Schlanders erzählt... Märchenherbst

Maerchenherbst24

 
 
Dienstag, 07 März 2017 09:26

Allerlei Glocken

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RZ PHO04660Die Zarenglocke in Moskau ist die größte Glocke aller Zeiten. Geläutet aber hat sie nie. Sie ist ein Dokument des maßlosen Ehrgeizes der russischen Zarenfamilie. Die Glocke wurde 1735 auf Befehl der Zarin Anna gegossen und zwar aus Bruchstücken mehrerer Vorgängerglocken.

Kaum fertiggestellt, wurde sie durch eine Feuersbrunst beschädigt und ist bei Löschversuchen mit kaltem Wasser gesprungen. In der dabei entstandenen Öffnung kann die Glocke, die jetzt im Kreml steht, wie durch eine Haustür betreten werden. Die Kupferweltkugel und das goldene Kreuz wurden erst später hinzugefügt. Viele machtpolitische Erwartungen wurden also mit diesem Werk verknüpft; diese Glocke sollte alles in den Schatten stellen, was bisher auf diesem Gebiet geleistet wurde.
In einem anderen Sinn „politische“ Glocke schickt seit Jahren täglich um 17 Uhr ihre Stimme über das Inntal; es ist die Friedensglocke des Alpenraumes. Diese Glocke wurde 1997 zum 25. Jahrestag der Gründung der Arbeitsgemeinschaft Alpenländer (Arge Alp) im Telfser Ortsteil Mösern von vielen Gemeinden Tirols, Südtirols und Bayerns errichtet. Als Zeichen für gute Nachbarschaft und Zusammenarbeit der Länder des Alpenbogens verbindet diese Friedensglocke die Menschen dieser Region und RZ IMG 6631eint symbolisch die verschiedenen Sprachen und Kulturen. Elf Reliefwappen im Bronzeguß zeigen die Wappen der beteiligten Landschaften: Bayern, Baden-Württemberg, Südtirol, Graubünden, Lombardia, Salzburg, St. Gallen, Ticino, Tirol, Trento und Vorarlberg. Die gebündelte Kraft dieser Regionen ist beeindruckend.
Aber was ist aus dem großen Vorhaben geworden? Hat die Arge Alp das gleiche Schicksal wie die Kremlglocke, die niemals geläutet hat? Diese Glocke ist auch Zielpunkt von interreligiösen Wanderungen und bildet den würdigen Rahmen für die jährliche Erneuerungen von Botschaftern des Friedens.
Das klingt alles sehr vielversprechend, fast abenteuerlich. Den meisten Bewohnern unseres Landes ist diese
Botschaft eher unbekannt, ebenfalls der Standort der Friedensglocke. Sie liegt an der Straße von Imst nach Seefeld auf einem landschaftlich beeindruckenden Ort im Friedensdorf Mösern. Der Ort wird wegen der herrlichen Aussicht über das ganze Ober-und Unterinntal das „Schwalbennest Tirols“ genannt.
Eine ähnliche Glockenidee hatten Grödner Sportpioniere mit der Stiftung einer Friedensglocke auf dem Pustertaler Kronplatz. Diese Bergkuppe zwischen Olang, Bruneck und Enneberg ist nicht nur den Wanderern und Schifahrern heilig, sondern den Ladinern ganz allgemein. „Plan de Corones“, wie der Kronplatz auf Ladinisch heißt, ist ein großartiger Aussichtsberg, ein magischer Kultplatz und Sagenort. Auch von hier tönt seit Jahren die Friedensglocke, die „Concordia 2000“, täglich um 12 Uhr und immer „wenn in einem Land die Todesstrafe abgeschafft wird, ein Verurteilter begnadet worden ist oder wenn ein Krieg zu Ende ist.“
Das ist ein schicksalsschwangeres Programm, anvertraut der Stimme einer Glocke. Dazu passt auch das in nächster Nähe RZ FullSizeRendererrichtete neue Reinhold Messner Museum. Der berühmte Bergsteiger wirkt unter anderem auch durch seine religionsphilosophische Aufklärungsarbeit in dem Sinn, dass er Toleranz zwischen den Weltreligionen fordert.
Ähnlich friedenstiftend ist eine andere „Tiroler“ Glocke, die Friedensglocke von Rovereto, die aus der Tragödie des Ersten Weltkrieges zu verstehen ist. Von einer Idee des Don Antonio Rossaro stammend, wurde die Glocke der Gefallenen in Rovereto (Trento) im Jahre 1924 aus der Bronze der Kanonen der Länder, die am Ersten Weltkrieg teilgenommen haben, verschmolzen.“Donet deus populis pacem“, „Gott schenke den Völkern Frieden“ steht in Bronze gegossenen Lettern; jeden Abend, zum Sonnenuntergang, mahnen die Glockenschläge zum allgemeinen Frieden.
Und welche Aufgabe erhält die neue Glocke für die Kathedrale von Bukarest? Was wissen wir überhaupt von der rumänischen Hauptstadt? Wir hören nur von Unruhen und großer Armut ... die Glocke ist sicherlich nicht billig. Was erwarten sich die Rumänen von einer Glocke? Ist es ein religiöser Wunsch, die Abkehr von der lange praktizierten kommunistischen Ideologie hin zu einer religiösen Sinngebung? Die Rumänen, die haben ja kein Geld, bemerkt jemand, dem aber gleich widersprochen wird: Die Kirche, die hat sehr wohl Geld!
Der Glockenmythos ist in der orthodoxen Kirche besonders ausgeprägt und wird von den Gläubigen tief empfunden.
Hans Wielander

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