Klar ist, dass unsere Wahlkampagne den Spitzenkandidaten in den Mittelpunkt rückt. Als SVP-Obmann bin ich natürlich an allen Ecken und Enden sehr gefordert und setze mich für das gesamte Team ein.
Das Zugpferd der SVP scheint jedenfalls Arno Kompatscher zu sein. Haben Sie Angst vor einem möglichen Benedikter-Effekt?
Nein, überhaupt nicht. Wir stellen unsere Kampagne ja ganz bewusst unter das Motto: Gutes bewahren und Neues wagen. Es braucht beide Aspekte. Ich habe in den vergangenen Jahren wertvolle Erfahrungen sammeln können, die ich jetzt sehr gut einbringen kann.
Wenn es Kompatscher tatsächlich ernst meint mit der Erneuerung, dann sind Sie in der kommenden Legislaturperiode wohl kaum mehr Landesrat.
Ich bin zuversichtlich, ein gutes Wahlergebnis erzielen zu können. Letztendlich wird es in erster Linie von den Wählerstimmen abhängen, wie die neue Landesregierung zusammengesetzt wird.
Auf der einen Seite SVP-Obmann, auf der anderen Seite haben Sie im sozialen Bereich, beim Pflegegeld etwa, Ihre Arbeit unbestritten geleistet. Sind Ihnen als SVP-Obmann die Hände gebunden, als Arbeitnehmer auftreten zu können?
Der SVP-Obmann hat die Aufgabe, die gesamte SVP zu vertreten und nicht eine einzelne Richtung. Dies habe ich in den vergangenen viereinhalb Jahren so gehandhabt. Ich habe mich aber nicht gescheut, auf der Seite der Schwachen zu stehen. Das zieht sich wie ein roter Faden durch meine politische Tätigkeit. Meine Bilanz als Soziallandesrat kann sich absolut sehen lassen. Während in vielen Nachbarländern ein Sozialabbau stattgefunden hat, ist es uns gelungen, dies in Südtirol zu verhindern.
Zwei Herzen sind also in Ihrer Brust. Als SVP-Obmann können Sie die sozialen Themen im Wahlkampf wohl kaum spielen.
Auch als SVP-Obmann habe ich immer auf den sozialen Ausgleich geschaut. Mir war es immer wichtig, dass das V in unserer Partei auch entsprechend zur Geltung kommt. Es ist Tatsache, dass auch in Südtirol aufgrund der Wirtschaftskrise die Schere zwischen Arm und Reich auseinandergeht. Neben Arbeitnehmern und Rentnern stehen auch Kleinbauern und Kleinunternehmer unter einem gewaltigen Druck. Mir ist es wichtig, dass man nicht nur jene sieht, die auf der Sonnenseite sind, sondern auch jene, die im Schatten stehen.
Spüren Sie in Ihrem Wahlteam, dass man gegenüber sozialen Themen sensibler ist, als es bisher der Fall ist?
Auch dem Landeshauptmann Durnwalder kann man zugute halten, dass er eine ausgeprägte soziale Ader hat. Bei der Umsetzung von sozialen Vorhaben hatte ich die Unterstützung der gesamten Landesregierung. Auch für das neue Team gilt: Ohne sozialen Ausgleich gibt es keine Weiterentwicklung.
Sollte die SVP die absolute Mehrheit verfehlen, welche Oppositions-Partei würde sich für eine Koalition besser eignen: die Freiheitlichen oder die Grünen?
Wir werden alles daran setzen, dass wir aus eigener Kraft imstande sein werden, die Regierung zu bilden. Im Autonomiestatut ist es vorgesehen, dass auch die italienische Sprachgruppe in der Landesregierung vertreten sein muss. Unser natürlicher Koalitionspartner, auch aufgrund des Abkommens, welches ich mit Bersani abgeschlossen habe, ist der Partito Democratico. Der PD ist deshalb sicher dabei. Es kann durchaus sein, dass ein weiterer italienischer Partner, wie beispielsweise die Scelta Civica, dazukommen wird. Das hängt vom Ausgang der Wahlen ab. Unser Ziel ist es, dass wir es aus eigener Kraft schaffen, die Mehrheit zu stellen, dann werden wir nicht zusätzliche Partner mit ins Boot holen.
Das heißt, beim Verlust der absoluten Mehrheit wird die SVP ausschließlich italienische Partner ins Boot holen, um die deutsche Opposition draußen zu halten?
Für uns ist es enorm wichtig, dass wir die Gestaltungshoheit haben, damit wir nicht erpressbar sind. Es stehen wichtige Entscheidungen an. Bei der Arbeitslosigkeit etwa. Da geht es für mich darum, dass zu Gunsten der Peripherie entsprechende Entscheidungen gefällt werden, damit die Bezirke gestärkt werden. Es ist klar, dass die italienischen Parteien einen ganz anderen Zugang zum Thema Entwicklung des ländlichen Raumes haben, als es die Südtiroler Volkspartei hat.
Zur Peripherie: Die Dienste im Krankenhaus Schlanders sind für ein peripheres Tal, wie es der Vinschgau ist, von enormer Bedeutung. Der alte Bettentrakt soll ausgebaut werden. Welche Dienste wollen Sie im Schlanderser Krankenhaus zusätzlich einrichten?
Während in Italien kleine Krankenhäuser geschlossen werden, setzen wir auf Bestand und sogar Ausbau. Der schlagende Beweis dafür ist der begonnene Neubau des gesamten Bettentraktes. Erst vor wenigen Jahren wurde die ganze Klinik erneuert und in Qualität investiert. Schon seit Jahren werden spezialisierte Hüft- und Knieoperationen durchgeführt. Erst vor Monaten haben wir beschlossen, dass in Schlanders zukünftig mehr operiert werden soll. In enger Absprache mit Meran werden neue spezialisierte Dienste angeboten.
Konkret?
Ganz konkret denken wir an Behandlungen in der Allgemeinchirurgie, der Gynäkologie und der Orthopädie: von heute 2.500 Eingriffen im Jahr erhöhen wir auf 3.000. Das Krankenhaus Schlanders ist außerdem einer der größten Arbeitgeber im Tal und somit eine unverzichtbare Einrichtung für uns alle. Für Schlanders sehe ich zusätzliche Perspektiven: Wenn die Grenzen im Gesundheitsbereich fallen werden, kann die Lage im Dreiländereck ein Nachteil oder eine Riesenchance sein. Ich glaube an die Chance. Es gibt Gespräche mit den Schweizer Krankenkassen.
Ein anders Thema, welches für Arbeitsstellen stehen kann: Vor allem Sie waren es, der sich dafür eingesetzt hat, dass im Skigebiet Trafoi investiert worden ist. Wie ist Ihre Haltung für den Obervinschgau in Sachen Skigebiete?
Gerade im Obervinschgau sind wir neben dem Sommertourismus auch auf einen guten Wintertourismus angewiesen. Wir brauchen diese Aufstiegsanlagen.
Sie sind mit den Liftgesellschaften in Kontakt und auch mit Hans Rubatscher.
Weniger mit Rubatscher, aber mit den Liftgesellschaften. Meine Meinung ist, dass wir einen Gesamtvorschlag für den oberen Vinschgau brauchen. Der muss aber im Obervinschgau entstehen und von der Bevölkerung getragen werden. Nur so haben wir die Chance, diesen Vorschlag auf Landesebene umzusetzen. Auch für die Rettung des Skigebietes Trafoi, gab es einen Konsens zwischen der Bevölkerung von Trafoi, der Gemeinde Stilfs und der Seilbahngesellschaft von Sulden. Tatsache ist, der obere Vinschgau ist nicht Gröden oder der Kronplatz...
...und will dies wahrscheinlich auch nicht werden...
Wir wissen, dass die grundlegenden touristischen Infrastrukturen Im Vinschgau ohne öffentliche Unterstützung nicht möglich sind. Für mich ist klar, der Watles ist nicht nur für die Gemeinde Mals unverzichtbar. Bei der Haideralm muss es in einem solchen Konzept Garantien geben, dass sie als Skigebiet, neben dem sehr erfolgreichen Schöneben, bestehen bleibt. Auch für Langtaufers braucht es Perspektiven. Fakt ist aber, die Zeit für Einzelkämpfer vorbei. Das muss gemeinsam gemacht werden.
Sie würden einem potenziellen Investor, wie es Hans Rubatscher ist, nicht von vornherein die Tür zuschlagen.
Das wäre töricht. Man soll das prüfen. Man kann diskutieren, kritisch beleuchten, aber man muss auch entscheiden. Denn die Zeit drängt. Ich möchte dieses Thema in das neue Regierungsprogramm hineinbringen, damit man grundlegende Konzepte berücksichtigen kann. Die öffentlichen Mittel werden nicht mehr, sondern eher weniger. Umso wichtiger ist es, einen Konsens zu finden.
Themenwechsel. Sie haben kürzlich gesagt, dass der Stromstreit zwischen den Vinschgern und der Landesregierung noch vor den Wahlen beigelegt sein wird. Woher nehmen Sie diese Zuversicht?
Beigelegt sein kann. Es ist wichtig, dass wir vor einer neuen Regierungsbildung möglichst viele Stolpersteine aus dem Weg räumen. Seit 15 Jahren wird in Sachen Strom diskutiert und auch gestritten. Einiges ist falsch gelaufen. Es ist nun an der Zeit, dass die Angelegenheit in die richtige Spur kommt. Alle bisher Beteiligten kennen den Vinschger Stromstreit in- und auswendig. Wenn sich hingegen eine neue Mannschaft mit dem Thema auseinandersetzen muss, vergeht viel zu viel Zeit. Ich glaube, dass wir derzeit gute Voraussetzungen haben, in den kommenden Wochen ein gutes Ergebnis für den Vinschgau zu erzielen. Ich werde mich mit allen Kräften dafür einsetzen.
Bisher hängt eine Lösung ausschließlich von LH Luis Durnwalder ab.
Wir sind in einer konstruktiven Gesprächsphase, die mich zuversichtlich stimmt. Es geht auch darum, die Ungerechtigkeiten der Wasserableitung ohne Konzession zu beseitigen.
Vinschgau bezogen ist es bei Landtagswahlen bisher immer schief gegangen, wenn man mit mehr als zwei Kandidaten angetreten ist. Ihre Prognose für den Vinschgau und Ihre Prognose für die SVP?
Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingt, die 18 Mandate zu halten. Die Leute suchen Orientierung und Sicherheit, ohne sich Neuem zu verschließen. Trotz guter Umfrageergebnisse dürfen wir uns nicht zurücklehnen. Freistaat oder die Ausrufung des Selbstbestimmungsrechtes sind zur Zeit nicht realistisch. Deshalb werden wir konsequent den erfolgreichen Weg des Ausbaus der Autonomie bis hin zur Vollautonomie weiter verfolgen. Was den Vinschgau anbelangt: Drei SVP-Kandidaten waren immer schwierig. Die Würfel sind gefallen. Die Parteibasis hat entschieden. Ich werde alles daran setzen, dass der Vinschgau insgesamt gestärkt hervorgeht. Gerade jetzt, wo vieles neu verteilt wird, wo Weichen gestellt werden. Alle drei Kandidaten haben die Voraussetzungen, unser Tal in Bozen gut zu vertreten.
Interview: Erwin Bernhart