„Meine Frau und ich sind Tiroler geworden“

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Leonardo Pellissetti, Jg. 1940 Auch im Ruhestand setzt er sich fast täglich an seinen Schreibtisch in der Redaktion des „Vinschgerwind“ und genießt die „Zeitungsluft“, die er jahrzehntelang eingeatmet hat. Leonardo Pellissetti, Jg. 1940 Auch im Ruhestand setzt er sich fast täglich an seinen Schreibtisch in der Redaktion des „Vinschgerwind“ und genießt die „Zeitungsluft“, die er jahrzehntelang eingeatmet hat.

Am 12. März 2020 feierte Leonardo Pellissetti seinen 80. Geburtstag. Vor 52 Jahren kam der gebürtige Friulaner mit seiner Frau, einer gebürtigen Wienerin, in den Vinschgau. Heute ist er weitum bekannt, denn er wirkte als Lehrer, als Chef des „Circolo Culturale“ und als Redakteur.

Von Magdalena Dietl Sapelza

Viele kennen den Leonardo in seiner ungeniert herzlichen Art. Er liebt das Tal, die Menschen und sein Dorf. „Ich bin in Schlanders verliebt“, betont er. „Si deve abbracciare l’ intero paese, (Man muss das ganze Dorf umarmen). Meine Frau und ich sind Tiroler geworden.“ Leonardo spricht neben Italienisch auch Deutsch, genauer gesagt den Vinschger Dialekt.
Geboren wurde er 1940 in Rovigo. Nachdem sein Vater, ein Ingenieur, zum Kriegsdienst einberufen worden war, übersiedelte seine Mutter mit ihm und seiner älteren Schwester nach Casarsa zur Tante, der Gräfin De Concina. Der Vater kehrte 1945 zurück und zog mit Frau und Kindern nach Pordenone, wo er wieder eine Stelle als Ingenieur bekam. Fünf Jahre später ging‘s zurück nach Rovigo. Inzwischen hatte Leonardo noch vier weitere Geschwister bekommen und alles schien gut. Dann starb der Vater ganz plötzlich an Herzversagen. Mutter und Kinder fanden erneut Zuflucht bei der Gräfin. Nach der Matura unterrichtete Leonardo in Azzano und begann das Fernstudium in Geschichte und Philosophie an der Universität Padua. Dieses führte ihn 1966 zum Sommerkurs der Universität nach Brixen. Dort traf er auf die fesche Wiener Lehrerin Sylvia Wessely, die einen Italienischkurs besuchte. Er lud sie zu einem Kaffee ein und verliebte sich. Er war fasziniert von der jungen Frau und von der Stadt Wien, von der sie ihm erzählte. Schon kurz darauf besuchte er sie dort. Im Juli 1968 führte er sie in der Wiener Minoritenkirche zum Altar. Das Paar bewarb sich in der Mittelschule Mals und begann dort zu unterrichten, er als Italienischlehrer, sie als Deutschlehrerin. Leonardo besuchte sofort einen Deutschkurs. „Ich habe das aus Respekt vor der Bevölkerung getan“, betont er.
1970 promovierte er und wechselte ins Realgymnasium nach Schlanders. Nachdem auch Sylvia in der dortigen Mittelschule eine Stelle als Werklehrerin bekommen hatte, zog die Familie – nach einem wohnungsmäßigen Zwischenstopp in Naturns und inzwischen mit drei Söhnen – in den Vinschger Hauptort.
Leonardo ging stets offen auf die Menschen zu und brachte sich in das gesellschaftliche Leben ein. Er trainierte die Schlanderser Jugend-Fußballmannschaften und trat dem italienischen Kulturverein „Circolo Culturale Val Venosta“ bei, dessen Präsident er 1980 wurde und heute noch ist. Er organisierte Ausstellungen, Theater-Fahrten und verwirklichte sogar Filmprojekte. Für die Verdienste im „Circolo“ wurde ihm 2007 der Titel „Cavaliere“ verliehen, was ihn sehr stolz macht. „Sogar die SVP hat das unterstützt“, freut er sich.
Jahrzehntelang war Leonardo als unübersehbarer Bezirks-Berichterstatter für die Tageszeitung „Alto Adige“ tätig und als Sportberichterstatter zuerst für die „Schlanderser Rundschau“, dann für den „Der Vinschger“ und schließlich für den „Vinschgerwind“. Die Fußballplätze waren gewissermaßen sein zweites Zuhause. In seiner oft überschwänglichen Art pflegte er Kontakte, wünschte allen „alles, alles Gute“ und geizte nicht mit Komplimenten.
Die Berichte für die lokalen Blätter schrieb er in deutscher Sprache. Da er dabei in Italienisch dachte, stellte das die Lektoren oft auf eine harte Probe. 2005 ging Leonardo als Lehrer in Pension. Nach gesundheitlichen Problemen vor zwei Jahren trat er auch als Redakteur kürzer und legte die Sportredaktion des „Vinschgerwind“ in jüngere Hände. Die Redaktion besucht er jedoch noch täglich, wenn er sich nicht gerade in seinem Weingut in Casarsa oder in Wien aufhält. Er sortiert alte Fotos, bringt Altpapier zum Recyclinghof, lädt zum Kaffee ein.
An seinem 80. Geburtstag war ihm das wegen der derzeitigen Corona Krise nicht möglich. Denn erstmals waren alle Gasthäuser geschlossen. Angestoßen wurde nur im Büro. Er bedauerte, dass es den Gratulantinnen auch nicht erlaubt war, ihn zu küssen und meinte: „E`il compleanno più triste della mia vita“ (Es ist der traurigste Geburtstag in meinem Leben).

 

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