Das Schlanderser „IKEA-Modell“

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Rendering: Gemeinde Schlanders Rendering: Gemeinde Schlanders

Leistbares Wohnen - In Schlanders soll ein erstes Wohnbauprojekt entstehen. 28 Personen meldeten bis vergangenen Montag (8. Juli, Anm. der Redaktion) Interesse an. Mit einem so großen Zuspruch hat niemand gerechnet. Entstehen soll das leistbare Wohnmodell im sogenannten Marillen-Anger. Doch wenn ein Immobilienmakler Bauträger ist – wie geht das mit leistbarem Wohnen zusammen?

von Angelika Ploner

Leonhard Resch ist in der Arche im KVW für das Thema Leistbares Wohnen zuständig. Als solcher ist er auch Ansprechpartner für das geplante Wohnprojekt in Schlanders. Es sind, sagt er, bis am 8. Juli 28 Interessensbekundungen eingegangen. Wer in Schlanders wohnhaft ist oder den fixen Arbeitsplatz dort hat und an einer Wohnung mit Preisbindung interessiert ist, konnte und kann die ausgefüllte und unterschriebene Bedarfserhebung an die Arche im KVW schicken. Es war jener Schritt, der auf den Informationsabend am 10. Juni, zu dem die Gemeindeverwaltung geladen hatte, gefolgt ist.
Die Vorgeschichte. Entstehen soll das leistbare Wohnbauprojekt im sogenannten Marillen-Anger. Der freie Wohnbau dort ist bereits seit einigen Jahren fertig gebaut worden. Jener Teil, der dem geförderten Wohnbau zusteht, noch zu realisieren. Zum Tragen kam hier der klassische 40/60 Schlüssel: 40 Prozent freier Wohnbau, 60 Prozent geförderter Wohnbau. Es ist jener Schlüssel, der angewandt wird, wenn landwirtschaftliches Grün in Baugrund umgewandelt wird. Dieses Benediktersche Raumordnungsgesetz wird von BM Dieter Pinggera als genial gelobt. „Jeder Eigentümer, der landwirtschaftliches Grün hat, bekommt so die Möglichkeit 40 Prozent in freien Baugrund umzuwandeln. Und mit diesen 40 Prozent – je nach Verkaufslage – verfünffacht oder verachtfacht sich der Verkaufspreis wahrscheinlich“, sagt Pinggera. Das Gegengeschäft ist: Für diese enorme Aufwertung, die der Eigentümer erfährt, muss er die 60 Prozent des Baugrundes für den geförderten Wohnbau zur Hälfte des Marktpreises (laut Schätzgutachten) abgeben. Für diesen halbierten Preis gibt es eine weitere Förderung, die wiederum 50 Prozent ausmacht, sodass im geförderten Wohnbau der Käufer nur 25 Prozent des eigentlichen Marktpreises zahlt.
Mit dem neuen Gesetz Raum und Landschaft von 2018 ist Wohnen mit Preisbindung eingeführt worden. Wie bei jedem Gesetz braucht es auch hier Durchführungsbestimmungen, damit das Gesetz operativ funktionieren kann. Vor zwei Jahren kam ein erster Entwurf der Durchführungsbestimmungen auf den Tisch. Pinggera: „Damals hat das Land Pilotgemeinden gesucht, die zu experimentieren bereit sind und wir haben uns gemeldet“. Seitdem ist die Gemeinde Schlanders Pilotgemeinde. Pinggera: „Der Marillen-Anger wurde dann öfters als gefördertes Wohnbauprojekt lanciert, aber es waren immer nur zwei, drei Interessierte.“
Der bislang ausgebliebene Zuspruch scheint nun beim Projekt „Leistbares Wohnen im Marillen-Anger“ da zu sein. Pinggera: „Der Clou von diesem System ist der Bauträger. Die Leute sind heute alle überfordert mit dem Bauen, sind unerfahren und verhandeln ohne Know How schlecht.“ Leo Resch bestätigt das. Unterm Strich profitieren deshalb alle - sind beide unisono der Meinung. „Am Ende wird – wie bei einem Bauprojekt auf dem freien Markt – ein Katalog mit verschiedenen Größenordnungen und Basis-Qualitäten da sein. Mindeststandards sind einzuhalten. Und in der Praxis ist es dann so: Der Buchenboden ist im Preis drinnen und Nussboden kostet halt extra. Jeder kann seine Optimierungen vornehmen und verhandeln“, erklärt Pinggera.
Nun wartet man in der Schlanderser Gemeindestube auf die neuen Durchführungsbestimmungen. Denn Schlanders soll die erste Gemeinde in Südtirol sein, die diese anwendet. Am Preis und an den Formeln, wie die Preisbindung errechnet wird und funktioniert - ein zentraler Punkt - daran schieden sich in der Landesregierung bislang die Geister. Der Entwurf dieser neuen Durchführungsbestimmungen ist nun so gut wie fertig und im Rat der Gemeinden positiv abgesegnet worden. Die tragende Struktur steht. Aber: Formell ist das Ganze noch nicht beschlossen. Pinggera: „Es ist uns im Sommer versprochen worden. Wir rechnen dann im Spätherbst mit Baubeginn, spätestens im frühen Frühjahr.“
In der Zwischenzeit steckt man die Größenordnungen ab. Das potentielle Raumprogramm jener, die Interesse bekundet haben, „liegt eher bei 3-Zimmer-Wohnungen“, sagt Leo Resch. Will heißen: Es werden zwischen 14 und 15 Wohnungen werden.
Innsbruck gilt als good-practise-Beispiel für Leistbares Wohnen. Über eine gemeinnützige Immobiliengesellschaft werden die Projekte abgewickelt. Die Betonung liegt auf gemeinnützig. In Schlanders ist das Ganze anders gelagert. Bauträger soll Immobilien Pohl sein (siehe unten).
Auf der Gemeindehomepage war zu lesen: „Ziel dieses Projektes ist es, Eigentumswohnungen anbieten zu können, die mind. 20% günstiger sind als vergleichbare Neubauwohnungen am Markt. Es wird daran gearbeitet, dass ein Quadratmeter (Konventionalfläche) im Durchschnitt 3.550 € nicht überschreitet.“ Leo Resch sagt: „Das ist unsere Zielvorgabe, die müssen wir erreichen.“ Und: „Der Marillen-Anger ist die Pflicht, das Kasernenareal dann die Kür.“ Der Marillen-Anger, das bestätigen dem Vinschgerwind gleich mehrere Immobilien-Makler ist eine sehr gute Lage. Und ja, 3.550 Euro pro Quadratmeter Konventionalfläche sind rund 20% weniger als auf dem freien Markt. In Schlanders hat man jüngst Quadratmeter-Höchstpreise bis zu 4.200 Euro erzielt. Ein konkretes Beispiel: Ein Neubau-Projekt in einer Fraktion von Schlanders mit 4 Zimmern und einer Netto-Wohnfläche von 96 Quadratmetern mit Balkon, Freiplatz und Garage kostet 495.000 Euro. Mit dem gedeckelten Preis würde eine 100 Quadratmeter große Wohnung im Schnitt 355.000 Euro kosten. Hinzu kommen die MwSt., die Einrichtung, Nebenkosten u.s.w. sodass ein realistischer Preis bei gut 400.000 Euro liegt. Auf dem freien Markt liegt der Preis gut 100.000 Euro höher.
Und doch stellt sich die berechtigte Frage: Wer kann sich das leisten? Ein Insider sagt es so: „Man kann von gedeckeltem Wohnen nicht aber von leistbarem Wohnen reden.“
Ob dieses dann im Kasernenareal zur Kür wird, wird sich zeigen.

 

Stellungnahme und Kurzinterview von Pohl Immobilien zum Thema: Leistbares Wohnen


Allgemein: Als verantwortungsbewusste Immobilienentwickler ist es unser oberstes Ziel, mit konkreten Lösungen auf dem Markt zu reagieren. Leistbares Wohnen ist ein dringendes Thema, dem wir mit vielfältigen Ansätzen begegnen. Wir sind stolz darauf, in diesem Bereich bereits Investitionen getätigt zu haben. So haben wir im letzten Jahr in Bozen ein Projekt mit 37 Wohnungen erfolgreich in Zusammenarbeit mit der Legacoop abgeschlossen. Trotz des erheblichen Risikos und Aufwands sind wir froh, dass wir uns diesem Projekt angenommen haben und es mittlerweile erfolgreich umsetzen konnten. Nun freuen wir uns auf das nächste Projekt in Schlanders, das wir gemeinsam mit der Arche unter dem Makro-Schirm „leistbares Wohnen“ realisieren möchten. In den vergangenen Monaten haben wir an Fokusgruppen mit interessierten Bürgern, Politikern, Unternehmern und anderen Experten teilgenommen, um ein machbares Modell zu erarbeiten. Durch diese enge Zusammenarbeit mit lokalen Behörden und anderen Partnern können wir sicherstellen, dass unsere Projekte den Bedürfnissen der Gemeinschaft entsprechen und gleichzeitig wirtschaftlich realisierbar sind. Dabei sind die Rahmenbedingungen für derartige Projekte oft unklar. Beispielsweise sind die Durchführungsbestimmungen noch nicht genehmigt. Klar ist, ein großer Vorteil liegt im Grundanteil, der nur etwa ein Drittel des marktüblichen Werts beträgt. Zusätzlich ist es aus unserer Sicht dringend notwendig, Fehler zu vermeiden, schnell zu sein und Effizienzen zu schaffen. Durch den direkten Einsatz unseres Know-Hows als Entwickler und Bauträger umfasst unsere Strategie somit auch eine äußerst effiziente Architektur und Bauweise. So minimieren wir Kosten und ermöglichen schlankere Ausführungen, um leistbares Wohnen anzubieten.

Vinschgerwind: Leistbares Wohnmodell im Marillen-Anger in Schlanders: Der Preis soll pro Quadratmeter Konventionalfläche 3.550 Euro nicht überschreiten. Ist das realistisch?
Hans-Martin und Magdalena Pohl: Den Preis pro Quadratmeter muss man vorsichtig betrachten, da er leicht falsch interpretiert werden kann. Er hängt von verschiedenen Faktoren wie Stockwerk, Ausrichtung und Ausstattung ab. Zudem ist es wichtig zu unterscheiden, ob man Netto, Brutto, Handels- oder in diesem Fall Konventionalflächen vergleicht. Die Unterschiede sind hier maßgeblich und drücken sich dementsprechend in einer Quadratmeterbewertung aus. Unser Ziel ist es, die Wohnungen am Marillenanger günstiger als den Marktpreis anzubieten. Zudem werden in den Durchführungsbestimmungen zum Urbanistikgesetz die genauen Regeln der Preisfestsetzung definiert und somit werden diese mit absoluter Transparenz festgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt befinden wir uns allerdings noch in der Entwicklungsphase und eine genaue Rechnung für dieses spezifische Projekt muss erst finalisiert werden.

Vinschgerwind: Wo liegt der Marktpreis pro Quadratmeter derzeit in Schlanders? Beispiel Wohnanlage „Am Anger“?
Der Marktpreis variiert je nach Wohnungstyp und anderen Faktoren wie Größe, Ausrichtung und Qualität. Zudem muss man unterscheiden, ob es sich um eine freie oder eine konventionierte Wohnung handelt. In der Wohnanlage „Am Anger“ bieten wir ein vollkommen anderes Produkt. Leistbares Wohnen wird daher einen anderen Standard haben und zu einem günstigeren Preis angeboten werden.

Vinschgerwind: Wie sieht der Fahrplan für die Realisierung des Kondominiums Marillen-Anger von Seiten von Pohl Immobilien aus?
Pohl Immobilien wird den Grund zum Enteignungspreis übernehmen und darauf in Zusammenarbeit mit Arche das Projekt für die leistbaren Wohnungen erarbeiten. Die Gemeinde wird eine Rangordnung erstellen, nach welcher die Wohnungen vergeben werden. Als privates Unternehmen übernehmen wir die Verantwortung, das Projekt voranzutreiben und übernehmen das Risiko, sollten sich nicht genügend Interessenten melden. Das Projekt wird also trotzdem realisiert und die nicht zugewiesenen Wohnungen werden dem konventionierten Markt zur Verfügung gestellt. Unser Ziel ist es, das Projekt zügig und erfolgreich umzusetzen. Wir setzen auf innovative Baumethoden und den Einsatz unseres Know-Hows, um Optimierungen durchzuführen, allerdings Kompromisse bei der Wohnqualität zu vermeiden. Ein Ikea-Modell im Wohnen, sozusagen.

Vinschgerwind: Grundsätzlich: Wie geht Leistbares Wohnen mit einem gewinnorientierten Immobilienbüro wie dem Ihren zusammen?
Pohl Immobilien ist ein familiengeführtes Unternehmen, das auf eine langfristige und nachhaltige Entwicklung setzt. Unsere Projekte sind darauf ausgelegt, sowohl ökologisch als auch ökonomisch tragfähig zu sein. Somit sehen wir es auch als unsere Aufgabe einen Beitrag für die Realisierung durch unser Know-How zu bringen. Eine eventuelle Marge kann nur durch eine effiziente Kostengestaltung erfolgen. Auch wenn es für uns finanziell knapp oder risikoreich wird, möchten wir einen Beitrag zur Schaffung von leistbarem Wohnraum leisten und unsere gesellschaftliche Verantwortung wahrnehmen. In diesem Fall gehen wir auf volles Risiko, da wir überzeugt sind, dass es „leistbares Wohnen“ braucht. Wir haben bereits zahlreiche Investitionen in diesem Bereich getätigt und sind dabei andere Projekte in verschiedenen Gemeinden anzuschieben. Die reinen wirtschaftlichen Kennzahlen garantieren die Machbarkeit noch nicht vollständig, aber uns ist es wichtig, Vorreiter zu sein. Wir verspüren hier eine große Verantwortung.

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