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Maerchenherbst24

 
 
Dienstag, 07 März 2017 12:00

„Gefährliche Entwicklung“

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s10 8696Vinschgerwind-Interview

Vinschgerwind: Der Tourismus ist eine der wichtigsten wirtschaftlichen Perspektiven in Südtirol und so auch im Vinschgau. Ist der Vinschgau eine Destination?
Harald Pechlaner: Der Vinschgau stellt eine Art Destination dar. Eine Destination ist ein Raum, der vom Gast einigermaßen homogen wahrgenommen wird.

Wir Einheimischen wissen aber um die massiven Unterschiede innerhalb des Vinschgaus, kulturell, wirtschaftlich, landschaftlich. Aber für den Gast ist vieles eine Einheit, weil eine starke produktspezifische Ausrichtung da ist, weil man Themen hat, weil man Werte hat, die man glaubwürdig nach außen kommunizieren kann. Natürlich geht es dann um eine einheitliche Kommunikation nach außen.
Vinschgerwind: Von Vinschgau Marketing wird versucht, den Vinschgau offiziell als Kulturregion in Südtirol darzustellen. Ist das vernünftig?
Pechlaner: Die Zukunft des Tourismus entscheidet sich nicht nur an der Frage, wie sich Hotels und Skigebiete darstellen. In vielen Quellmärkten entwickeln sich Zielgruppen, denen es wichtig ist, einen Lebensraum kennen zu lernen und diesen dann authentisch und glaubwürdig zu erleben. Die Art und Weise, wie Tourismus und Landwirtschaft zusammenspielen ist auch Kultur. Wie man der Natur Lebensraum abtrotzt, etwa das Spannungsfeld von Waalwegen und auch Staumseen, all das hat auch etwas mit Kultur zu tun. Die Art und Weise wie die Menschen ihre Traditionen pflegen oder, wie im Vinschgau, aufbauend auf Traditionen interessante Kunst- und Kulturprodukte entwickeln, das ist auch Kultur. Der Vinschgau ist nicht schreierisch, er ist nicht mächtig in der Marke, auch nicht in der Kommunikation. Aber, wenn man als Gast geduldig ist, dann tut sich da eine Destination, ein Region auf, die ihresgleichen sucht. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Es ist Aufgabe von Vinschgau Marketing, wie sich der Vinschgau als Lebensraum in Südtirol positioniert. Das kann gut gelingen. Meiner Meinung nach ist wichtig, dass man oft etwas mehr über den Tellerrand hinausschaut, eine Art Helikopterblick einmimmt, und von anderen Regionen jenseits der Grenzen etwas mitnimmt.
Wo ich stärkeres Potenzial sehen würde, ist das Thema „Sinnsuche im Urlaub“. Spiritualität, Gesundheit im Sinne von „Der Urlaub öffnet Sinnfenster“. Nicht nur der Besuch von Kirchen und Klöstern ist damit gemeint, sondern der Urlaub könnte Selbstreflexion des eigenen Tuns fördern. Dazu eignet sich nicht jede Destination. Ich glaube, dass sich der Vinschgau dazu sehr gut eignen würde.
Vinschgerwind: Wie müsste ein Hotel aussehen, um diese Form der Sinnsuche zu inspirieren?
Pechlaner: Wir stellen im Hotelbereich eine Resortisierung fest. Entscheidend ist aus meiner Sicht eine regionale Baukultur, die imstande ist, Tradition und Moderne zu verbinden. Vorarlberg ist in diesem Bereich beispielgebend. Der Vinschgau hat auch einige interessante Beispiele in diesem Bereich. Die Baukultur hat Einfluss darauf, wie unser Tourismusangebot in Zukunft ausschauen wird. Spiritualität meint nicht nur Wellness im Sinne von Beauty und Fitness, sondern auch mentale Gesundheit im Sinne von einem Erleben der Landschaft und dazu ist es notwendig, dass die Leute in die Natur hinausgehen.
Vinschgerwind: Eine Resortisierung, also Hotelkomplexe, widersprechen diesem Ziel?
Pechlaner: Betriebswirtschaftlich ist es sinnvoll, größere Einheiten zu bilden, um bei Bettenkapazität und Marketing eine kritische Masse bilden zu können. Es gibt sehr wohl die Gäste, die gerne ein integriertes Erlebnis haben wollen. Es ist aber eine Entwicklung, bei der man aufpassen muss. Denn die Beherbergung in Südtirol hat bisher in einem ausbalancierten Verhältnis zu den Orten und Landschaften gewirtschaftet. Der Ort benötigt funktionierende Betriebe und die Betriebe brauchen funktionierende Orte.
Vinschgerwind: Stichwort Sozialverträglichkeit des Tourismus.
Pechlaner: Genau. Das ist ein wesentliches Element der Sozialverträglichkeit. Wenn ein Resort die Gäste an sich bindet, gehen diese nicht mehr in die Orte. Dann hat der Einzelhandel ein Problem, dann hat die Almwirtschaft ein Problem usw. Von der Regionalentwicklung her gesehen ist das gefährlich.
Vinschgerwind: Was empfehlen Sie?
Pechlaner: Ich würde raten, dass man, und das gilt auch für den Vinschgau, wesentlich stärker zwischen den kleinstrukturierten Betrieben neue Kooperationsformen zu experimentieren.
Vinschgerwind: Seit Jahren wird über eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Tourismus und Landwirtschaft geredet. Warum funktioniert diese Zusammenarbeit nicht?
Pechlaner: Das Verhältnis zwischen Tourismus und Landwirtschaft ist extrem wichtig für Südtirol. Ich sehe da aber eine durchaus angespannte Situation.
Vinschgerwind: Warum denn?
Pechlaner: Die Zusammenarbeit funktioniert im Großen und Ganzen sehr gut. In letzter Zeit sind aber einige Bruchstellen aufgetreten. Bauern haben Bedenken, Radwege durch ihre Güter zuzulassen. Die Tourismustreibenden zeigen wenig Geduld bei der Abnahme von landwirtschaftlichen Produkten oder umgekehrt, Bauern können nicht so leicht Kontinuität beim Angebot bieten. Ohne Zweifel hat die Diskussion in Mals dazu beigetragen, dass eine bestimmte Angespanntheit da ist. Ich sehe, dass im Vinschgau Dinge experimentiert werden, die möglicherweise für Südtirol von Bedeutung sein werden.

Vinschgerwind: Zum Beispiel?
Pechlaner: Zum Beispiel, wie sich regionale Produkte entwickeln, das Bewusstsein überhaupt um regionale Produkte. Dass es neben dem konventionellen Anbau auch einen biologischen oder biodynamischen Anbau gibt. Das ist schon eine interessante Entwicklung, weil gerade regionale Produkte für die Glaubwürdigkeit einer territorialen Marke bedeutend sind.
Vinschgerwind: Zurück zum Vinschgau als Destination. Ist die Entwicklung in
Richtung eines Zusammenschlusses mit dem Meraner Land eine gute Wahl?
Pechlaner: Vinschgau und Meraner Land zusammen sind nicht eine Destination. Die neue Destinationsmanagementeinheit ist wenn schon eine Klammer. Aus meiner Sicht darf man eine solche Reform, die im Wesentlichen organisatorische Aufgaben hat, nicht so hoch aufhängen. Die Welt ändert sich, die Märkte ändern sich und wir diskutieren da um ein paar Organisationen herum, die sich durch die Digitalisierung relativieren. Die DME hat die Aufgabe, in die Produkt- und Angebotsentwicklung einzusteigen.

Interview: Erwin Bernhart

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