In seiner Kindheit in Sulden war der Schnee sein Element. Mit vier Jahren lernte er das Skifahren und befand sich schon bald auf der Siegerstraße. Nur Gustav und Roland Thöni waren schneller. Als Internat-Schüler in Meran schaffte er es in den Jugendkader und verließ die Schule. Die Erfolge beflügelten ihn und verleiteten ihn zu riskanten Fahrten. Bei einem Sturz erlitt er einen Wirbelbruch und Beinverletzungen. Seine Träume Rennläufer zu werden lösten sich in Luft auf. Er orientierte sich neu und entschied sich für einen Beruf im Gastgewerbe. Er besuchte die Hotelfachschule im Meran. Ein Praktikum führte ihn nach Genua. „Das war die Wende in meinem Leben“, erklärt er. „Der ständige Nebel hat mich schwermütig gemacht.“ Erst unter dem blauen Himmel von Sulden blühte er wieder auf. Er schnallte die Skier an und machte die ersten zaghaften Schwünge nach der Verletzung. Und er merkte, dass es funktionierte. „Zum Rennläufer wird es nicht reichen, aber zum Skilehrer allemal“, sagte er sich. Also steuerte er dieses Ziel an. Er bestand die Skilehrer-Prüfung und später auch die des Ski-Instruktors. Anfangs betreute er junge Vinschger Nachwuchstalente und dann Abfahrer der italienischen Ski-Nationalmannschaft. Seinen Militärdienst leistete er zuerst in Cuneo und dann als Mitglied der Sportgruppe im Aostatal. Das Tor zum internationalen Skizirkus öffnete sich 1986, als Werner den Ausnahmekönner Marc Girardelli traf. Dieser verpflichtete ihn als Betreuer „Marcs Vater Helmut, ein Servicemann und ich haben zehn Jahre lang als Dreiergespann mit Marc gearbeitet“, erklärt er. Es war eine bewegende Zeit. Werner war der Mann für alles. Verlässlich steckte er Läufe, präparierte Skier, transportierte diese oft unter Zeitdruck von einem Ort zum andern, analysierte Videoaufnahmen, nahm an Mannschaftssitzungen teil. Oft war er auch Puffer, wenn sich Marc und sein strenger und aufbrausender Vater in die Haare gerieten. Marc fuhr in vier Disziplinen einen Sieg nach dem anderen ein. Er gewann alles was es zu gewinnen gab. Zum Feiern blieb kaum Zeit. Arbeitsvertrag hatte Werner keinen. „Für Marc und Helmut hat stets der Handschlag gezählt“, betont er. In den Zwischensaisonen arbeitete Werner als Skilehrer. Sogar der Skiclub Neapel verpflichtete ihn für den Nachwuchs am Gran Sasso. „Mit der Pünktlichkeit war es da nicht so genau“, lacht er.
1984 machte ihn Walter Klaus, der Besitzer der Seilbahnen Sulden, zu seinem Privat-Skilehrer und 1998 zu seinem Chauffeur. und Buttler. Werner begleitet ihn nach Augsburg, auf seine Insel bei Venedig. Er arrangiert Feste und Empfänge und zog im Jahr 2000 mit ihm ins Montafon. Klaus stieg in die Bodenseeschifffahrt ein, und aus dem Skilehrer Werner wurde ein See-Mann. Nach dem Tod von Klaus übernahm Werner Netzer die Geschäfte. Heute betreut Werner Reinstadler im Auftrag des neuen Chefs die Buchungen für die fünf Ausflugsschiffe und für die „Sonnenkönigin“, die man für Veranstaltungen mieten kann.
Werners unstetes Leben brachte es mit sich, dass er kaum Zeit für Privates hatte. Die Ehe, die er als 25-Jähriger eingegangen war und der zwei Kinder entsprossen, scheiterte nach sieben Jahren. Immerhin 24 Jahre dauerte die nächste Beziehung. Mit der zweiten Partnerin pflegt er ein freundschaftliches Verhältnis, genauso wie mit seiner jüngsten Tochter Michaela. Diese schenkte ihm kürzlich den Enkel Max, der sein ganzer Stolz ist. Um den Kleinen zu sehen, fährt Werner nun regelmäßig nach Sulden. Er besitzt dort eine Wohnung. Möglicherweise kommt er nach der Pensionierung für immer zurück - vom Bodensee zum Suldner Schnee.
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