von Tilman Wörtz und Uli Reinhard / Agentur Zeitenspiegel
„Ihr macht doch Friedensjournalismus, oder?“ fragen immer wieder Leute, die sich für unser Projekt Peace Counts interessieren. Die Frage ist verständlich, aber so einfach „ja“ können wir nicht drauf sagen. Es stimmt schon, seit dem Jahr 2003 reisen wir – ein Netzwerk von Reportern und Fotografen, hauptsächlich aus Deutschland – in Krisenregionen weltweit und berichten über die Arbeit von „Friedensmachern“. So haben wir Menschen genannt, die verfeindete Lager miteinander versöhnen und uns durch ihren Mut, ihr Beharrungsvermögen und ihre Kreativität beeindrucken. Pater Bert Layson ist so ein Friedensmacher, ein Pastor auf den südlichen Philippinen, der dort zwischen muslimischen Separatisten und der Zentralregierung vermittelt. Oder Dieudonné Munyiankiko, der in Ruanda Begegnungen zwischen Opfer und Täter des Völkermordes moderiert. In Nordkenia organisiert Fatuma Abdulkadir Fußballturniere zwischen verfeindeten Stämmen. In Medellín haben wir einen vierzehnjährigen Friedensmacher gefunden: Mateo rappt mit seiner Gruppe Escalones gegen die Gewalt der Drogengangs an.
Wenn ein Peace Counts-Teams, bestehend aus Reporter und Fotograf, von einer Reise zurückkehrt, veröffentlichen wir Fotos und Texte in Magazinen wie dem Stern, Brand Eins, der Neuen Züricher Zeitung. Oder wir machen Radiobeiträge draus. Besonders beglückend für uns Reporter ist die Zusammenarbeit mit Friedenspädagogen der Berghof Foundation: Sie haben mithilfe der Fotos und Texte Lernzirkel entwickelt, die Schülern und Multiplikatoren die Motive und Methoden der Friedensmacher vermittelt: Was treibt einen Pater Bert an? Welche Probleme muss er überwinden? Wie geht er mit seinen Zweifeln und Selbstzweifeln um?
Die Antworten zeichnen meist ein differenzierteres Bild des Lebens in Krisenregionen, als das Stereotyp von den sich bekämpfenden Lager. Die Beispiele der Friedensmacher zeigen, dass die Menschen in Krisenländern nicht „zu blöd“ oder zu „rachsüchtig“ sind, um ihr Schicksal in den Griff zu kriegen, sondern dass die Dynamik von Konflikten extrem komplex und schwer zu durchbrechen ist.
Entwicklungshelfer und NGO-Mitarbeiter, die sich mit dem Thema Krisenprävention befassen, geben uns begeistert Feedback: Endlich macht mal jemand Friedensjournalismus! Nicht immer nur die negativen Meldungen, sondern auch mal Berichte über positive Aspekte vor Ort. Peace Counts greift Themen auf, die ihnen am Herzen liegen und hebt sie in Mainstream-Medien. Wir von Peace Counts gelten diesem Lager schnell als die Guten, die auf die sensationslüsterne Grundhaltung unserer Branche verzichteten. Unserer eigenen Branche dagegen müssen wir beweisen, dass wir keine „PR für Hilfsorganisationen“ machen. Wir suchen natürlich nach Menschen, die an Lösungen für die Krise arbeiten, die also prinzipiell als „gutwillig“ bezeichnet werden können. Aber wir müssen deshalb nicht alles toll finden, was sie tun. Viele Peace Counts-Protagonisten waren früher selbst Kämpfer und kaum welche sind heute hundert prozentige Pazifisten. Sie haben Ecken und Kanten, Fehler und lebenslange Verstrickungen in den Konflikt. Ein Reporter muss genau hinkucken, um all diese Facetten sehen und beschreiben zu können. Den frischen Blick kriegt aber nur hin, wer Vorurteile – ob positive oder negative – zuhause lässt. Das fällt auch Redaktionen schwer und sie misstrauen oft ihren eigenen Reportern vor Ort.
Wir halten es deshalb beispielsweise mit den Gedanken eines ausgemachten Krisenreporters, dem Tiroler Journalisten Ulrich Ladurner, der für DIE ZEIT arbeitet. Für ihn ist gute Krisenberichterstattung, wenn sich der Reporter nicht ausschließlich für Bombenexplosionen, fiese Diktatoren und Flüchtlingsdramen interessiert, sondern vor allem dafür, wie Menschen mit einer Krisensituation umgehen, mit Würde und vielleicht auch mal Witz ihr Schicksal in die eigene Hand nehmen. Dafür muss der Reporter seine Unabhängigkeit auch schon mal gegenüber vorgefassten Meinungen in der eigenen Redaktion behaupten.
Peace Counts setzt die Arbeit des Projekts immer wieder einem Härtetest aus: Wir produzieren gemeinsam mit Journalisten in Krisenregionen Reportagen, über ihre eigenen Friedensmacher, für ihre eigenen Medien. In der Elfenbeinküste, Kolumbien und auf Sri Lanka. Wenn die Menschen dort etwas mit Peace Counts anfangen können, so unsere Hypothese, dann muss das Projekt Sinn und Berechtigung haben. Noch stärker als in Europa sind Medien in Entwicklungs- und Krisenländern von einer obrigkeitsstaatlichen Struktur geprägt: Journalisten sehen sich als Übermittler der Worte von Mächtigen und Reichen. Die Begeisterung der Kollegen bei der gemeinsamen Peace Counts-Produktion ist für uns bisher jedes Mal eine Bestätigung gewesen: Allein die Recherche im Landesinnern, bei Menschen, die nie Pressekonferenzen geben oder bezahlte Lobhudeleien in Auftrag geben, ist für die meisten Journalisten vor Ort eine Erfahrung, die sie im redaktionellen Alltag nicht machen – denn die Bosse ihrer Medien haben an so einer Berichterstattung kein Interesse und der breiten Bevölkerung fehlen die Mittel, durch Konsum entsprechende Medien zu stützen. „Wir wussten gar nicht, dass es so viele Friedensmacher bei uns gibt“, stellen die Journalisten plötzlich überrascht fest. „Wenn sich dauerhaft in unserem Land was ändern soll, dann müssen wir all diesen Mutigen und Klugen unter uns eine Stimme geben.“ In der Elfenbeinküste versucht Peace Counts derzeit diese Berichterstattung über den unabhängigen Sender Peace FM zu institutionalisieren. Auch Peace FM soll den Spot auf Menschen aus der Zivilgesellschaft richten und ihnen in den Medien eine Stimme geben.
Die Ausstellung „Die Friedensmacher“ ist im Rahmen von „Gabriel Grüner-Reportagen für Menschen“ in Mals
07. März bis 30. März 2012 – Oberschulzentrum Mals – Öffentlich zugänglich während des Schulbetriebes
www.peace-counts.org