Dienstag, 21 August 2012 00:00

Kupfer und Eis

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 rainer2Drainer1er 1923 in Vernagt, im Schnalser Tal geborene Künstler Martin Rainer ist am Montag, 13. August 2012, in Brixen verstorben. Dort, auf dem Domplatz, begegnete ihm einige Tage vorher unser Bischof Ivo Muser, hat ihn angesprochen und darauf hingewiesen, dass der geschätzte Künstler nun auf das 90. Lebensjahr zugehe. „Noch mehr aber“, antwortet der Martin, „gehe ich auf ein Himmelreich zu“.
Und dann hat er noch etwas hinzugefügt: „Es gibt keine Hölle ... der Himmel ist groß genug für alle“. Das hat mir der Pepi Tischler gesagt, den ich auch um seine Einschätzung des Künstlers befragt habe: „Der Martin war ein tief religiöser Mensch; der Kern seiner Glaubensbotschaft ist immer wieder die Auferstehung.“


So auch beim Grab des jung verstorbenen Priesters Leo Tappeiner (1944-1990)auf dem Friedhof von Göflan. Auf der Hinterseite des in Kupfer getriebenen Grabkreuzes das Letzte Abendmal mit dem Schriftband LASS UNS MIT DIR ZU TISCHE SITZEN IN DEINEM REICH und darunter die Botschaft des Priesters: VON DEM VIELEN EMPFANGENEN WEITERGEBEN- MEIN LEITGEDANKE!
Der Tod des jungen Geistlichen, der im Hochgebirge, auf der Jennwand, tödlich verunglückte, hat ihn zutiefst ergriffen. Martin Rainer gehört zu den wenigen Künstlern, die Weiterdenken in religiösen Dingen als Gotteslob hugginghoferweissempfunden haben und nicht ängstlich nach der theologischen Versicherung schielten. Er ist mit den Gestalten der Bibel so vertraut, dass er sie wie Freunde behandeln kann. Dabei befand er sich oft durch seinen Witz an der Grenze zur Ketzerei. So, wie er mit den Figuren umgeht, wie er sie darstellt, als Spielzeug manchmal ... früher hätte ihm das ernstliche Schwierigkeiten einbringen können. Der Auferstandene steigt aus der Unterwelt, aus der Erde wie eine blinde Raupe, die erst langsam zur endgültigen Gestalt findet, erst langsam sich in strahlende Schönheit verwandelt.
Aus der Erde kommt auch ein anderer Vinschger Künstler, der Jörg Hofer aus Laas; auch er hat etwas von einer Raupe, die sich dauernd befreit. Die Ausstellung auf Schloss Tirol überrascht neben den Bildern in altbewährter Technik mit neuen Papierarbeiten und mit geologischen Titeln wie „Erdrutsch“, „Erosion“, „Moräne“, „Wasser und Moose“,“Permafrost“. Das Bild „Forest“ lässt noch an einen überirdischen Wald denken; die vielen Bilder „Ohne Titel“ aber sind nur zu erklären als Sichtweisen aus einer ganz großen Distanz, zeitlich und auch räumlich. Zeitlich, weil im „Erdrutsch“ das geologische Geschehen fühlbar wird, das sich langsame Verdichten, das Sickern des Wassers, die chemischen-botanischen Prozesse, bis das ganze dann reif ist für den Erdrutsch in die Tiefe. Aber der Maler bohrt noch weiter, bis zum glühenden Magma, wo alles zu leuchten beginnt. Seine Bilder brauchen kein Zentrum, hat ein Kunstkritiker gemeint. Glühendes, Brodelndes hat ein eigenes Zentrum. Oder es will anders erfahren werden, vielleicht als Eintauchen im Wasser, im Meer. Auch aus der ahnungsvollen Tiefe ergibt sich die Sicht wie „aus dem Himmelreich“. Womit wir wieder bei Martin Rainer sind.
Ist Jörg Hofer religiös? Die Liebe zu den Elementen, zu den Farbstoffen in ihrer verschiedensten Erscheinung, das Suchen, Reiben, Mischen ... dabei gelingen ihm ahnungsvolle Botschaften aus verborgenen Welten.
Engel sind Vermittler zwischen dem Irdischen und Himmlischen, sie führen den Pinsel und lassen noch nie gehörte Akkorde entstehen. Wo der Jörg alchimistisch zaubert, hämmert der Martin, entwickelt seine Gestalten aus erdrutschKupferblech. Er beschäftigt sich immer wieder mit dem Kloster, auch mit menschlichen Nöten. In die Karthäuserzelle hat sich eine nackte Frau eingeschlichen, der erschrockene Mönch betrachtet durch eine Fensteröffnung die ungewöhnlich Szenerie. Das alles - höchst aktuell - erzählt der Martin schmunzelnd mit schimmerndem Kupfer.
Auch bei Jörg Hofer taucht plötzlich ein ganz aktueller Titel auf: Permafrost. Und dann ein Eisbild. Nicht Gefrorenes, fantastische Formen oder Gletscherhöhlen, nein: Lauerndes, eintöniges Eis mit eingeschriebenen Erdschichten. Als Geheimschrift, als Botschaft, Warnung. Ein Verkehrszeichen in die Zukunft.
Immer ist Kunst auch ein Hinabsteigen in den Schoß der Mutter Erde und Weltfrömmigkeit. Das verbindet die beiden Künstler.

Hans Wielander


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