Dienstag, 15 November 2011 00:00

Die große Implosion

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Bozen/Südtirol/Vinschgau

s7_8547s7_2105s7_7720Die große Implosion, das Einstürzen also der SEL-Spitze, hat auch große Auswirkungen auf den Vinschgau. Just in diesen Tagen stehen die Verhandlungen von Seiten des VEK und der Gemeinden Martell, Latsch und Laas mit der Hydros an, die die Konzession am Marteller Stausee mit dem E-Werk in Laas hat. Die Vinschger wollen, wenn sie schon nicht an der Gesellschaft beteiligt werden, Strom aus dem Werk. Der Rekurs gegen die Konzessionsvergabe wird, wenn man sich nicht außergerichtlich einigt, am 23. November verhandelt. Und der Obervinschgau schickt sich an, das Stromnetz übernehmen zu wollen.

Das wär der Clou: Albrecht Plangger als neuer Präsident der SEL-AG. Die Landesregierung ist auf der Suche nach integren Burschen, die dazu noch etwas von der Strommaterie verstehen, deren Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung keine Kratzer hat und die nicht unter dem Verdacht parteipolitischer Klüngel stehen. Albrecht Plangger hat all diese Qualitäten. Warum also nicht der Abi als SEL-Präsident?
Tatsächlich ist Planggers Name in der vergangenen Woche des Öfteren in Bozen genannt worden. Der Sepp Noggler hat dem LH Plangger ins Ohr gesetzt, unter dem Motto „Den Bock zum Gärtner machen“, der Bezirkspräsident Andreas Tappeiner auch. Richard Theiner ist im Lancieren eingeweiht. Nur der dermaßen gekürte selbst wehrt noch ab. „Lassts mich in Ruhe“, winkt Plangger ab. Er wolle nicht die Fronten wechseln, er wisse, wohin er gehöre.
Trotzdem hat das Lancieren von Plangger einen gewissen Reiz. Die Führung der SEL-AG hat sich dermaßen blamiert und demontiert, dass nur noch das Abdanken in Frage gekommen ist. Die Rücktritte vom SEL-Präsidenten Klaus Stocker und von SEL-Aufsichtsratspräsident Franz Pircher hat die Landesregierung vor gut einer Woch angenommen. SEL-Generaldirektor Maximilian Rainer ist am Freitag vergangener Woche - nach einem beschämenden Schlingerkurs des SEL-Verwaltungsrates - in einen dreimonatigen Wartestand geschickt worden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Verdachtes auf Betrug. Die Tagespresse hat über die sich überschlagenden Ereignisse ausführlich berichtet. Die „Neue Südtiroler Tageszeitung“ und die ff haben unglaubliche Vorfälle aufgedeckt - die SEL-Spitze, so der drückende Verdacht und die Summe davon - habe sich selbst bereichert.

Neben einer personellen Erneuerung an der SEL-Spitze dürfte auch die Überlegung einer Neuausrichtung der SEL nicht falsch sein. Albrecht Plangger - sollte der politische Wille der Landesregierung vorhanden sein - könnte beides vereinen. Sogar im Hinblick auf eine mögliche Übernahmeschlacht der Edison-Anteile. „Ein versierter Präsident und ein kompetenter Jurist würden für diesen Deal reichen“, ließ sich der mächtige Karl Zeller in dieser Angelegenheit letzte Woche zitieren und wischte damit jenes Ansinnen vom Tisch, Stocker und Rainer mit einem Exklusivauftrag den Deal abwickeln zu lassen.

Was bedeutet dieser SEL-Schlamassel, diese Rücktritte für den Vinschgau? Stecken Verhandlungen fest? Unter anderem die Übernahme des Stromnetzes? Was ist mit den Verhandlungen rund um die Konzession am Marteller Stausee?
Die Fragen drängen sich aufgrund der Tatsache auf, dass am 23. November 2011 ein Rekurstermin ansteht. Das Vinschger Elektrizitätskonsortium (VEK) hat gemeinsam mit den Gemeinden Martell, Latsch und Laas gegen die Vergabe der Konzession an die Hydros rekurriert. Nun steht jener Termin vor der Tür, der ein Weiterlaufen des Rekurses bedeuten würde. Und in diesen Tagen beginnen die Verhandlungen heiß zu laufen. Und den Vinschgern scheinen die Verhandlungspartner abhanden zu kommen.
Albrecht Plangger drückt es so aus: „Ich brauche jemand, der mir die außergerichtliche Vereinbarung unterschreibt.“ Andreas Tappeiner, als Laaser BM in den Verhandlungen involviert: „Ansprechpartner für uns ist nach wie vor die politische Ebene und zwar LH Luis Durnwalder und Landesrat Michl Laimer. Auf technischer Ebene bis dato das Duo Rainer/Stocker. Stocker ist noch Hydros-Präsident. Wir sagen, die Techniker haben die administrative Arbeit zu tun, die Vorgaben dafür müssen von der Politik kommen. Für uns ist entscheidend, ob mit der Politk ein Konsens zu finden ist. Wenn nicht, steuern wir auf den Prozess zu.“ Diese Aussage wurde vor einer Woche getan. Mittlerweile hat der SEL-Verwaltungsrat Maximilian Rainer beurlaubt.

Der Marteller BM Georg Altstätter ist mitten im Geschehen - mitten in den Verhandlungen. Altstätter ist Verwaltungsrat in der Hydros. Der Verwaltungsrat hat am Dienstag vor einer Woche unter dem Vorsitz des Präsidenten Klaus Stocker getagt. Am vergangenen Dienstag war eine weitere Verhandlungsrunde. Gegenstand der Verhandlung ist auch die Streitbeilegung rund um die Konzession in Martell. Eine neue Variante ist im Spiel: Den Vinschgern könnte ein Strombezugsrecht aus dem Hydros-Werk in Laas, welches vom Marteller Stausee gespeist wird, im Ausmaß von 30 Millionen Kilowattstunden eingeräumt werden. LH Luis Durnwalder soll
diese Gangart bereits abgenickt haben. „Die Verhandlungen sind im Gange, das ist alles, was ich sagen kann“, sagt Altstätter dem „Wind“. Aussichtsreiche Verhandlungen, fügt Altstätter hinzu. Es geht darum, unter welchen Konditionen die Gemeinden diesen Strom beziehen könnten. Gratis sicher nicht. Verbilligt schon. Zu Produktionskosten? Diese Dinge sind Gegenstand der Verhandlungen innerhalb des Hydros-Vorstandes.

Bisher war den Vinschgern ein Strombezugsrecht im Ausmaß von 30 Millionen Kilowattstunden aus dem Kraftwerk in St. Florian versprochen worden, nun könnte dieses Strombezugsrecht direkt aus dem Kraftwerk in Laas kommen. „Das wäre in unserem Sinne“, sagt Andreas Tappeiner, „das haben wir immer gefordert.“  Der Vorteil wäre, dass vor Ort eingespeist werden könnte, ohne sonstige Durchleitungsgebühren. Von einer Direktbeteiligung an der Konzession ist man also abgegangen (worden).
Tatsächlich wird rund um den Vinschger Rekurs mit harten Bandagen gearbeitet. LH Luis Durnwalder hält den 11 Millionen schweren Demanialzins (die Uferzinsgelder) für sämtliche Gemeinden Südtirols zurück und erpresst quasi damit die Vinschger. Nach dem Motto: Ihr ziehts den Prozess zurück oder die Gemeinden erhalten keine Uferzinsgelder. „Das wäre ein Puff“, sagt Plangger, „so werden alle Gemeinden gegen uns in Position gebracht.“
Die Vinschger Gemeinden sind zwischen Hammer und Amboss. Am Mittwoch vor einer Woche gab es in Bozen eine Art Stromstreittreffen - mitten im SEL-Skandal. Um 12 Uhr mittags saßen sich LH Durnwalder und Plangger und Tappeiner gegenüber. Während Durnwalder mit dem Demanialzins drohte, kamen Plangger und Tappeiner mit einer Bitte: Er, Durnwalder, möge die obervinschger Gemeinden bei der Netzübernahme unterstützen, so die Bitte.
Das ist, neben der Marteller Konzession, das zweite brennende Thema im Vinschgau: die Netzübernahme. Die Bitte an Durnwalder hat einen handfesten Grund: Die Vinschger wollen rechtliche und politsiche Klarheit. Rechtliche deshalb, weil die Interpretation der bestehenden Durchführungsbestimmungen unterschiedlich ist. Die SELnet Vertreter sagen, dass eine Übernahme der Stromleitungen durch die Gemeinden erst möglich ist, wenn der anschließende Netzbetrieb garantiert ist. Diese Garantie sei nur mit einem gemeindeübergreifenden Betrieb zu gewährleisten, welcher bereits vor der Netzübernahme bestehen muss.

Die Vinschger sehen das anders. Die Netzübernahme könne erfolgen, ohne dass bereits im Vorfeld eine wie auch immer geartete Gesellschaft vorhanden ist. „Der Landeshauptmann muss uns in der Stromverteilung in Form einer Genossenschaft helfen“, sagt Albrecht Plangger. Das sei eine der Forderungen gewesen. „Wir wollen in Richtung Genossenschaft gehen, ein gemeindeübergreifender Betrieb nützt uns nichts“, sagt Plagger. Zu
kostenintensiv sei der im Vergleich zu einer Genossenschaft. Der LH habe eine rechtliche Prüfung versprochen. Ob eine Absicherung der Vinschger Wünsche noch mit einem Passus im Finanzgesetz möglich ist, ist derzeit noch ungewiss. Auf eine eventuelle Formulierung, die bei einer eventuellen Anfechtung durch Rom Bestand hätte, hat man sich bereits geeinigt.
Ob diese rechtliche Absicherung
Voraussetzung dafür sei, dass die Gemeinderäte noch heuer den Grundsatzbeschluss für eine Netzübernahme fassen können? Nicht unbedingt, sagt Plangger. Auch mit einem Plan B könne noch gefahren werden. Dann müsse man halt in einer Übergangsphase einen Gemeindenbetrieb erstellen. „Wichtig ist uns die Zusage, dass wir uns genossenschaftlich organisieren können und danach keine Prügel in den Weg bekommen“, sagt Plangger.
Die Gemeinden sollen heuer noch die Beschlüsse fassen, um zum Ausdruck zu bringen, so Plangger, dass „man der eigene Herr im Hause sein will.“ Damit auch endlich jene Unsicherheit beseitigt wird, wer denn eigentlich für das Netz zuständig ist, das Land, die ENEL, die SELnet oder die Gemeinden. Um auch längerfristige Investitionen tätigen zu können.
Allerdings ärgert sich Plangger darüber, dass die SELnet bisher noch nicht ihre Stromverbrauchsdaten herausgerückt hat. „Wir haben unsere Schätzungen gemacht, können aber unsere Daten nicht mit jenen der SELnet vergleichen, um festzustellen, wo der Fehler liegt“, sagt Plangger. Die SELnet behauptet, dass sich die Vinschger um ein Drittel verrechnet haben.
Man habe das Gefühl, dass da ein paar Leute nicht wollen, dass der Vinschgau den Weg in eine Genossenschaft gehen möchte.
Dieser Weg ist tatsächlich ein Südtiroler Sonderfall, denn andere Gemeinden haben sich um die Übernahme des Stromnetzes nicht gekümmert.

Die Hydros GmbH

Der Hydros, an welcher die SEL eine Beteiligung von 60% hält, sind im Jahr 2008 die Konzessionen für sieben ehemalige Edison-Wasserkraftwerke in Südtirol übertragen worden. Dabei handelt es sich um die Kraftwerke Barbian/Waidbruck, Marling, Laas/Martell, Bruneck, Wiesen/Pfitsch, Prembach und Graun.

von Erwin Bernhart

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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