Martin Pinzger: Nein, eigentlich nicht. Die Fusion der beiden Genossenschaften verlief zeitgleich mit dem Vi.P-3-Konzept. Ich nenne dieses Konzept immer die vinschgauweite Verkaufsfusion, mit der die gesamten Kundenpotentiale zu hundert Prozent über unseren Verband Vi.P gebündelt und optimiert wurden. So hat sich ab diesem Moment nur mehr die Kostenfrage bei den einzelnen Genossenschaften gestellt. Vor diesem Hintergrund verlief die Fusion der Mivo und Ortler schmerzfrei und ohne großen Aufstand. Es war von vorneherein klar, dass sich Synergien zwischen den zwei Genossenschaften ergeben. Schon allein die logistische Zusammenlegung war überhaupt kein Problem. Diese Weitsicht hatte man schon damals 1976, als beide Betriebe in der Industriezone nebeneinander gebaut wurden und man eine Zusammenlegung bereits im Hinterkopf hatte. 30 Jahre hat es dann trotzdem gedauert.
Vinschgerwind: Umgekehrt gefragt: Wäre diese Fusion auch ohne Vi.P-3-Konzept zustande gekommen?
Martin Pinzger: Auf jeden Fall hat das Vi.P-3-Konzept viele Dinge erleichtert, weil die Verkaufsseite fusioniert wurde und so konnte keine Genossenschaft links oder rechts behaupten: Ich habe die besseren Kunden. Es ging also rein um die Kostenstruktur.
Vinschgerwind:Die Fusion wäre also trotzdem gekommen, nur etwas später.
Martin Pinzger: Absolut. So hatten wir halt fast einstimmige Voten auf beiden Seiten. Ohne Vi.P-3-Kozept wäre es sicherlich schwieriger gewesen. Ich muss sagen, jetzt nach 10 Jahren sind nur mehr ganz wenige, die ein Ortler- oder Mivo-Denken haben.
Vinschgerwind:Ist die Mivor nach wie vor die mengen- und mitgliederstärkste Genossenschaft im Vinschgau?
Martin Pinzger: Im Vinschgau schon. In Südtirol nicht; die Tendenzen gehen hin zu Fusionen und wenn ich in den Bozner Raum blicke, gibt es Betriebe, die in der Zwischenzeit größer sind. Als ich vor über 2 Jahren gestartet bin, gab es 42 Genossenschaften in Südtirol, heute gibt es noch 18.
Vinschgerwind: Gab es eine Flurbereinigung?
Martin Pinzger: Ich würde es notwendige Effizienzsteigerung nennen. Früher war da ganz viel Kirchturmdenken und wenn wir bei der Kirche bleiben wollen, es wird auch da in Zukunft nicht überall ein Pfarrer sein.
Vinschgerwind: Wieviele Mitglieder hat die Mivor derzeit und welche Ernte gab es 2015 und 2016?
Martin Pinzger: Die Ernte 2015 lag mit 8.100 Waggon im Normalbereich; die Ernte 2016 hingegen fiel durch Frost und Hagel mit nur 7.000 Waggon insgesamt und bei nur 6.000 Waggon Tafelware sehr schwach aus. Wir haben zurzeit 371 Mitglieder. Es ist interessant, dass wir 2007 noch 440 Mitglieder hatten.
Vinschgerwind: Warum der Rückgang?
Martin Pinzger: Es wird einfach vom Obstbauer ganz viel Professionalität verlangt. Das geht von den Auflagen der Arbeitssicherheit bis zur notwendigen Produktzertifizierung. Es gibt viele bürokratische und fachliche Herausforderungen – Beispiel digitales Betriebsheft. Wir fordern von unseren Produzenten sehr viel, weil der Markt von uns als Lieferant sehr viel fordert. Der Kunde fordert maximale Transparenz, maximale Geschwindigkeit, super Qualität, Produktsicherheit. Hobbymäßig Bauer sein, ist heute nicht mehr möglich. Die Apfelwelt hat sich verändert und das wirkt sich auch auf die Mitgliederstruktur aus. Zudem sind die Erlöse auch nicht mehr die, wie noch vor 10 oder 15 Jahren. Deshalb hat es da oder dort die Entscheidung zum Verkauf oder zum Verpachten gegeben.
Vinschgerwind:Gilt die Faustregel noch: Ab drei Hektar kann man leben?
Martin Pinzger: Ja, das gilt glaube ich heute immer noch, aber der Produzent muss als Unternehmer die richtigen Entscheidungen treffen und kostensensibel sein. Noch etwas zur Anlieferungsmenge der Mivor: Bis zum Jahr 2007 hatten wir zwei Betriebe, die mit etwas mehr als 3.000 Waggon zu Buche gestanden haben. Zusammen hatten wir im Fusionsjahr knapp 7.000 Waggon. Allerdings haben wir in den zwei darauffolgenden Jahren 8.000 und 9.000 Waggon angeliefert bekommen. Das hat uns natürlich betriebsorganisatorisch gefordert. Wir haben uns dadurch aber auch weiterentwickelt: die Lagerkapazität ausgebaut ein Hochregallager errichtet, zusätzliche Kisten gekauft und eine neue große Sortiermaschine in Betrieb genommen. Durch das Wachstum in den ersten Jahren und die dadurch notwendigen Investitionen zeigt sich der Synergieeffekt auf Kostenseite in vollem Umfang erst seit ungefähr zwei Jahren.
Vinschgerwind: Ein paar Eckdaten zur Mivor.
Martin Pinzger: Wir haben 152 Mitarbeiter: 61 Mitarbeiter mit unbefristetem Arbeitsverhältnis und die übrigen Mitarbeiter mit saisonaler Anstellung. Zum Sortenspiegel: Wir haben knapp 70 Prozent Golden Delicious, 15 Prozent Red Delicious, 6 – 7 Prozent Gala, 5 Prozent Pinova und den Rest teilen sich verschiedene Sorten.
Vinschgerwind: Und was ist mit den Clubsorten Kanzi, Ambrosia und Envy?
Martin Pinzger: Diese Pflänzchen müssen im wahrsten Sinne des Wortes noch wachsen, zum Beispiel bei Ambrosia werden in den Jahren 2014 bis 2018 vinschgauweit insgesamt 100 Hektar angepflanzt, aber bis sich das prozentmäßig im Sortiment niederschlägt, dauert es einige Jahre. Noch zum Sortenspiegel: Wir sind natürlich mit über 80 Prozent Golden Delicious und Stark zusammengenommen sehr traditionell unterwegs. Das hatte bis gestern seine Berechtigung, wenn wir die Erlöse anschauen. Allerdings müssen wir das in Zukunft auch kritisch hinterfragen, wenn wir mittel- und langfristig zukunftsfähig bleiben wollen, um das Auskommen unserer Mitglieder zu garantieren. Wir sind über unseren Verband der Vi.P und dem Südtiroler Sortenkonsortium sehr aufmerksam weltweit unterwegs, um das Interessanteste an neuen Sorten mitzunehmen.
Vinschgerwind: Erlebt Latsch – ähnlich wie Schlanders einen Bio-Boom?
Martin Pinzger: Nein, wir haben in Latsch derzeit nicht diese Dynamik wie es sie zum Beispiel in der GEOS gibt. Meine Erwartungshaltung geht aber in diese Richtung. In jeder Genossenschaft ist das Mitgliederpotential für Bioanbau da. Nicht jeder Produzent hat die Grundstücke ideal für eine Bioproduktion und nicht jeder Produzent hat nervlich die Voraussetzung. Denn es ist auch eine Nervensache, wenn ich von der Obstproduktion lebe und diesbezüglich neue Risiken eingehen muss. Das ist eine persönliche Herausforderung für jeden Umsteiger. Insgesamt haben wir derzeit rund 400 Waggon Bioware in Latsch, als rund 5 Prozent der Anlieferung.
Vinschgerwind:Das heißt Sie haben das Haus – die Bio-Verpackung - in Latsch, aber nicht die Bauern.
Martin Pinzger (lacht): Ja, das stimmt, wenn man es aus dieser Sicht betrachtet.Aber unser Interesse muss es sein, dass der Bauer selbst entscheidet, wo er am Besten sein Auskommen garantiert sieht. Wir haben 371 Realitäten in der Mivor und ich bin überzeugt, dass nicht alle 371 Produzenten ideale Voraussetzung als Bio-Produzenten hätten. Umgekehrt sind natürlich noch einige dabei, die gute Bio-Produzenten wären und den Schritt noch nicht gewagt haben. Es wäre aber ganz falsch von oben herab - von Genossenschaftsseite her - etwas zu diktieren. Der Unternehmer-Bauer muss das für sich und seine Familie entscheiden.
Vinschgerwind: GEOS-Geschäftsführer Hannes Spögler sagte im Herbst im WIND-Interview: „Wir sind weder mit der Qualität noch mit der Menge zufrieden.“ Teilen Sie diese Meinung über das Erntejahr 2016?
Martin Pinzger: Absolut. Es ist ein schwieriges Jahr. Einmal fehlt uns das Produkt, denn wir haben vinschgauweit 20 Prozent weniger Ernte. Das zweite Element sind die Einbußen in der Qualität. Zum Frost ist in Latsch starker Hagelschlag dazu gekommen. Wir haben sehr rostige Ware und damit – von den Produktvoraussetzungen her – schon einmal ein großes Handicap gegenüber der Konkurrenz. Das größte Problem ist aber, dass die Ernte in Europa und in Italien wiederum sehr hoch ausgefallen ist und als Folge der Markt überversorgt ist. Unsere Aufgabe ist es, die fehlende Anlieferungsmenge mit dem Preis wettzumachen und das ist heuer mit dieser Qualität und unter diesen Voraussetzungen nicht möglich.
Vinschgerwind: Damit wären wir schon bei der nächsten Frage. Wie ist die Vermarktung bislang gelaufen?
Martin Pinzger: Aufgrund der Qualitätseinbußen und der Kostenstruktur wird es nicht möglich sein, die Erlöse von den vergangenen Jahren zu erreichen. Und wenn, dann nur in Teilbereichen wie z.B. bei den Clubsorten oder im Biobereich. Wir haben im Herbst strategisch entschieden, unseren starken Abbau auf Frühjahr und Sommer zu verlegen. Im Oktober und November sind wir dementsprechend weniger aggressiv auf den Markt gegangen und haben versucht den Markt ruhig zu halten.Wir erreichen zumindest unser Ziel, unsere Kunden wie immer speziell zum Saisonfinale optimal zu bedienen.
Vinschgerwind: Das heißt, wenn die erste Kiste Gala ins Lager kommt, wird die letzte Kiste Golden noch nicht verkauft sein.
Martin Pinzger: So wird es sein. Mittlerweile verkaufen wir 13 Monate. Denn wir verkaufen den Golden bis Ende September und starten mit dem Galaverkauf schon Anfang September. Das ist aus Sicht der Kundenbetreuung und –bindung optimal. Kundenservice muss Credo sein, das ist nicht ausformuliert für das Apfelsegment, sondern das gilt für Kirschen, Blumenkohl, Erdbeeren usw. Wenn ich als Lieferant breit aufgestellt bin, dann bin ich für meinen Einkäufer auf der Gegenseite sehr wichtig und umso schwieriger bin ich zu entbehren.
Vinschgerwind: Ist die erste Rate der letztjährigen Ernte bereits ausbezahlt worden?
Martin Pinzger: Da gibt es eine ganz klare Kontinuität. Die erste Akontozahlung erfolgt am 31. März, die zweite am 30. Juni, die Saldozahlung Ende September und wenn noch eine Restzahlung ausständig ist, dann gibt es diese im November/Dezember. Wir stehen kurz vor der Definition der ersten Akontozahlung für die Ernte 2016.
Vinschgerwind:In welche Richtung geht diese?
Martin Pinzger: Die erste Akontozahlung wird plusminus dem Niveau der letztjährigen entsprechen.
Vinschgerwind: Aussagekräftig wird dann die zweite Zahlung sein?
Martin Pinzger: Ja, die Mitglieder wissen dann im Juni üblicherweise in welchem Rahmen die endgültige Auszahlung liegen wird. Aber natürlich informieren wir die Mitglieder bereits vorher. Die Mitgliederinformation ist uns sehr wichtig.
Vinschgerwind: Zeitgleich mit der Fusion Mivo-Ortler stand – wie bereits erwähnt - das Vi.P-3-Konzept in den Startlöchern. Jeder Geschäftsführer hat seitdem sein Aufgabenfeld in der Vi.P. Welches ist das Ihre?
Martin Pinzger: Mein Bereich betrifft die nationalen Supermarktketten in Italien: sehr interessant, nicht leicht, aber motivierend.
Vinschgerwind: Was verlangt der Markt? Welche Veränderungen machen sich bemerkbar?
Martin Pinzger: Der Markt verlangt maximalen Service, Schnelligkeit, Zuverlässigkeit, Transparenz und ganz wichtig: ein gesundes Produkt. Der Konsument will ein nachhaltiges Produkt. Da sind wir Vorreiter. Wir haben seit 25 Jahre integrierten Obstbau. Wir sind in Europa der größte Anbieter von Bioäpfeln und ich bin zuversichtlich, dass wir auch in Sachen mechanischer Unkrautbekämpfung notwendige Maßnahmen setzen werden.
Vinschgerwind: Blick in die Zukunft: Wo steht die Mivor in 10 Jahren?
Martin Pinzger (lacht): Hoffentlich noch in Latsch. Entscheidend ist nicht, wo die Mivor in 10 Jahren stehen wird, sondern wo stehen die Mitglieder der Mivor in 10 Jahren. Die Mivor ist nur Mittel zum Zweck.
Vinschgerwind: Und Sie selbst? Sie haben Sepp Wielander 1996 bereits einmal beerbt?
Martin Pinzger (lacht): Ich bin überzeugt, dass der Wielander Seppl uns noch lange erhalten bleibt, seine Erfahrungen sind sehr wichtig. Ich hoffe, dass wir beide unseren Weg in der Obstwirtschaft weiterhin machen und sehe der Zukunft diesbezüglich ganz gelassen entgegen.
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