Seine Kollegen merken, dass er fehlt. Sie machen kehrt und finden ihn schwer verletzt am Boden liegend. Der Rettungshubschrauber bringt ihn ins Bozner Krankenhaus. Kurz darauf wartet seine Schwester Margit verzweifelt vor dem Operationssaal, während die Ärzte drinnen um sein Leben kämpfen. Margit wird von nun an zu seiner wichtigsten Bezugsperson. Kurz nach Mitternacht sorgt die erlösende Nachricht für ein Aufatmen: Die Operation ist geglückt. Sepps Zustand ist stabil. Als er nach einigen Tagen nicht aufwacht, folgen Untersuchen. Die Diagnose ist niederschmetternd: „Inkompletes Locked-In-Syndrom“, das heißt: „Gefangen im eigenen Körper“. „Das Bewusstsein ist da, aber das Motorische fehlt“, erklärt Margit. „Als uns eine Ärztin erklärte, dass alles so bleiben wird, war das ein Schock. Zermürbt saßen wir da und wurden kaum aufgefangen“, sagt Margit. Nach und nach wacht Sepp auf. Er will sich bewegen, probiert zu sprechen, schafft es nicht. Aus seinen traurigen Augen spricht Verzweiflung. Er weint viel. Nach zwei Monaten kommt er in die Reha nach Meran, wo er trotz vieler Tiefschläge verbissen versucht an sich zu arbeiten. Eine defekte Sonde und eine Bauchfellentzündung werfen ihn zurück. Ein Arzt verhilft ihm zu einer Therapie in Bad Aibling. Dort kämpft er weiter. Gut tut ihm eine spirituelle Begleitung durch einen Heilpraktiker. „Diese Begleitung hat bewirkt, dass Sepp zum ersten Mal wieder gelacht hat, und das war sehr beeindruckend“, erinnert sich Margit. Sepp bekommt einen voll funktionsfähigen elektrischen Rollstuhl, mit dem er sich selbst fortbewegen kann. Die elf Geschwister und die Eltern wechseln sich mit den Besuchen ab, und auch viele Freunde kommen. Denn Sepp ist in Sportkreisen, beim Fußball, beim Eishockey, als Mitarbeiter der Obstgenossenschaft MIVOR sehr geschätzt. Spendenaktionen werden ins Leben gerufen. Ein behindertengerechtes Auto kann angekauft werden, mit dem er gelegentlich von einem Ort zum anderen gebracht werden kann. „Sepp bekommt zwar die Unterstützungen der Sanitätseinheit, doch diese reichen nicht immer aus, um ihm das zu ermöglichen, was er im Moment dringend braucht“, erklärt Margit. Mit Hilfe von Buchstabentafeln und privaten Logopädie-Stunden gelingt die Verständigung. „Ich brauche ihn heute nur anzuschauen und ich weiß, was er möchte“, erklärt Margit. Nach neun Monaten kommt Sepp erneut nach Meran und dann ins Pflegeheim St. Anna in Lana. Nach anfänglichen Therapie-Fortschritten fallen 2014 durch Umstrukturierung und Sparmaßnahmern Therapiestunden aus, und er liegt viel im Bett. Margit findet Sepp nur noch traurig und verzweifelt vor. „Wenn das System bei uns so ist, will ich nicht mehr leben“, artikuliert er Margit mit Hilfe der Buchstaben-Tafel. „Ich möchte nur die Chance haben, weiter zu kommen“. Sepp möchte ernst genommen und respektiert werden. Margit bemüht sich um die Verlegung in ein anderes Heim. Im Jänner 2016 erfolgt der Umzug ins Wohn- und Pflegeheim St. Sisinius in Laas. „Der Umzug hat uns gerettet. In Laas ist Sepp körperlich und geistig in Bewegung“, freut sich Margit. „Dort sehen sie den Menschen und nicht nur den Körper“. Zugute kommt ihm auch das Bewegungsprojekt Kinästhetik, das engagierte Betreuer/Innen an ihm anwenden und das immer wieder Fortschritte in seinen Bewegungsabläufen bewirkt. Oft trainiert Sepp allein an seinem elektrisch betrieben „Fußrad“. Auch das konnte mit Spendengeldern gekauft werden. Sepps erfährt große Solidarität. Die KFS-Frauen in Goldrain, seinem Heimatort, sammeln beim jährlichen „Suppensonntag“ für ihn. Eine treibende Kraft ist Margareth Auer, der es ein großes Anliegen ist, sich bei allen Helfer/Innen zu bedanken, bei der Gemeindeverwaltung, den Sponsoren Maler Stefan Traut, Maler Guido Gamper, Firma Eletec, Harrys Tankstelle, Zimmerei Pohl, Raiffeisenkasse Latsch/Goldrain, Norbert Lochmann, Getränke Schweizer Bäckerei Alber - und bei allen, die eine Suppe essen.
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