Dienstag, 07 Januar 2014 00:00

„Es bleibt der Nettolohn eines Tellerspülers“

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s6 0526Interview: Erwin Bernhart
Foto: Angelika Ploner

Vinschgerwind: Herr Pinzger, die HGV-Präsidentschaft scheint Ihnen besser zu liegen als das Amt eines Senators.
Manfred Pinzger: Was heißt besser. Die HGV-Geschichte ist eine mit meiner beruflichen Tätigkeit eng verbundene Angelegenheit und ist natürlich direkter und greifbarer. Senator war ein politisches Mandat, das natürlich auch interessant und sehr lehrreich war. Auf alle Fälle fühle ich mich jetzt sehr wohl.

Abgesehen von Ihrer Herkunft als Hotelier, hat das auch etwas damit zu tun, dass die HGV-Präsidentschaft mit mehr als 100.000 Euro im Jahr dotiert ist?


Ich bekomme eine Amtsentschädigung, aber bei weitem nicht 100.000 Euro. Von dieser Summe sind wir weit entfernt. Wenn ich die Steuern und das Kilometergeld abziehe, dann bleibt der Nettolohn eines Tellerspülers übrig.

Sie ziehen sich aus dem lokalen Parteigeschehen, aus der Bezirks-SVP zurück. Hat die Partei für Sie ausgedient?
Nein, das kann man so nicht sagen. Ich bleibe weiterhin Funktionär und Mitglied der Südtiroler Volkspartei. Nur, war ich jetzt seit Jahrzehnten in Führungspositionen und ich glaube es ist an der Zeit, auch die Bezirksführung in neue, jüngere Hände zu legen. Das ist eine ganz normale Geschichte: Ich ziehe mich nicht zurück, ich trete nur nicht mehr an und lasse diese Periode auslaufen. Ich bin mehr als ausgelas-tet mit der HGV-Präsidentschaft und ich habe immer in meinem Leben, wenn ich Neues begonnen habe, Altes abgelegt.

Also ist in Zukunft Manfred Pinzger einfaches SVP-Mitglied.
Nein, derzeit bin ich Koordinierungsobmann in Schlanders und das macht mir Freude, aber ansonsten strebe ich auf Bezirks- und Landesebene parteipolitisch nichts an.

Bleiben wir bei Ihrer HGV-Präsidentschaft. Seit Ihrem Amtsantritt hat einiges nicht geklappt. Ein Beispiel: Ihr HGV-Kandidat Hansi Pichler hat den Einzug in den Landtag nicht geschafft.
Der Kandidat Hansi Pichler war nicht nur HGV-Kandidat, sondern auch Bezirkskandidat im Burggrafenamt. Und in erster Linie ist im Burggrafenamt alles daneben gegangen. Bei uns im HGV haben wir vor den Wahlen Hochrechnungen gemacht und vorausschauende Ergebnisse versucht zu analysieren und es war klar, dass er nicht mehr als 3.000 Stimmen landesweit generieren kann. Hansi Pichler hat dann landesweit, ohne den Bezirk Burggrafenamt, 3.500 Stimmen generieren können. Im Burggrafenamt haben alle Kandidaten – mit Ausnahme des Arnold Schuler – zu wenig Stimmen bekommen. Deshalb liegt der Fehler nicht beim HGV, sondern im Bezirk Burggrafenamt, wo nur die Hälfte der Stimmen erzielt wurde, die eigentlich „veranschlagt“ war.

Eine andere Geschichte im Zusammenhang mit den Landtagswahlen: Ihr persönlicher Freund Thomas Widmann ist nicht mehr Wirtschaftslandesrat. Die Wirtschaft ist im Superressort des neuen Landeshauptmanns Arno Kompatscher angesiedelt. Muss das Eis zwischen Ihnen und dem neuen Landeshauptmann erst tauen?
Nein, sicher nicht. Ich glaube ein gutes Verhältnis mit dem neuen Landeshauptmann zu haben und bin mehr als erfreut, dass er die Wirtschaftsagenden übernimmt, denn wenn ein Sektor zur Chefsache wird, dann ist der Sektor entsprechend aufgewertet. Das steht außer Frage. Ich bin immer konsequent in meinem Handeln. Thomas Widmann war unser Landesrat und ist auf Wunsch vieler Kolleginnen und Kollegen von uns als HGV, sowie von der Tourismuswirtschaft wieder unterstützt worden, und somit wäre es nicht konsequent zu sagen: Wir unterstützen Thomas Widmann für die Landtagswahlen und dann nicht mehr für die Landesregierung. Ich schicke niemanden irgendwo hin und lass ihn dann auf halbem Wege hängen. Wenn dann aber die politische Konstellation so ist, dass er in der Regierung nicht mehr dabei ist, ist das nicht meine Entscheidung.

Kommen wir in den Vinschgau. Der Golfplatz im Vinschgau, den Sie – zumindest mit Worten – herbeiwünschten, scheint zum Scheitern verurteilt.
Ich habe vor etwa 20 Jahren im Auftrag des damaligen Tourismusverbandes Besprechungen geführt in Bezug auf die Errichtung eines Golfplatzes auf der Prader Sand. Dann hat man verstanden, dass die damalige Gemeindeverwaltung andere Prioritäten setzt. Was das neue Projekt in Glurns betrifft, war ich nicht involviert und habe dieses nur am Rande verfolgt. Ich wäre auf alle Fälle voll dahinter gestanden und hätte auch privat alles dafür getan, dass das realisiert würde. Im Laufe der Verhandlung hat man mich hie und da informiert, aber wie gesagt ich habe da nicht direkt mitgewirkt. Meines Wissens ist das Vorhaben einstweilen gescheitert aufgrund nicht ausreichender Grundverfügbarkeit. Schade, weil Glurns als Location absolut toll wäre und ein Golfplatz eine Aufwertung für den gesamten Vinschgau sein könnte.

Bleiben wir bei Glurns. Die Vinschgau Marketing ist nach Glurns gezogen. Sie waren Geburtshelfer der Vinschgau Marketing auch mit dem Ziel, dass sich der Vinschgau nach innen und außen einig und einheitlich präsentiert. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund die Abspaltung Prads von Sulden?
Die Vinschgau Marketing macht meines Erachtens einen ganz tollen Job. Der Vinschgau wird wieder wahrgenommen, ob das nun bei der SMG in Bozen ist oder bei Presseauftritten. Wir haben noch nie so viele in- und ausländische Presseleute im Vinschgau gehabt. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Vinschgau Marketing operativ gut unterwegs ist. Ich glaube, es klappt nach innen und nach außen recht gut. Wenn Prad und Sulden nun irgendwie nicht mehr miteinander können, weil sie auch von der Struktur und der touristischen Ausrichtung her andere Interessen haben -  Prad hat mehr Interesse am Sommertourismus, Stilfs und Sulden mehr am Wintertourismus – dann ist das eine interne Entscheidung, die ich zur Kenntnis nehme. Ich würde mir nie erlauben diese Entscheidung zu kritisieren. Ansonsten bin ich stolz darauf, dass wir das Pilotprojekt Vinschgau Marketing geschaffen haben. Ich glaube wir sind gut unterwegs und die Zahlen beweisen das auch. Man muss natürlich auch feststellen, wenn man die absoluten Zahlen hernimmt: Wir haben etwa 1.000 Betten verloren und deshalb sind auch die Gesamtnächtigungen rückläufig.

Aber gerade das ist ein Punkt, der für Diskussionen sorgt, auch von Seiten des HGV. Nur die Großen werden unterstützt von dieser Marketingstrategie.
Nein, die Kritik ist mittlerweile verstummt. Das hat sich eingependelt.

Mit den Großen ist die gehobene Hotellerie gemeint.
Nein. Die SMG sowie die Vinschgau Marketing machen in erster Linie ein Destinationsmarketing, natürlich auch für alle Betriebe, die im Gebiet sind. Aber wir Unternehmer müssen uns auch auf die Hinterfüße stellen. Man kann nicht immer sagen: Ihr müsst tun... Der Betrieb selbst muss genauso ein attraktives Angebot erstellen.  

Bleiben wir in Ihrem Gebiet. Was hat die Schließung einer Aufstiegsanlage, der Tarscher Alm, für Auswirkungen?
Grundsätzlich ist alles, was wegfällt, negativ für die Umgebung. Die Tarscher Alm wäre für Schlanders, Latsch, Kastelbell für den Sommertourismus als Wandergebiet interessant. Als Winterdestination hätte man und das sage ich ganz frei heraus den Zusammenschluss mit der Schwemmalm machen müssen, dann hätte es etwas gebracht. So ist nun die Konzentration auf Ostern bis November zu legen, und das reicht eigentlich.

Die Trauer bei Ihnen ist begrenzt.
Absolut.

Anders gefragt: Dem Tourismus wird gemeinhin ein hoher Stellenwert eingeräumt. Auch was die wirtschaftliche Zukunft betrifft. Doch offensichtlich nicht überall. Beispiel Obervinschgau. Ein Investor Hans Rubatscher, der eine Liftverbindung Langtaufers-Kaunertal finanzieren würde, ist dort nicht willkommen. Ihre Meinung dazu.
Grundsätzlich muss man sagen: Der obere Vinschgau hat - überheblich ausgedrückt - nur eine Chance im Tourismus. Der Tourismus zieht die anderen Sektoren mit. Aber die Entscheidung muss vor Ort getroffen werden. Meine Meinung ist, man muss den Jugendlichen eine Zukunftsperspektive geben. Der Druck im Wintertourismus ist enorm groß und es entscheidet das Angebot. Das Angebot momentan: Schöneben ist ein tolles Skigebiet und gut geführt, aber – wenn man alles komplett sieht – ist Schöneben zu wenig. Man hätte einen tollen Gegenpol zu den Dolomiten schaffen können, wenn man Watles, Haider-alm und Schöneben zusammengeschlossen und das Kaunertal als Ergänzung und Verlängerung der Saison dazugenommen hätte. Aber die Leute vor Ort müssen das wollen und sich auf die Hinterfüße stellen. Und die Leute sowie die Gemeindeverwaltung haben sich vorerst scheinbar anders entschieden und das ist nicht zu kritisieren.

Seit 1. Jänner ist die Ortstaxe aktiv. Die bezahlt der Gast und das kommt als Finanzspritze dem Tourismus zugute. Ihr Vorgänger Walter Meister vertrat die Meinung, dass die gesamte Wirtschaft für den Tourismus zahlen soll.
Seit Jänner 2014 gilt die Ortstaxe. Sollten im Jahr 2014 nicht die festgelegten 18 Millionen zusätzlich an freiwilligen Beiträgen zusammenkommen, dann muss die gesamte Wirtschaft verpflichtend zahlen und es greift die Tourismusabgabe, die dann gestaffelt ist und 1 Prozent vom Umsatz bei den Beherbergungsbetrieben ausmacht. Das ist eine zusätzliche Belastung für die Betriebe und deshalb sagt Arno Kompatscher, dass dieses Gesetz nochmal angeschaut werden muss, weil es die Betriebe erdrücken würde. Denn normalerweise ist die Basis einer Steuer der Gewinn und bei dieser Steuer würde als Basis der Umsatz hergenommen und ein Umsatz sagt noch lange nichts über die Rentabilität aus. Das gilt für die touristischen Betriebe wohlgemerkt.

Diese verpflichtende Tourismusabgabe kommt aber nur, wenn die 18 Millionen nicht zusammenkämen.
Ich kann schon heute sagen, dass nicht einmal ein Drittel zusammenkommen wird. Deshalb muss man dieses Gesetz auf alle Fälle nochmal anschauen. Mit der Ortstaxe sind die Tourismusvereine und -verbände gut gedeckt. Der derzeitige freiwillige Beitrag ist nur eine Ergänzung. Aber es kann ja nicht sein, dass laut neuer Norm beispielsweise eine Brauerei gedeckelt ist und 500 Euro zahlt und ein kleiner Beherbergungsbetrieb 3.000 Euro.

Ein Thema für das kommende Jahr also. Was steht noch an?
 Jede Menge. Die Hotelklassifizierung ist zehn Jahre alt und wir müssen diese der Zeit anpassen und vor allem schauen was der Markt verlangt. Südtirol hat mit dem kürzlich genehmigten Stabilitätsgesetz die Kompetenz bei den Lokalsteuern erhalten und jetzt muss man ein Landesgesetz machen und eben stark verhandeln. Die IMU erdrückt unsere Betriebe. Es kann nicht sein, dass unsere Betriebsimmobilien, die Gebäudekatasterkategorie D, besteuert wird wie eine Luxuswohnung. Das stimmt ja hinten und vorne nicht mehr zusammen. Ich bin überzeugt, dass wir eine maßgebende Reduzierung erlangen werden. Ein Landesgesetz gibt den Spielraum vor und dann muss jede Gemeinde vor Ort wissen: Brauchen wir Gasthäuser und Hotels oder lassen wir alles sterben?


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