Der Furz und die Trikolore

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Aus dem Gerichtssaal - Diesen Furz hat mir der Hans Wielander ins Ohr gesetzt. Er stammt aus der „heißen Zeit“, als in Südtirol die Masten flogen und die Nerven blank lagen. Es brauchte damals nicht viel, um sich einer gegen die Staatsgewalt gerichteten subversiven Tätigkeit verdächtig zu machen. So musste sich die Besitzerin eines historischen Ansitzes im Überetsch wegen Hissung des Hoheitszeichens eines fremden Staates verantworten, nur weil sie ihre Fensterläden traditionsgemäß hatte rot-weiß-rot streichen lassen. Ein Bauer aus der Brixner Gegend machte gar mit eis23 6635ner Kanone aus dem „Codice Rocco“, dem aus dem Jahre 1930, der Hochzeit des Faschismus, stammenden Strafgesetzbuch Bekanntschaft. Er ging an einem dem Staatsvolk heiligen Denkmal vorbei, das auch mit der Trikolore geziert war. Seiner patriotischen Gesinnung machte er in der Weise Luft, dass er ostentativ einen Wind in Richtung des staatlichen Emblems fahren ließ. Der Furz blieb nicht unbemerkt. Der das Denkmal bewachende Carabiniere brachte den Bauern in die Kaserne und sorgte dafür, dass er wegen „vilipendio della bandiera“, also wegen Schmähung der Trikolore angeklagt wurde. Einer Verurteilung konnte sich der Landwirt nur dadurch entziehen, dass er ein ärztliches Zeugnis vorlegte, das ihm chronische Blähungen attestierte, wodurch die Vorsätzlichkeit des Furzes ausgeschlossen war!
Es dauerte lange, bis der Staat im Umgang mit der Minderheit den richtigen Ton fand. Über Jahre waren Strafverfahren wegen Amtsehrenbeleidigung, also wegen „oltraggio a pubblico ufficiale“, auf der Tagesordnung. Da genügte manchmal eine Kleinigkeit und schon schossen die Uniformierten mit Kanonen auf Spatzen. In die Annalen ging ein einschlägiger Prozess vor dem damaligen Schlanderser Bezirksrichter Albert Frötscher ein. Er hatte darüber zu urteilen, ob die an einen Carabiniere gerichtete Aufforderung: “non rompermi i coglioni“, als Amtsehrenbeleidigung anzusehen war. Er entschied auf Freispruch mit der kreativen Begründung: Die italienische Sprache hätte im Laufe der Zeit eine zunehmende Verwilderung, ja Vulgarisierung erfahren, sodass der Ausdruck zwar nicht als fein, aber auch nicht als beleidigend anzusehen war. Der Oberstaatsanwalt war jedoch anderer Ansicht und focht den Freispruch erfolgreich an. In der Zwischenzeit sind zumindest die gröbsten Schmähungskanonen aus dem Strafgesetzbuch verschwunden und können so Bagatellsachen wie der eingangs beschriebene Furz wegen Geringfügigkeit und auch ohne ärztliches Zeugnis eingestellt werden.

Peter Tappeiner,
Rechtsanwalt
peter.tappeiner@dnet.it

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