre alt und hätte sehr gut umgenutzt werden können. Ein Beispiel dafür ist die alte Grundschule in Schluderns, wo sich nach der Sanierung neben Arzt, Apotheke, auch unser Bürositz befindet.
Klaus Marsoner: Dem Schwaltenhof in Schluderns, um den ist es sehr schade. Zum Glück findet immer mehr ein Umdenken statt und es werden nicht mehr wahllos Gebäude in den Ortskernen abgerissen.

Vinschgerwind: Auf welchen Ihrer sanierten Altbauten im Vinschgau sind Sie besonders stolz?
Klaus Marsoner: Die Sanierung vom Haus Lampacher auf dem Kirchplatz in Latsch. Diese Sanierung lebt von innen heraus.
Iwan Zanzotti: In Tartsch drei, vier Sanierungen, die einander in nichts nachstehen. Der Löwenwirt wird zurzeit noch umgebaut.


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