Die Zeichen stehen nicht schlecht, dass Durnwalder dieses komplexe Problem einer Lösung zuführen will. Im Vinschgau macht sich jedenfalls das Gefühl breit, dass Durnwalder den Vinschgern entgegenkommen will. Ein erstes, ernsthaftes Zeichen ist ein Beschluss der Landesregierung vom vorletzten Montag. Der Pressetext dazu:
„Schritt für Schritt versucht man, der verfahrenen Situation rund um verschiedene E-Werke im Land zu Leibe zu rücken. Die Landesregierung hat eine Einigung abgesegnet, mit der der Streitfall rund um das Laaser Kraftwerk vom Tisch geschafft werden soll. Die Einigung sehe, wie Landeshauptmann Luis Durnwalder betonte, eine 25-prozentige Beteiligung der drei Standortgemeinden Laas, Latsch und Martell sowie des VEK am E-Werk ebenso vor, wie die Auszahlung der den Gemeinden zustehenden Umweltgelder sowie angereifter Forderungen in Höhe von 1,8 Millionen Euro. „Wir haben heute den zuständigen Landesrat damit beauftragt, diese Einigung in der Vollversammlung der SEL voranzubringen und die entsprechenden Schritte in die Wege zu leiten“, so der Landeshauptmann.
Noch nicht ganz so weit ist man indes in Sachen E-Werk Graun, rund um das bereits seit Jahren ein Rechtsstreit tobt. „Wir verhandeln mit allen Beteiligten und sind einer Lösung nahe“, so Durnwalder, der damit rechnet, bereits in eine der nächsten Sitzungen der Landesregierung den Entwurf einer Einigung einbringen zu können. „Diese Sache betrifft uns als Landesregierung direkt, weil es um Konzessionen geht“, stellte Landeshauptmann Durnwalder klar.
Energie-Schiene Nummer drei, auf der man unterwegs war, war die Übernahme des Stromnetzes. „Wir haben heute noch einmal unsere Leitlinien für eine Übernahme des Netzes durch die interessierten Gemeinden definiert“, so Durnwalder nach der Sitzung der Landesregierung, bei der man sich auch dafür ausgesprochen hat, dass das Netz von den Gemeinden an entsprechende Konsortien weitergegeben werden könnte.“
Wir sind auf der Zielgeraden
Bezirkspräsident Andreas Tappeiner
Tatsächlich sind das jene drei Punkte, um die es den Vinschger Stromkämpfern im Wesentlichen geht: das E-Werk Laas (Stausee Martell), das E-Werk Graun, vom Karlinbach gespeist - zudem die Ableitungen aus dem Metz- und aus dem Arundabach; und das Stromnetz. Der Beschluss ist ein Zeichen des Good-wills in die richtige Richtung. Eine definitive Einigung ist dies nicht. „Man ist auf der Zielgeraden“, sagt Bezirkspräsident Andreas Tappeiner. Noch sei allerdings nicht klar, ob diese Zielgerade 100 Meter, 500 Meter oder länger sein wird.
In der vergangenen Woche sind bei informellen Sitzungen die Gemeinderäte von Martell über den Stand der Verhandlungen aufgeklärt worden. Am vergangenen Montag war der Gemeinderat von Laas an der Reihe, am vergangenen Dienstag jener von Latsch. Der Obmann des Vinschgauer Energiekonsortiums (VEK) Albrecht Plangger hat die Gemeinderäte mit Fakten, Zahlen, Hintergründen, Tricksereien, Euros, Zukunftsperspektiven, Verhandlungspositionen usw. auf den neuesten Stand gebracht. Man will nichts überstürzen.
Das Angebot einer 25-prozentigen Beteiligung an der Stromproduktion klingt vordergründig verlockend. Hat aber einige Haken. Bevor dieses Angebot nicht in trockenste Tücher gelegt ist, wird nicht unterschrieben. Es muss also juridisch einwandfrei geklärt werden, dass eine solche Beteiligung, in welcher Höhe das auch immer sein wird, allen staatsanwaltschaftlichen und richterlichen Windböen standhalten wird. Kein leichtes Unterfangen.
Denn es stehen zwei Verfahren rund um die Konzessionsvergabe am Marteller Stausee im Raum. Das VEK hat Rekurs gegen die Konzessionsvergabe beim obersten Wassermagistrat in Rom eingereicht. Mit der Begründung, dass das VEK gemeinsam mit den Gemeinden Martell, Laas und Latsch das bessere Angebot unterbreitet habe.
Und da sind zum anderen die Ermittlungen von Oberstaatsanwalt Guido Rispoli gegen den damaligen Energie-Landesrat Michl Laimer und den damaligen SEL-Direktor Maximilian Rainer. Der Vorwurf Rispolis an die beiden mittlerweile Zurückgetretenen: Bei der Abgabe der Unterlagen wurde getrickst, die SEL-Unterlagen wurden nachträglich nachgebessert. Mit dem Ergebnis, dass die Konzession der Hydros (60 Prozent SEL und 40 Prozent Edison) zugesprochen worden ist.
Die juridische Auffassung im Vinschgau ist schlicht: Es gibt lediglich zwei Bewerber, die um die Konzession am Marteller Stausee angesucht haben: die Hydros und das VEK. Wenn die Hydros, die offensichtlich geschwindelt hat, vom Gericht ausgeschlossen wird, bleibt das VEK übrig und soll die Konzession erhalten.
Auch beim Wassermagistrat stehen die Chancen für die Vinschger nicht schlecht. Der Rekurs gegen die Konzessionsvergabe wird mit den Ermittlungen gegen Laimer und Rainer noch um einiges schwerer. Und sollte es am 4. November 2013 zu einer Verurteilung der beiden kommen, werden die Vinschger dies in ihrem Rekurs einzubauen wissen. Die Vinschger - das Vinschgauer Energiekonsortium und die Gemeinden Martell, Laas und Latsch - haben demnach beste Karten im Stromstreit um die Marteller Konzession.
Nun lockt LH Luis Durnwalder mit dieser 25 Prozent-Beteiligung. Im Gegenzug sollen die Vinschger den Rekurs beim obersten Wassermagistrat zurückziehen. Die Vinschger wollen keinen Krieg, aber ihr Recht einfordern, das wollen sie schon.
Dass bei weitem nicht alle mit diesem 25-Prozent Angebot zufrieden sind, lässt der Laaser BM Andreas Tappeiner wissen. In seinem Gemeinderat gebe es Stimmen, die 30 Prozent fordern. Wenn die landeseigene SEL-AG mit 60 Prozent beteiligt ist, dann soll man diese 60 Prozent mit den Vinschgern teilen. Das wäre die geforderte Augenhöhe. Sprich: Das wären dann die 30 Prozent an der Produktion am Laaser Kraftwerk, welches vom Marteller Stausee gespeist wird.
Bei der Netzübernahme gibt es haarsträubende Bedinungen durch die SELnet
Und anderes steht am Verhandlungstisch. Am Reschenstausee haben sich die Vinschger Gemeinden eine 8-prozentige Beteiligung erstritten. Aber einiges ist am Reschenstausee noch nicht geklärt. Das sind vor allem die Zuleitungen aus dem Metz- und aus dem Arundabach. Diese Zuleitungen sind ein Provisorium, welches in der Beteiligung der Vinschger bisher nicht berücksichtigt wurde. Auch nicht, was Uferzins und Umweltgelder betreffen.
Und jenes Kraftwerk in Graun, welches vom Karlinbach gespeist wird, hat seit Jahrzehnten nur eine provisorische Genehmigung und die Erlöse aus diesem Kraftwerk haben weder Berücksichtigung bei Uferzins noch bei Umweltgeldern gefunden.
Die Materie ist demnach komplex, die Verhandlungen sind es auch.
Und dann kommt noch die Übernahme der Stromleitungen. Den Gemeinden, die sich dafür interessieren, steht es zu, das Stromnetz von der SELnet übernehmen zu können. Die SELnet bockt, wo sie nur kann, stellt teilweise abstruse Bedingungen und treibt die Übernahmekosten in absurde Höhen. Auch diese Materie ist komplex und nur Fachleuten zugänglich. Über die teilweise haarsträubenden Bedingungen, die die SELnet an die Vinschger Gemeinden stellt, sei ein Beispiel angeführt: Beim Stromnetz in Lichtenberg hat die SELnet einen möglichen Gewinn von 370 Euro im Jahr errechnet. Diesen Betrag will man bei der Netzübernahme in Rechnung stellen und hat ihn auf 100 Jahre hochgerechnet. Also soll die Gemeinde Prad, allein für mögliche Gewinne auf 100 Jahre, 37.000 Euro zusätzlich zahlen.
Zudem gehen die interessierten Vinschger Gemeinden und die SELnet von ganz unterschiedlichen Vorstellungen aus: Die Vinschger rechnen mit einem Betrag von rund 900 Euro pro Anschluss als Grundwert der Netzübernahme. Die SELnet will von bis zu 1400 Euro pro Anschluss ausgehen. Je nach Gemeinde. Zudem ist die Vorstellung der SELnet, dass alle bisherigen Investitionen bezahlt werden sollen. Eine in den Augen der Vinschger irrige Vorstellung: Denn die Primärinvestitionen, bei Erschließungen etwa, haben die Abnehmer selbst bezahlt. Und dies sollen die Gemeinden nun nochmals bezahlen müssen? Oder ein anderes Beispiel: Die Gemeinden waren in der Vergangenheit verpflichtet, Mittelspannungskabinen zu bauen und dem ENEL unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die SELnet will diese Investitionen den Gemeinden nochmals in Rechnung stellen.
Die Netzübernahme kann angesichts einer solchen Gemengelage wohl nur durch einen politischen Ukas gelingen.
Darauf hoffen jedenfalls die Vinschger Gemeinden. Und das eine geht ohne das andere ohnehin nicht: Die Vinschger Gemeinden brauchen eine gediegene Stromproduktion - die mit einem guten Anteil an der Marteller Konzession erreicht werden kann, damit sie ein Stromnetz vernünftig betreiben können.
Wie hat es in der Pressemitteilung geheißen? „Eine verfahrene Situation“. Gelöst werden kann diese durch LH Luis Durnwalder. Wenn er will. Denn die Stromgeschichte war immer schon Chefsache. Ein Abschied wäre das mit erhobenem Haupt. Beidseitig.