Dienstag, 13 Juni 2017 12:00

Wohin mit dem Tafelsilber?

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s6 1830Latsch - Das Tafelsilber in Latsch hat seinen ursprünglichen Glanz verloren: Der SGW, der Sonderbetrieb Gemeindewerke Latsch, macht bedrohliche Defizite. Seit Jahren werden Strategien angedacht, wie man aus der Misere herauskommt. Nun kommt neuer Schwung. Wirklich?

von Erwin Bernhart

Latsch wird zum Lackmustest. Zum Lackmustest für das Vinschgauer Energiekonsortium VEK, für den Stromnetzbetrieber Edyna, überhaupt dafür, ob Latsch den eigenständigen Vinschger Stromweg unterstützen will.

Denn heuer noch will der Latscher Gemeinderat entscheiden, was mit dem SGW passieren soll. Der SGW, der Sonderbetrieb Gemeindewerke Latsch, gegründet 1910, war einst so etwas wie das Tafelsilber der Gemeinde, glänzend, die Bürger betreuend und Geld abwerfend. Der Sonderbetrieb gehört zu 100 Prozent der Gemeinde Latsch, hat eine eigene Geschäftsgebarung, mit eigener Verwaltung, Präsident und Direktor. Seit 1978 läuft das E-Werk Ramini und produziert im Schnitt um die 7,5 Millionen Kilowattstunden jährlich. Das Stromnetz wird vom SGW verwaltet, instand gehalten, erneuert und die Latscher erhalten ihren Strom über den SGW. Das Stromnetz, so wird es den Latschern bescheinigt, ist gut in Schuss, Freilandkabel gibt es kaum.
Der Sonderbetrieb hat aber seine guten Zeiten hinter sich. Seit knapp 10 Jahren werden insgesamt rote Zahlen geschrieben: Im Abwasserbereich, im Trinkwasserbereich und vor allem auch im Strombereich. Im Strombereich waren es 257.000 Euro im Jahr 2015 Defizit,  im Jahr 2014 271.000 Euro und für das vorige Jahr 2016 werden ähnliche Zahlen erwartet. Bisher haben diese Defizite den Gemeindehaushalt nicht belastet. Der SGW hat ihn mit eigenen Reserven abdecken können. Auch diese Zeiten dürften vorbei sein. Denn für den laufenden Gemeindehaushalt wurden 100.000 Euro vorsorglich für den SGW rückgestellt.

Der Latscher Gemeinderat sieht Handlungsbedarf. Zu Beginn dieses Jahres hat der Gemeinderat beschlossen, den Sonderbetrieb zu liquidieren, also aufzulösen. Der SGW-Präsident Martin Kaserer, der Ingenieur Wolfgang Oberdörfer und Karin Pirhofer  wurden als Liquidatoren eingesetzt. Sie sollen Wege aufzeigen und untersuchen, wie mit dem SGW verfahren werden soll. Christian Stricker wurde zum Bindeglied zwischen Gemeinderat und den Liquidatoren ernannt.
Bei der letzten Gemeinderatssitzung hat Stricker Alarm geschlagen und ordentlich auf den Tisch gehauen. Es gehe nichts weiter, Gemeindeausschuss und Bürgermeister  kümmerten sich nicht um diese ernste Angelegenheit, man rede aneinander vorbei, die Zeit laufe einem davon. Stricker möchte, dass der Gemeindeausschuss und die Liquidatoren enger zusammenarbeiten, dass die Informationen an alle gleichzeitig fließen. Bisher sei das nicht der Fall. Es ist noch nicht  lange her, da hat Stricker den Gemeindeausschuss zu einer gemeinsamen Sitzung mit dem SGW geladen, es sei aber niemand gekommen. Allerdings, so hat es Mauro Della Barba im Gemeinderat erklärt, seien die Ausschussmitglieder wieder ausgeladen worden. Hubert Variola, der SGW-Direktor, sagt, dass man bei besagter Sitzung noch keine relevanten Informationen geben hätte können.
Das Gesprächsklima ist in Latsch rund um das Thema SGW gestört. An einem Strang scheint man bislang nicht zu ziehen. Zudem geben Informationsmangel Raum zu Spekulationen, zu politischen Spielchen, zu Beschuldigungen.
Gemeinsames Ziel ist es allerdings, das Vermögen des SGW in den Besitz der Gemeinde bringen zu wollen. So wie es in Schlanders gemacht worden ist. Die dortigen Verwalter haben mit gesetzlicher Rückendeckung das gesamte Vermögen des E-Werkes mit einer Fixgebühr von 200 Euro in den Besitz der Gemeinde überführen können. Steuerfrei. Es war ausdrücklicher Wunsch der Regierung Renzi, den Gemeinden solche Schlupflöcher zu bieten, um defizitäre eigene Gesellschaften auflösen und deren Vermögen in Gemeindebesitz führen zu können.
Ob das heute noch gilt, ist die große Frage, die man auch in Latsch bald beantwortet haben möchte.
Dafür bedienen sich die Latscher zweier Wege: BM Helmut Fischer vertraut auf seinen Parteifreund, den Kammerabgeordneten Albrecht Plangger. Plangger habe, sagt Fischer, versprochen, sich in Rom beim zuständigen Unterstaatssekretär zu erkundigen und eine verbindliche Gesetzesauslegung mit nach Latsch zu bringen.
Die Liquidatoren ihrerseits werden eine Anfrage an das Steueramt richten, einen „Interpello“, um bescheinigt zu bekommen, ob die Regelung mit der Fixgebühr noch passt oder nicht.
Eine ganz andere Sache, eine politisch wie wirtschaftlich heikle, ist das Stromnetz. Es sind drei Möglichkeiten, die derzeit in Latsch, bisher hinter verschlossener Tür, zur Debatte stehen.
Das VEK, das Vinschgauer Energiekonsortium, hat den Latschern bereits im Frühjahr ein Offert zukommen lassen. „25.000 Euro Pacht bietet das VEK“, hat BM Helmut Fischer bei der Ratssitzung am vergangenen Donnerstag bekannt gegeben. Dass im Offert auch drin ist, dass das VEK zwei SGW-Mitarbeiter übernehmen würde, hat Fischer nicht gesagt.
Die edyna, also der Netzbetreiber innerhalb der Alperia, hat erst auf Nachfrage Fischers ein Angebot unterbreitet. Man ist dafür eigens nach Bozen gepilgert. Mit rund 257.000 Euro bietet edyna für die Pacht des Latscher Stromnetzes das 10-fache gegenüber dem VEK. Die angetragene Pacht ist eine Daumen mal Pi Rechnung, denn der eigentliche Schätzwert des Latscher Stromnetzes steht noch aus.
Aus den Aussagen von BM Fischer ist bereits eine erste Präferenz herauszulesen: Rein wirtschaftlich komme, angesichts der bisherigen Offerte, nur die edyna in Betracht. „Die wirtschaftlichen Angebote liegen meilenweit auseinander“, sagt Fischer.
Der SGW hat Schulden und jährlich rund 200.000 Euro zurückzuzahlen. Übernimmt die Gemeinde Latsch das Vermögen des SGW, übernimmt sie auch die Schulden bzw. die Rückzahlungsraten. Da würde das Angebot der edyna gut passen - Schuldenrückzahlung mit dem Pachtschilling. Aus wirtschaftlicher Sicht für die Gemeinde Latsch ein durchaus sinnvoller Weg.

„Eine ist die wirtschaftliche und eine andere ist die politische Entscheidung“, hat Christian Stricker bei der Gemeinderatssitzung gesagt und damit auf bevorstehende Diskussionen im Gemeinderat hingewiesen.
Die politische Dimension wird also mitgedacht. Denn verschmäht man den VEK gänzlich, endet der langsam erblühende eigenständige Vinschger Weg in der Stromgeschichte möglicherweise in Schlanders. Schlanders hat bereits Signale in Richtung VEK ausgesandt. Mit dem Hinweis an seine Stromkunden, sich ab 1.1.18 an das VEK zu wenden.  Der obere Vinschgau dürfte auf die Diskussionen in Latsch gespannt sein.
Das VEK seinerseits ist in einer Zwickmühle. Die beteiligten Gemeinden im Obervinschgau haben das Stromnetz damals von SELnet teuer angekauft und gleichzeitig unentgeldlich an das VEK zur Verwaltung, zur Instandhaltung und für Investitionen weitergegeben.
Andererseits hat Latsch ein funktionierendes und eingespieltes Netz-System zu bieten, so wie es im Obervinschgau nicht vorgefunden worden ist. Das VEK, das sagt dessen Präsident Alexander Telser, hat den Latschern angeboten, das Informationsbüro des SGW aufrecht zu erhalten, zwei Mitarbeiter des SGW zu übernehmen, die in Latsch gewohnten Dienstleistungen vor Ort weiterführen und ausbauen zu wollen. Die persönliche Betreuung ist für die Latscher Bevölkerung, für die Vereine, für die Industrie- und Handwerksbetriebe durchaus von Bedeutung. Sonst müssten die Latscher für Informationen und Dienstleistungen beim Strom ungewohntes Neuland betreten und  eine grüne Nummer anrufen.

Vor allem einem dürfte wegen dieser Diskussionen mulmig werden: dem langjährigen und gut dotierten SGW-Direktor Hubert Variola. Variola ist nämlich Verwaltungsrat des VEK und  Verfechter der Vinschger Stromlösung. Variola hat intern angekündigt, mit 1.1.18 in Pension gehen zu wollen. Es dürfte für Variola ein vergiftetes Pensionsgeschenk werden, wenn sich der Gemeinderat dahingehend entscheiden sollte, dass edyna das Latscher Netz übernehmen sollte.
Variola hat noch eine dritte Variante ins Spiel bringen lassen. Man könnte doch das Stromnetz, nachdem das Vermögen des SGW an die Gemeinde übergegangen ist,   selbst weiter betreiben. Also die Bewerber VEK und edyna noch eine zeitlang außen vor lassen. Das Stromnetz ist nämlich keine schlechte Einnahmequelle innerhalb des SGW-Konstruktes. Von den 2,3 Millionen Euro an betrieblichen Erträgen, die der SGW im Jahr 2015 insgesamt erwirtschaftet hat, stammen gut 40 Prozent aus den Erlösen über das Stromnetz. Allerdings sprechen die nackten Zahlen derzeit nicht unbedingt für diese Null-Lösung. Denn in der Stromverteilung allein machte der SWG ein Defizit von gut 230.000 Euro im Jahr 2015.

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