Dienstag, 28 Mai 2013 09:06

„...di Jugend hot man inz gnumman“

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s16 8174Andreas Sachsalber aus Schleis erlebte ein Jahr Krieg und fünf Jahre Gefangenschaft in Russland. Beim Begrüßungsfest nach seiner Rückkehr traf er im elterlichen Hof in Schleis auf Theresia Thurner. Beide sind nun fast 55 Jahre lang verheiratet.

von Magdalena Dietl Sapelza

Andreas Sachsalber stieg am 20. Mai 1950 aus der „Litorina“ am Malser Bahnhof und staunte über die Schleiser Musikkapelle, die aufspielte, und über die vielen Menschen. Gerührt schüttelte er viele Hände und schaute in altbekannte Gesichter, die er während seiner fünfjährigen Gefangenschaft in Russland vermisst hatte. Bei der anschließenden Feier in der Stube seines Heimathofes erzählte er stundenlang, was ihm alles widerfahren war. Unter den aufmerksamen Zuhörern befand sich die junge Magd Theresia Thurner, die nach seiner Einberufung als Arbeitskraft auf den Hof gekommen war.


Als 17-Jähriger zog Andreas 1944 für Deutschland in den Krieg. Dass es ihn erwischt hatte, war ihm unverständlich, denn er war einziger Sohn einer  „Dableiberfamilie“, die sich 1939  gegen Hitler gestellt hatte. Im Zug nach Bozen traf er mehrere Gleichaltrige, die sein Schicksal teilten.  „Miar sain nou Kindr gweesn,  obr dr Hitler hot Soldotn braucht“, sagt er. Nach einem Aufenthalt  in Berlin und einer anschließenden  Ausbildung in Italien kam er im März 1945 an die Front bei Frankfurt an der Oder. Dort zwangen die Russen die Deutschen zum Rückzug. Andreas und seine Truppe schlugen sich bis nach Berlin durch. Die Stadt war total zerstört. Am 29. April fielen sie den Russen in die Hände. In einem Tross von 300.000 Soldaten marschiert Andreas in Richtung Osten. Hunger, Durst, Läuse, Wanzen und die Angst, nicht mehr heim zu kommen, waren fortan seine Begleiter. In Posen brachte ihn ein Viehwaggon in ein Lager in der Stadt Babrujsk in Weißrussland. Daheim galt er als vermisst. Im Lager gab es anfangs genug zu essen, doch das änderte sich bald. „Di Hungerjohr hoobm mitn koltn Kriag oungfongan, weil di Russn selbr nicht mea kopp hoobm“, erklärt er. Andreas arbeitete in einer Möbelfabrik, dann bei der Alteisensammlung. Später brachte man ihn nach Minsk, wo er als Waldarbeiter und  als Torfstecher tätig war. Viele seiner Mitgefangenen starben an Erschöpfung und  Krankheiten. Als er selbst an Malaria erkrankte, hatte er wenig Hoffnung zu überleben. Er magerte auf 48 Kilogramm ab. Erst als er medikamentös behandelt wurde, erholte er sich.  Einigermaßen genesen, musste er beim Verladen von Zuckersäcken zupacken. Das rettete ihm möglicherweise das Leben. „Miar hobm selm olm Zucker gessn, unt inz aufpapplt“, meint er. Nächste Station war ein Autowerk in Minsk. Mittlerweile war das Jahr 1947 angebrochen. Erstmals durfte er eine Karte nach Hause schicken und erhielt auch Antwort. Hoffnung keimte auf, endlich entlassen zu werden. „Ma hot inz obr in dr gonz Zeit nia eppas gsogg“, betont er. 1949 kam er nach Kiew in ein Sammellager für Heimkehrer. Das weckte erneut Hoffnungen. Dort half er mit, eine Entbindungsstation aufzubauen. Letzte Station war ein Lager in Rumänien, wo er einer Küche zugeteilt wurde. Das bedeutete, dass er sich endlich satt essen konnte. Als es 1950 endlich heimwärts ging, konnte er es fast nicht glauben.  „I honn überlebt, obr di Jugend hot ma inz gnummen“, resümiert er. Lebensfreude schenkte ihm die junge Theresia, mit der er sich nach der Hochzeit 1959 die Arbeit auf dem Hof teilte. Sie verstanden sich, denn auch ihre Jugend war geprägt von Entbehrungen. Im Stall standen schon bald 13 Stück Vieh. „Longsom ischas aufwärts gongan“, sagt Andreas. Theresia schenkte ihm drei Kinder und hielt ihm später den Rücken frei, als er sich der Freiwilligen Feuerwehr anschloss und Fraktionsvorsteher wurde. „Selm hots olm miar pan Orabtn troffn“, lacht sie. Das Paar verstand sich gut und teilte Freud und Leid. Schwere Zeiten brachen 1991 an, als Andreas an Lymphdrüsenkrebs erkrankte und eine Chemotherapie in Innsbruck über sich ergehen lassen musste. „Dies isch schlimmer gweesn, als di Malaria unt di gonz Gfongenschoft“, erklärt er. Theresia und die Kinder litten mit ihm. Die Therapie hatte Erfolg. Er konnte den Krebs besiegen und alle sind dankbar.
Wie eh und je kümmern sich Andreas und Theresia trotz ihres hohen Alters um die „Baurschoft“. „Um fünfe Zmorgaz sain miar olm schun in Stoll“, verrät Theresia. Beide unterhalten sich gerne über dies und das, und oft werden auch die Erinnerungen an den einstigen Empfang am Bahnhof  wach und an das anschließende Fest, bei dem sie sich kennengelernt hatten.


 


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