Nationalpark Stilfserjoch: Monitoring der Biodiversität in Südtirol - eurac research stellt den 1. Zwischenbericht vor

geschrieben von
Strukturreiche Landschaften gewährleisten eine größere Artenvielfalt als eintönige Landschaften: der Turnauna-Schuttkegel talseits von Taufers im Münstertal Strukturreiche Landschaften gewährleisten eine größere Artenvielfalt als eintönige Landschaften: der Turnauna-Schuttkegel talseits von Taufers im Münstertal

Wolfgang Platter, am Tag der Hlg. Hildegard von Bingen, 17. September 2021

Neben dem Klimawandel durch die Erderwärmung stellt der weltweite Verlust der Artenvielfalt eine der großen Herausforderungen unserer Zeit dar. Nur eine genaue Erhebung von Daten aber gibt wissenschaftlichen Aufschluss: Am Beispiel von so genannten Zeigerarten im Feld bei Anwendung standardisierter Methoden und Wiederholung dieser Untersuchungen in periodischen Abständen wurde verschiedenen Ortes begonnen, lange Datenreihe zu erstellen. Und nur mit solchen Datenreihe können wissenschaftlich exakte Aussagen zur Ab- oder Zunahme von pflanzlichen und tierischen Arten gemacht werden. Das seriös betriebene Monitoring von Biodiversität ist also ein Langzeitprojekt.

Erhebungen in Südtirol
Es ist begrüßenswert, dass die Südtiroler Landesregierung verschiedenen Forschungseinrichtungen 2019 den Auftrag zur Erhebung der Biodiversität in unserem Land erteilt hat. Diese Forschung ist eine Zusammenarbeit von Eurac Research, dem Naturmuseum Südtirol, den Landesabteilungen Natur, Landschaft und Raumentwicklung sowie Landwirtschaft. Projektpartner sind außerdem die Universitäten Bozen und Innsbruck und das Versuchszentrum Laimburg. Die Projektleitung liegt bei der Frau Universitätsprofessorin Dr. Ulrike Tappeiner. Koordinator ist Dr. Andreas Hilpold.

Untersuchungsflächen
An insgesamt 440 Standorten werden bestimmte Tier- und Pflanzengruppen als sensible Indikatoren erhoben. 320 dieser Standorte betreffen terrestrische Ökosysteme und 120 die Fließgewässer. Die Untersuchungsstandorte sind auf das ganze Land verteilt und reichen von den Talsohlenböden bis in die alpinen Lebensräume. Untersucht werden Wiesen und Weiden, Äcker und Dauerkulturen, Wälder, Fließgewässer, Feuchtlebensräume, Siedlungsbereiche und eben alpine Lebensräume bis oberhalb der Waldgrenze.

Die Bioindikatoren
Als Bioindikatoren wurden für das Südtiroler Monitoring der Biodiversität folgende Pflanzen- und Tiergruppen ausgewählt: Gefäßpflanzen, Moose und Flechten, Vögel, Fledermäuse, Heuschrecken, Tagfalter, Käfer, Wanzen und andere Insektengruppen, Spinnen und weitere Wirbellose, Süßwasserfauna. Hinzu kommen: Bodenparameter und abiotische Faktoren und Lebensräume.

Erste Ergebnisse
Nach nicht ganz zwei Erhebungsjahren wurden in der 2. Septemberwoche 2021 erste Ergebnisse von 128 verschiedenen Standorten vorgestellt. Auf diesen Probeflächen konnten z. B. 1.094 verschiedene Arten von Gefäßpflanzen, 166 verschiedene Vogelarten, 20 Arten von Fledermäusen und 128 Arten von Tagfaltern erhoben werden. Weitere Zwischenergebnisse, aufgeschlüsselt nach den einzelnen Standorten, können im Internet unter https://biodiversity.eurac.edu/de abgerufen werden.

Zur Erinnerung:
Am 5. Juni 1992 war während des Gipfeltreffens der Staatschefs die Konvention zur Artenvielfalt von Rio de Janeiro unterzeichnet s67 park2worden (Convention on Biological Diversity CBD). In Italien ist die Biodiversitätskonvention von Rio am 14. Juli 1994 in Kraft getreten.
Unter der damaligen italienischen Umweltministerin Stefania Prestigiacomo aus Sizilien war im Jahr 2009 von den Umweltministern der G-8-Staaten die „Charta von Syrakus“ zum Erhalt der Biodiversität unterzeichnet worden.
Das Jahr 2010 wurde von den Vereinten Nationen zum internationalen Jahr der Biodiversität ausgerufen. Im Mai desselben Jahres hat an der römischen Universität „La Sapienza“ die 1. Nationale Konferenz zum Erhalt der Biodiversität stattgefunden. In deren Folge wurde vom Ministerrat für die Dekade 2011-2020 das Dokument zur nationalen Strategie zum Erhalt der Biodiversität verabschiedet. Das italienische Umweltministerium hat daraufhin Finanzmittel zur Erhebung der Istzustände zur Artenvielfalt zur Verfügung gestellt. Erste Nutznießer dieser Forschungsmittel waren etwa die Nationalparke Italiens.

Erhebungen im Nationalpark Stilfserjoch
Zusammen mit den drei anderen Nationalparken in den Alpen Gran Paradiso, Val Grande und Dolomiti Bellunesi hat der Nationalpark Stilfserjoch in den Sommermonaten der Jahre 2013 und 2014 auf ausgewählten Probeflächen entlang eines Höhentransektes faunistisches Monitoring von Zeigerarten betrieben. Als Zeigerarten dienten damals von den wirbellosen Tieren aus dem Stamm der Insekten die Ameisen, die Heuschrecken, die Laufkäfer, die Tagfalter sowie von den Wirbeltieren die Vögel. Die Untersuchungen haben im Nationalpark Stilfserjoch auf 76 Probeflächen stattgefunden, von den Haupttalsohlen bis in die alpine Stufe oberhalb der Wald- und Baumgrenze.

Fazit
Unabhängig, ob im Nationalpark Stilfserjoch oder in anderen Gebieten unseres Landes untersucht wird, bestätigt sich ein Trend: Je abwechslungsreicher eine Landschaft, je vielfältiger ihre Strukturen sind, umso höher ist der Artenreichtum. Umgekehrt ausgedrückt: Ein Reichtum an pflanzlichen und tierischen Arten ist nur durch die Vielfalt der Landschaftselemente zu erhalten. Der Wechsel von Wiesen, Dauerkulturen und Auwald am Beispiel der Tschenglser Au belegt z.B. den Reichtum an Vogelarten. Meine Nichte Eva Grassl Raffeiner konnte diese ornithologische Artenvielfalt mit ihrer Leidenschaft für die Fotographie von ihrem Wohnhaus aus auch fotografisch festhalten. Eine kleine Auswahl ihrer Bilder zeige ich heute.

Gelesen 1546 mal

Schreibe einen Kommentar

Make sure you enter all the required information, indicated by an asterisk (*). HTML code is not allowed.

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.