Die drei frisch gebackenen Grenzpolizisten hatten keine Ahnung, dass sie der Dienst in einem deutschsprachigen Gebiet erwartete. Erst als sie in Bozen in die „Litorina“ stiegen, merkten sie, dass nur noch einige wenige Reisende Italienisch sprachen. Und ab Meran wurde um sie herum nur noch Deutsch gesprochen. Erschrocken fragten sie sich, ob sie in Verona möglicherweise den falschen Zug erwischt hatten. „Bis Mols hobmer norr koa Wort mea gredet“, lacht Valerio.
Er wuchs zusammen mit einer Schwester in Gemona del Friuli bei Udine auf, wohl behütet von seinem gestrengen Vater, den er mit „Voi“ (Ihr) anreden musste. In der Schule lernte er neben Italienisch auch Französisch. Valerio spielte leidenschaftlich gerne Fußball. Sein Traum war es, in einem Profiklub zu spielen, denn das Talent dazu hatte er. „Mit 14 Johr hon i norr aa zwoa privini mochn kennt, bei Udines und bei Milan“, erzählt er. Es habe aber nicht gereicht. Umworben wurde er von mehreren Amateurvereinen der Gegend. Die Funktionäre seines Heimatvereins „verkauften“ ihn schließlich für 100.000 Lire an den Nachbarverein Tarcento. Mit dem Geld bauten sie einen neuen Fußballplatz. Valerios Vater hielt nichts von einer Fußballerkarriere und drängte seinen Sohn zu Staatspolizei. Mit 18 Jahren begann Valerio die Ausbildung in Nettuno bei Rom, die er dann in Caserta bei Neapel fortsetzte. Dann stand er vor der Entscheidung: Grenzpolizei oder Straßenpolizei. Er wählte erstere, nicht zuletzt weil der Spezialisierungskurs in Ventimilia an der französichen Grenze stattfand. „I hon mir gfreit, dass i Französich redn konn unt dass i selm aa bleibm konn“, sagt er. Doch es wurde nach Mals geschickt.
Noch während er dort die Koffer auspackte, überlegte er, den Dienst zu beenden. „I honns lossn gwellt“, betont er. Aufgewühlt rief er zu Hause an. Sein Vater bot ihm an, ihn zurückzuholen und ihm eine Stelle in Friaul zu organisieren. Da stieg in Valerio der Trotz auf, und er beendete das Gespräch mit den Worten: „Voglio stare qua`“ (Ich will hier bleiben). Und dabei blieb es.
Fest entschlossen, die deutsche Sprache zu lernen, sich zu integrieren, ging er auf die Einheimischen zu und knüpfte Kontakte. Ein Weg führte über den Fußball, seinem Lieblingssport. 1968 traf er Funktionäre des eben erst gegründeten Sportverein Schluderns, die ihn mit offenen Armen aufnahmen. „Mitn Fuaßboll hon i Teitsch glearnt“, bekräftigt er. Im selben Jahr lernte er auch die attraktive Glurnserin Rosanna Trauner kennen. Sie war ein weiterer Grund, dass sich Valerio im Vinschgau immer heimischer fühlte. 1974 führte er sie zum Traualtar und bezog mit ihr etwas später in neues Haus. Das junge Glück wurde 1977 durch die Tumorerkrankung Rosannas getrübt. Glücklicherweise überwand sie die schwere Zeit. Der Kinderwunsch blieb ihr jedoch versagt. Das Paar adoptierte daraufhin ein Geschwisterpaar und gab ihm ein liebevolles Zuhause.
Dem Fußball blieb Valerio über Jahre hinweg treu. Als Spieler, als Jugendtrainer, als Betreuer wirkte er in Glurns und Umgebung. Auch in der Stadtgemeinschaft brachte er sich aktiv ein. Er war Mitglied im Stadtrat und trat der Freiwilligen Feuerwehr bei. „I hon nia a Problem kopp“, bekräftigt er. „Unt es isch schean, dass sie miar s`Vertrauen gegebm hobm.“ Probleme habe er mit einigen Italienern gehabt. Nachdem er FF-Mitglied geworden war, habe er sich anhören müssen „Sei un venduto“ (bist ein Gekaufter). 1991 beendete Valerio den Polizeidienst und ging in Pension.
In seiner freien Zeit pflegt er die Kollegschaft und spielt gerne Karten. Denn als „Wahl-Vinschger“ hat er das „Schiabm“, das „Biatn“ und das „Watten“ längst auch gelernt. Seit 16 Jahren koordiniert er die Abläufe im „Camping im Park“ an der Etsch in Glurns. Dabei schaut er nie auf die Uhr. „Wenn di Orbat do isch, muaß ma si mochn“, meint er. Hie und da besucht er seinen Heimatort in Friaul und lässt Erinnerungen aufleben. Seine einstige Entscheidung, im Vinschgau zu bleiben, hat er jedoch nie bereut.
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