Dienstag, 30 September 2014 00:00

Tracht des Jahres 2014

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s22sp23 TIPPArbeitsgemeinschaft „Lebendige Tracht“ - Vorbildliches Schnalstal: Wiederbelebung der „kurzbäurischen“ Tracht in Katharinaberg

Während die Tracht in vielen Tiroler Gemeinden ausschließlich von Vereinen getragen wird, ist in Schnals noch eine gewisse Lebendigkeit in der bäuerlichen Festtagstracht vorhanden. Das heißt, sie wird auch von Privatpersonen zu kirchlichen und weltlichen Festtagen angezogen und teilweise in den Familien weitervererbt.

Die Musikkapelle Katharinaberg, welche seit ihrer Gründung das ortstypische und gewachsene „Langbäurische“ trägt, hat den kulturellen Wert ihrer Ortstracht erkannt und hat nun auch die „kurzbäurische“ Form ihrer Tracht wiederbelebt.
Nachdem vor wenigen Jahren die Musikkapelle im Schnalser Hauptort Unser Frau mit gutem Beispiel vorangegangen ist, hat sich die kleine, aber tatkräftige Musikkapelle Katharinaberg herangemacht, mit großem persönlichen Einsatz und finanziellem Aufwand, die sogenannten „Kurzen“ wiederzubeleben. Besonders Franziska Gurschler und Petra Kneissl zeichnen sich für das Gelingen dieses Projekts verantwortlich und haben eine äußerst wertvolle Dokumentation über die Tracht in Katharinaberg zusammengetragen.  Zahlreiche Belege und Originalstücke und nicht zuletzt die Fotografien aus den 1950-er und 60-er Jahren, als die „Kurzen“ in Katharinaberg noch bei kirchlichen Ehrendiensten getragen wurden, konnten deshalb als verlässliche Vorlagen verwendet werden. Trotz der vielen Gemeinsamkeiten unterscheidet sich die Tracht der Katharinaberger in einzelnen Elementen von jener in Unser Frau. Nicht weil sie anders aussehen und sich dadurch abheben wollen, wie es leider all zu oft zwischen den Vereinen in unseren Gemeinden der Fall ist, sondern deshalb, weil die Schnalser Tracht eine vielfältige und gut dokumentierte Entwicklung hinter sich hat.
s22sp23 joppe 1s22sp23 detail rotDas Schnalstal nimmt nämlich als Trachtenlandschaft eine ganz besondere Rolle ein, denn drei große Trachtengebiete - der untere Vinschgau, das Burggrafenamt und das Ötztal - treffen hier aufeinander. Besonders erkennbar wird dies an der Männertracht, die neben charakteristischen und eigenständigen Elementen, wie der kurzen Schnalser Lederhose, auch Elemente dieser benachbarten Gebiete erkennen lässt.
In den Fachkreisen der Volkskunde und des Trachtenwesens werden historische Trachtengebiete meist gemäß den Grenzen und Verwaltungseinheiten der ehemaligen Landgerichte und Pfarreien eingeteilt und bestenfalls belegt. Doch gerade wo sich Stadt und Land begegnen und dort, wo solch starke Trachtengebiete aufeinandertreffen, wie es im Schnalstal der Fall ist, waren die Übergänge oft fließend. Denn es spielen sehr viele Faktoren mit, warum einzelne Trachtenelemente aus einem benachbarten Gebiet übernommen werden, verändert oder auch wieder ausgetauscht werden. Neben  durchaus praktischen Gründen waren es vor allem der Zeitgeschmack und das Gefallen an der jeweiligen Fasson und Mode. Während in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Männertrachten im Ötztal und etwas später auch im unteren Vinschgau abgelegt wurden und verschwanden, konnte sich das Schnalstal seine Tracht erhalten. Nicht zuletzt deshalb, weil sich die Schnalser an die Mode, bzw. an das „stärkere“ Trachtengebiet des Burggrafenamtes angepasst haben. Denn in dieser Zeit flossen jene Elemente aus dem Burggrafenamt in die Schnalser Männertracht mit ein, welche wir bis heute festmachen können: Die breiten, roten Aufschläge am Lodenhemat und der kleine Gupfhut.
Katharinaberg am Eingang des Schnalstals - und somit in direkter Nachbarschaft zur Burggräfler Tracht rund um Naturns - hat diese Anpassung früher vollzogen, weshalb in Katharinaberg bereits für die kurzen Lederhosen diese Kombination dokumentiert ist, während sich  in Unser Frau die Burggräfler Elemente erst beim „Langbäurischen“ endgültig durchsetzen konnten.
Die „Juppe“, wie sie in Katharinaberg genannt und getragen wird, ist also eine eigenständige und historisch gewachsene Mischform. Sie ist in Form und Schnitt ein Vinschger „Hemat“ mit Burggräfler Aufschlägen und bunten Stickereien am Ärmel, wie sie in ähnlicher Form im Ötztal zu finden sind. Diese einfachen, aber aufwendig gearbeiteten Stickereien finden sich auch am Halsausschnitt des Leibls und - in etwas einfacherer Form - auch bei der Lederhose wieder. Bei der Neueinkleidung der Musikanten war es den Verantwortlichen wichtig, diese wertvollen und typischen Stickereien beizubehalten. Da diese ausschließlich in Handarbeit gemacht werden können und als Auftragsarbeit nahezu unbezahlbar wären, haben Musikantinnen, so wie zahlreiche Frauen und Mütter der Musikanten, die aufwändigen Stickereien selbst ausgeführt und die unzähligen Knopflöcher genäht. Auch die Srümpfe wurden in Heimarbeit und in überlieferten Mustern gestrickt. Den Katharinabergern ist somit etwas Großartiges gelungen, denn sie haben die zahlreichen historischen Muster und Farbkombinationen ihrer Stickereien gesammelt und das handwerkliche Wissen und die entsprechenden Fähigkeiten gesichert. Mit der Wiederbelebung des „Kurzbäurischen“ durch die Musikkapelle Katharinaberg ist die Trachtenlandschaft Schnalstal nun runder und vervollständigt worden. Die „lang- und kurzbäurische“ Tracht der Männer gibt, gemeinsam mit der „bäurischen“ Tüchltracht und der erneuerten Burggräfler- und Schnalser Miedertracht der Frauen, ein umfassendes und lebendiges Zeugnis über die örtliche Trachtenentwicklung ab. In ihrer einzigartigen Machart und Ausdruckskraft sind die verschiedenen Formen der Schnalser Tracht ein weiterer Ausdruck dafür, dass die Jöcher und Täler unserer Heimat weniger Grenzen, sondern viel mehr Übergänge sind.
Andreas Leiter Reber

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