Raimund Prugger: Ja. Unser Hof hat eine normale Größe, wie sie im Vinschgau ist, zwischen fünf und sieben Hektar. Ich habe schon vor Jahren gesehen, dass es mit der Viehwirtschaft kein Auskommen gibt, um eine Familie anständig zu ernähren, den Kindern eine Ausbildung gewähren zu können und so weiter. Ich habe 1967 mit Gemüse begonnen und das Vieh langsam abgebaut. 1976 habe ich die ersten Apfelbäume gepflanzt und habe gesehen, dass das funktioniert. Nach und nach habe ich den Viehbestand zurückgefahren und mit Gemüse und Obst weitergewirtschaftet. Jetzt haben wir hauptsächlich Äpfel, zusätzlich noch eine Mutterkuh, die uns jedes Jahr ein Kalb bringt, dass wir Fleisch haben und Schweine für Würste und Speck. Eine Ackerfläche haben wir frei gelassen, für unser Gemüse, unsere Kartoffel, unseren Lauch... Auch einige Marillen- und Kirschbäume dienen dem Eigenbedarf. Wir sind so quasi Selbstversorger. Was übrig bleibt, verkaufen wir.
Heuer ist eine große Erntemenge in ganz Europa zu erwarten. Was bedeutet das für die Vinschger Apfelernte?
Die Vinschger Äpfel werden auf dem Weltmarkt verkauft. Wir müssen uns dem Angebot und der Konkurrenz stellen. Aber ich denke, die Vinschger haben in Vergangenheit gezeigt, dass sie Qualität produzieren. Auch die Vermarktungsstrukturen funktionieren alle zentral zusammengefasst über die VIP. Ich denke, dass wir auf dem Markt gute Chancen haben. Und ich bin überzeugt, dass wir da auch bestehen können.
Und der Russlandmarkt?
Dieser ist für uns Vinschger nicht so ausschlaggebend. Wir haben einiges an Russ-land exportiert. Mehr Sorge bereitet uns, dass Polen und andere Ostländer, die sehr viel Obst produzieren, nicht mehr nach
Russland liefern können. Diese werden mit den Äpfeln nach Westeuropa drängen. Und da könnte es natürlich eng werden.
Der Hauptabsatzmarkt für Vinschger Äpfel?
Die Vinschger Äpfel fahren quer durch Europa, in die Nordstaaten, auch die Golfstaaten sind zunehmend interessant und es laufen Versuche, nach Amerika zu exportieren. Der Hauptmarkt ist Italien.
Unter Ihrer Ära als OVEG –Obmann hat sich der Obstbau über Eyrs, Spondinig bis nach Prad und Schluderns ausgedehnt.
Das ist richtig, wir haben damals in der OVEG versucht, die Struktur zu schaffen, um den Bauen in den genannten Orten die Möglichkeit zu geben, Obst anzubauen. Denn mittlerweile sind sehr viele Bauern draufgekommen, dass es mit der Viehwirtschaft allein nicht mehr funktioniert, um wirtschaftlich zu überleben, dass es zusätzliche Standbeine braucht. Sie sind dann vermehrt auf Gemüse- und auf Obstbau umgestiegen.
Wir sehen in Zukunft Apfelbäume bis Burgeis. Was sehen Sie?
Bis Burgeis sehe ich sie nicht ganz. Aber der Raum Mals ist natürlich interessant für den Obstbau. Dieser wird sich dort auch ausdehnen, weil die Höhenlage passt. Momentan ist eher eine Stagnation zu spüren, weil die ganze Diskussion, wie sie momentan in Mals stattfindet, eher ein Hemmnis ist. Ich höre jetzt oft, und bekomme Anrufe von jungen Bauern aus Mals, die mich fragen, was sie tun sollen? Sie überlegen, ob sie es mit Obstbau probieren sollen. Aber sie fragen sich, wie es weitergeht? Momentan ist die Verunsicherung groß, und man muss schauen, welchen Weg man nach dem Referendum einschlagen kann.
Was hat die Malser Abstimmung in Obstbaukreisen bewirkt?
Momentan hat ein Nachdenken eingesetzt. Die Situation sehe ich nicht so negativ. Es hat landesweit ein Nachdenkprozess bei uns Obstbauern begonnen. Man ist sich bewusst geworden, dass man bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln und Herbiziden vorsichtiger sein muss. Man weiß, dass man Abstände rigoroser einhalten muss. Für Mals selbst ist es momentan - ich will nicht sagen Resignation - eher eine Stagnation. Momentan geht es dort einfach nicht richtig weiter, weil, wie gesagt, vor allem jüngere Bauern verunsichert sind. Ich denke jedoch, dass sich in naher Zukunft schon ein Weg finden wird. Die Welt bleibt ja nach der Abstimmung in Mals nicht stehen.
Sie haben in der Pestizid-Diskussion versucht ausgleichend zu wirken. Miteinander reden ist gut und recht. Was ist mit den Taten?
Was die Taten anbelangt, kann auf den nationalen Aktionsplan verwiesen werden, der rigorose Abstandsregelungen beinhaltet. Und im Juli hat auch die Landesregierung in Südtirol nachgezogen und noch schärfere Maßnahmen eingeleitet. Das Land hat auch den Gemeinden die Möglichkeit gegeben, innerhalb von ihrem Gemeindegebiet größere Abstände oder andere Maßnahmen zu treffen, um die Pflanzenschutzproblematik wie die Abdrift in den Griff zu bekommen.
Bioregion Obervinschgau eine Option?
Ich sehe Bio positiv. Und die Bioregion Obervinschgau ist auch im Bauernbund ein Thema. Bereits im vergangenen Herbst war eine Tagung in Prad, wo das Ganze beleuchtet worden ist. Natürlich kann sich eine Bioregion nicht nur auf die Landwirtschaft beziehen. Bei der Bioregion müssen wir auch die Konsumenten und die Gastronomie usw. mitnehmen. Und Bio muss wachsen. Bio ist vor allem eine Kopfsache. Sie muss im Kopf reifen, speziell in der Landwirtschaft, dann kann man auf eine Bioproduktion umzusteigen. Wenn man Bio nur wegen des Geldes macht, dann, so sage ich, ist es zum Scheitern verurteilt.
Die Milchquoten fallen 2015. Was bedeutet das für die Viehlandwirtschaft?
In der Viehlandwirtschaft wird das derzeit sehr stark diskutiert. Man bekommt von Fachleuten noch keine konkreten Antworten. Eines ist klar: In der Viehwirtschaft können wir mit der Mengenproduktion nicht mithalten. Da haben wir keine Chance. Die Viehhaltungsbetriebe am Berg mit sieben bis zehn Hektar Grund und mit 20 bis 25 Stück Vieh benötigen einfach zu viel Arbeitskraft. Und es wird nicht möglich sein, mit so einem Betrieb rein aus der Produktion heraus eine lebensfähige Landwirtschaft zu haben, damit eine Familie leben kann. Es wird Zusatzförderungen brauchen. Und da ist natürlich die Frage, wie werden wir das handhaben. Ein Weg könnte über die Produktveredelung und Vermarktung regionaler Produkte führen.
Die landwirtschaftlichen Förderungen sollen laut LR Arnold Schuler zugunsten der Bergbauern verschoben werden. Was haben diese zu erwarten?
Die Bergbauern haben viel Arbeit zu erwarten. Die Förderungen sind wie sie sind.Und der Landeshaushalt wird kleiner. Die Umschichtung vom Obst hin zu den Bergbauern gibt es schon. Wenn jemand im Obstbau die Größe von 4 Hektar überschreitet, gibt es nichts mehr. Was möglich ist, werden wir für die Bergbauern ausschütten müssen. Auch das Wort Zu- und Nebenerwerb kommt ins Spiel. Jedoch bei 20 Stück Vieh wird das schwierig. Als wir noch Vieh gehabt haben, habe ich im Winter bei HOPPE gearbeitet. Das war fast nicht machbar. Da bist du dauernd unter Stress. Zweimal arbeiten, um einmal zu leben, das geht auf die Dauer nicht.
Biomilch Obervinschgau – eine zukunftsweisende Alternative?
Ja, die Bergmilch Südtirol hätte jetzt einen Partner mit Alce Nero. Der würde Biojoghurt von der Bergmilch vertreiben. Das würde ich positiv sehen. Natürlich müssten die Bauern die Voraussetzungen schaffen, dass sie Bio produzieren können und sich das schnell überlegen, denn die Umstellungszeit beträgt sechs Monate. Jeder muss selber prüfen, ob er die Möglichkeiten hat und ob es sich für ihn rechnet. Ich gebe jedem den Rat, selbst den Bleistift in die Hand zu nehmen.
In Zukunft werden verstärkt Wünsche der Bevölkerung an die Bauern herangetragen, z.B. im Zusammenhang mit der Radweg-Nutzung. Wie gehen die bäuerlichen Kreise damit um?
In der Vergangenheit ist man recht tolerant damit umgegangen. Man hat die Feldwege zur Verfügung gestellt. Aber in Zukunft, mit der ganzen Pestizid-Diskussion wird man schauen müssen, wie man damit umgeht. Der Vinschger Radweg führt mitten durch die Obstkulturen. Es wird vielleicht so sein, dass man beim Ausbringen des Pflanzenschutzes bestimmte Zeiten einhält. Das ist momentan in Diskussion. Ich kann noch keine schlüssige Antwort geben. Man ist natürlich von Seiten der Landwirtschaft bestrebt, keine größeren Einschränkungen zu machen. Wir haben ja das Schlagwort Landwirtschaft und Tourismus, und die Radfahrer sind ein wichtiger Betriebszweig. Wir sind bestrebt, einen Konsens zu finden.
Sind die Steuerprivilegien angesichts der satten Hektar-Erträge der Obstbauern noch gerechtfertigt?
Das ist eine Diskussion, die momentan sehr kontrovers geführt wird. Ich sag so: Momentan ist die Steuergesetzgebung so wie sie ist. Die haben nicht wir Bauern gemacht. Die ist irgendwann gemacht worden. Man kann da ruhig diskutieren, ob die so gerechtfertigt ist. Aber da ist der Staat, das Land, die Region gefragt. Die sollen sich überlegen, wie man das gerechter machen soll. Ich zitiere nur den Landesrat Schuler, der gesagt hat. Wenn für die Landwirtschaft die gleichen Bestimmungen gelten, wie für andere Betriebszweige auch, kann man darüber reden. Ich speziell habe keinen Vorschlag. Aber wenn die Diskussion weiter geht, wird sich der Bauernbund dieser Diskussion nicht verschließen. Noch einmal, die Gesetze haben nicht wir gemacht, wir leben halt damit. Denn ich meine, wer zahlt schon gerne Steuern.
Als Vinschger Bezirksobmann der SBB – wie sehen Sie sich – als Lobby-Vertreter oder als Visionär?
Das Wort Lobby ist für mich negativ besetzt. Als solcher sehe ich mich nicht. Ich sehe mich als Bauernvertreter. Was ich mit meiner bescheidenen Kraft tun kann, werde ich tun. Ich möchte mich einsetzen, dass es den Berg- und den Talbauern in Zukunft nicht schlechter geht als momentan. Visionen entwickeln… ja ich persönlich habe schon eine Vision … dass wir uns so weiterentwickeln, dass wir speziell auch mit dem Pflanzenschutz vorsichtiger werden, dass wir mehr gemeinsam weiterarbeiten und auch schauen, mit den anderen Wirtschaftzweigen auszukommen. Es ist ja so, dass der Vinschgau nicht nur Bauern hat. Er hat auch sonst Wirtschaft. Er hat Gastronomie. Er hat Arbeitnehmer. Wir müssen schauen, gemeinsam einen Weg zu finden. Dann werden wir auch in Zukunft bestehen können.
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