In der Tat, Uhrenmacher gibt es nicht wie Sand am Meer, spärlich sind sie gesät, jene, die das Handwerk noch erlernen. In Südtirol gab es schon seit Jahren keine Abgängerin der Fachschule für Präzisions- und Uhrentechnik mehr, jener Fachschule in Karlstein in Niederösterreich, die seit 1873 Uhrmacher ausbildet. Vier Jahre lang erlernte die 23-jährige Schlanderserin dort die Uhrmacherkunst, mit Japanern, Deutschen, Schweizern, Georgiern drückte sie die Schulbank.
An ihre Ausbildungszeit denkt Tanja Gunsch gerne zurück. Mit Stolz erzählt sie etwa von der sogenannten Österreichuhr. Die Österreichuhr - nur soviel zur Erklärung - ist eine ganz besondere Uhr, die von Tanja Gunsch und ihren fünf Klassenkameraden im vierten Lehrjahr gefertigt wurde. Die Platine hat die Form von Österreich und das Uhrwerk, das hatte der Werkstätten-Leiter selbst entworfen. Ein Unikum.
Und dann ist da noch die Sache mit der Schraube. „Wenn in der Werkstätte ein Teilchen vom Tisch hüpfte, musste es gesucht werden“, lacht Tanja Gunsch. Da gab es kein Pardon. Einmal habe sie eine Stunde lang eine kleine Schraube gesucht, solange bis sie diese auf dem Boden wieder gefunden hat. „Das Suchen muss gelernt sein“, erklärt sie, denn ein Uhrenmacher repariere später vor allem auch Uhren, bei denen es keine Ersatzteile mehr gebe, Einzelstücke und Raritäten, bei denen nichts verloren gehen darf, weil sie sonst schlicht wertlos werden. Bei den Pendeluhren, den sogenannten Großuhren ist es vor allem dieses sogenannte Servicieren, das gelernt sein will: das Zerlegen, Reinigen, das Wiederherstellen eventuell abgenützter Uhrenteile auf der Drehbank, das Ölen, Fetten und Wiedereinstellen.
Wenn Tanja Gunsch vom Uhrenhandwerk erzählt, dann leuchten ihre braunen Augen. Das Interesse, sagt sie, war immer schon da. Als Kind sei sie bereits im Geschäft ihres Vaters gestanden und habe fasziniert auf die Uhren geschaut. Heute steht im Juweliergeschäft ihres Vater Karlheinz Gunsch ihre selbst entworfene und zusammengebaute Pendeluhr. Rund 800 Stunden tüftelte Tanja Gunsch an dieser sogenannten Großuhr, die jeder Absolvent während seiner Ausbildung zu fertigen hat. Und Achtung ! aus 112 Teilen besteht das Prachtexemplar.
Seit wenigen Monaten ist die Schlanderserin nun diplomiert und hat im Anschluss über die Wirtschaftskammer sogleich ihren Meister gemacht. Das Ergebnis: Bestanden mit Auszeichnung. Bei der Prüfung, erzählt sie, sei sie ganz schön ins Schwitzen gekommen. Einen Chronograf zerlegen, reinigen und wieder zusammenbauen lautete eine von drei Aufgaben. Bei der Stoppuhrfunktion hat’s dann gefuchst. Die Zeiger müssen nämlich so einreguliert werden, dass sie immer wieder genau auf die 12 zeigen, wenn die Stoppuhrfunktion betätigt wird. Das muss händisch eingestellt werden, nach mehrmaligen Versuchen hat’s dann schließlich geklappt.
Konzentration war gefragt, Geduld, eine ruhige Hand, Fingerspitzengefühl, Genauigkeit, allesamt Fähigkeiten, die von einem Uhrmacher verlangt werden. Schließlich arbeitet man mit filigranen Teilen, die Millimeterarbeit einfordern. Es wird an Rädchen und Brücken, an Wellen, Zapfen und Trieben hantiert, es wird gefräst, gedreht, montiert und verziert, geschraubt, geprüft, geölt, es werden Oberflächen poliert und geschliffen und was sonst noch alles dazukommt. Alles feinste Handarbeit, ausgeführt mit Uhrenmacherlupe und Pinzette.
Eigentlich, sagt Tanja Gunsch, sagte man Uhrenmacher ja früher, heute lautet die richtige Bezeichnung für ihren Beruf Uhrentechniker, ganz einfach weil sehr viel Technik hinter einer Uhr steckt. Gerade die Schweizer sind – was Technik betrifft – eine Klasse für sich. Deshalb hat sie sich als Ziel gesetzt einmal in der Schweiz zu arbeiten.
Derzeit arbeitet die junge Schlanderser Uhrenmacherin in Dresden, sammelt Erfahrungen bei „Glashütte Original“, einer der traditionsreichsten Firmen, die zur Swatch Group - dem weltweit größten Uhrenhersteller - gehört. Seit 1845 steht „Glashütte Original“ für feinste Uhrmacherkunst. Dort montiert Tanja Gunsch Uhren, baut Laufwerke. Es ist Präzisionsarbeit, „für den Berufseinstieg eigentlich ideal“, sagt die 23-Jährige. Und Ihre Traumuhr? Das ist genau eine „Glashütte Original“. „Der Preis für eine solche Uhr fängt bei 5.000 Euro an und hört bei 325.000 Euro auf“, lacht Tanja Gunsch. Und dann wär da noch eine Uhr von „Lange & Söhne“. Die teuerste Uhr aus diesem Hause, das nur ganz nebenbei bemerkt, kostet so um die 2 Millionen Euro, ohne Diamanten. Uhren von „Lange & Söhne“, schwärmt Tanja Gunsch, sind klassisch und sportlich zugleich und die Funktionen seien schlicht beeindruckend, für einen Uhrenmacher oder eine Uhrenmacherin natürlich ganz besonders. Eine Uhr, sagt die junge Uhrenmacherin, ist nämlich kein Fließbandprodukt, es braucht einen Menschen, der sie anfertigt. Keine Maschine wird je eine Uhr zusammensetzen, einstellen und regulieren können, schmunzelt sie zufrieden. Ganz aussterben wird er deshalb nie, der Beruf des Uhrenmachers.