Dienstag, 18 Oktober 2016 09:26

Der Vinschger Kastanienverein – Der Kastanie auf der Spur

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s46 IMG 2657Vor 15 Jahren am 9. März 2001 wurde in der Gemeinde Kastelbell der Vinschger Kastanienverein gegründet. Damals zählte er 50 Mitglieder, heute unterstützen im Gebiet von Kortsch bis zur Töll den Verein rund 150 Kastanienbauern. Um mehr von diesem Verein und seinen Tätigkeiten zu erfahren, treffe ich mich mit dem Gründungsmitglied und heutigen Vizepräsident Kofler Paul aus Kastelbell. Als leidenschaftlicher Kastanienbauer hat er tatkräftig dazu beigetragen, dass die Kastanie im Vinschgau wieder eine Renaissance erleben durfte.

von Barbara Wopfner

Im Vinschgau wachsen die Kastanienbäume im Gebiet von Kortsch bis ins Burggrafenamt, wobei sich ein Exemplar unterhalb der Churburg in Schluderns noch heimisch fühlt.

Die Edelkastanie ist typisch für den Mittelvinschgau und prägt das Bild am Sonnenberg. Viele der Bäume stehen auf Boden der Fraktionen, also nicht Privatbesitz, doch der Baum gehört bestimmten Besitzern. Dies sind alte „Stockrechte“, die über Jahrhunderte vererbt wurden und sogar im Grundbuch eingetragen sind. Dies lässt erahnen, welche Wichtigkeit die Kastanie früher für die Bevölkerung hatte.
s46 IMG 2681Nicht zu glauben welch altes Wissen in der Kunst des Kastanienanbaus steckt. Die Geschichte der Kastanie führt viele Jahrhunderte zurück. Noch bevor Getreide und die Kartoffel ihren Siegeszug antraten, brachten die Römer den Kastanienbaum zu uns. Aus dem Mittelalter stammen die ersten schriftlichen Nachweise, wo vom „Chestenboum“ die Rede war. Es gibt alte Gerichtsurteile, aus denen hervorgeht, wie Bauern bestraft wurden, weil sie ohne Absprache einen Kastanienbaum fällten. Die Kastanienhaine waren wertvolle Besitze und wurden dementsprechend von den Bauern gepflegt, bewässert und gesäubert. Das Laub wurde für die Streu der Tiere genutzt, Ziegen und Schafe beweideten die Gärten. Lange Zeit war „die Kastanie der Brotbaum der Armen“, denn sie galt als wichtige Nahrungsquelle, reich an Eiweiß, Vitaminen und Spurenelementen. Bereits Hildegard von Bingen nutzte die Heilwirkung des Baumes und der Frucht.
Doch die Zeit veränderte sich, Kartoffeln und Getreide wurde eingeführt und vermehrt angebaut, Wale angelegt und das Wasser in Rohren abgeleitet. Zudem zog der Obst und Weinbau ins Land, durch den die Kastanie langsam in den Hintergrund gedrängt wurde. Die Edelkastanie verlor an Wertschätzung.  
1906 standen die Kastanienbäume in Amerika kurz vor dem Aussterben, der Kastanienrindenkrebs setzte den Beständen vehement zu und es war nur noch eine Frage der Zeit, wann dieser Befall auch Europa treffen sollte. In den 30Jahren kam er nach Italien und in den 50 Jahren gelangte er nach Südtirol. Ganze Kastanienhaine waren von der Krankheit befallen und viele drohten abzusterben. Bis schließlich das Land mit der Forstbehörde einschritt und drastische Säuberungen vornahm. Wer heute am Sonnenhang den Waalweg entlang spaziert, kann Bäume bestaunen die über 300 Jahre alt sind. Knorrige alte Bäume, mit riesigen verzweigten Kronen, sie könnten so manche Geschichte erzählen. Man mag es kaum glauben, diese Kastanienbäume wurden schon damals veredelt. Wer  heute einen jungen Kastanienbaum setzt und veredelt, der folgt einem jahrhundertealten Wissen.

„Der Kestnbam isch a zacher Hund, bevor er verreckt, treib er numol aus“
(Paul Kofler)

Größter aktueller Feind der Edelkastanie ist die Gallvespe die vor Jahren aus Japan eingeführt  und 2008 in Terlan zum ersten Mal entdeckt wurde. In Windeseile verbreitete sie sich auf das ganze Land und begann wiederum weite Bestände zu dezimieren. Ein sogenannter „Gegenspieler“, ein Nützling, ebenso eine Vespe, wurde als natürlicher Feind der Gallvespe ausfindig gemacht und vor ca. fünf Jahren ausgebracht.

s46 IMG 2658Langsam kommen diese Populationen zum Tragen und haben mancherorts, wie im Eisacktal bereits eine gute Erfolgsquote erbracht. Wer mit wachen Augen die Kastanienbäume beobachtet, sieht kleine Knöpfe an den Blattansätzen und braunes ausgedorrtes Laub. Dies ist der Schaden der Gallvespe, die dem Baum die Kraft raubt. In 1 bis 2 Jahren erhoffen sich die Bauern einen Sieg über den Schädling, einige italienische Regionen zeigen dies bereits.
In der Kastanie schlummern viele Fähigkeiten, ihre Heilkraft hat bereits Hildegard von Bingen fasziniert. Tinkturen, Honig, Tees und die gebratene Frucht wurden für innerliche und äußerliche Anwendungen genutzt.

„Wer an der Leber leidet, zerstoße
oft die Edelkastanien-Fruchtkerne
und lege sie so in Honig ein und esse
sie oft mit dem Honig und die Leber
wird wieder geheilt“
(Hildegard von Bingen)

Die Kastanie kann bei Magen, Milz und Herzproblemen eingesetzt werden, sowie Erkältungen und Husten. Dr. Bach hat die Edelkastanie als Nr.30 in sein Sortiment aufgenommen, als Sweet Chestnut empfiehlt er sie bei schlechtem Gemütszustand. In der Naturkosmetik finden Kastanienmehl, Honig oder Essenzen aus den Blättern ihren Einsatz. In der Küche erlebt sie eine Renaissance, sei es beim traditionellen Törggelen, als Beilage oder in feinen Desserts.

Wander-Tipp
Kastanienerlebnisweg in Völlan

Büchertipp:

· Kastanien im südlichen Tirol
von Siegfried W. de Rachewiltz (Arunda)
· Die Kastanienbäume sterben na und?
(Südtiroler Obstbaumuseum Lana)
· Kochen und Backen mit Kastanien
von Hildegard von Bingen (Pattloch Verlag)

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1 Kommentar

  • Kommentar-Link Harald Schuster Mittwoch, 16 Oktober 2019 17:01 gepostet von Harald Schuster

    Guten Abend,

    mein Name ist Harald Schuster und ich kontaktiere Sie aus dem Obervinschgau. In den letzten 15 Jahren wurde wir von einer privaten Person mi Kastanien versorgt und bin nun auf der Suche nach einer Möglichkeit weiterhin Kastanien von Kortsch oder Schlanders zu beziehen, da diese Person aus altergründen nicht mehr in der Lage diesen Dienst zu leisten. Bitte melden Sie sich wenn Sie einen Bauern oder privaten Händler wissen´, der uns mit Kastanien versorgen kann.

    mit freudlichen Grüssen
    Harald Schuster
    Lebensmittelgeschäft in Tartsch

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