Siegmar Alber lebt hier zusammen mit zwei Mitbrüdern in einer Missionsstation, die früher von der anglikanischen Kirche geführt wurde. Die Brüder wohnen einfach, die Häuser bestehen zum Teil aus Bambuswänden und Wellblechdächern, es gibt weder fließendes noch warmes Wasser, und auch keine Heizung. Er lebt in Einfachheit, das gehört zum Gelübde der Taizé-Gemeinschaft, genauso wie Ehelosigkeit und Gehorsamkeit. Der gebürtige Schlanderser ist heute 44 und hat die Entscheidung, der Gemeinschaft beizutreten, nie bereut.
Bruder Siegmar kam mit 16 zum ersten Mal nach Taizé, und zwar mit dem Jugenddienst Mittelvinschgau, um an den wöchentlichen Jugendtreffen teilzunehmen. Die Ausstrahlung der Brüder, ihre Authentizität, mit der sie den Glauben leb(t)en, und das Leben in der Gemeinschaft zogen ihn von Anfang an in seinen Bann. Er kehrte immer wieder zurück, zunächst als Jugendlicher, der an den Jugendtreffen teilnahm, zuletzt als freiwilliger Helfer. Zu diesem Zeitpunkt hatte Siegmar die Ausbildung als Elektrotechniker bereits beendet, hatte kurz als Elektrotechniker gearbeitet und danach Zivildienst bei „La Strada – Der Weg“ und im Jesuheim Girlan gemacht. Während des Aufenthaltes in Taizé reifte in ihm der Wunsch, zu bleiben. Er ging das Wagnis ein und wurde einer der rund hundert Brüder, die die ökumenische Gemeinschaft heute zählt - mit 23 Jahren. Taizé ist ein kleines Dorf im Herzen Frankreichs, wo Frère Roger 1949 die ökumenische Ordensgemeinschaft gegründet hat, die das Ziel der Versöhnung aller Christen lebt. Dort lebte Siegmar 14 Jahre, bis er 2007 schließlich nach Bangladesch „ausgesandt“ wurde.
Das Leben in Mymensingh war am Anfang natürlich eine große Umstellung. Die organisierte Ungerechtigkeit, aber auch der Lärm und die aggressive Stimmung belasten, bis heute. Nichtsdestotrotz empfindet es Bruder Siegmar als Privileg, mitten unter den Menschen dort zu leben. Sein Leben ist wie „ein Labyrinth an menschlichen Beziehungen“, sagt er. Dabei lächelt er ruhig vor sich hin, wie es seine Art ist, so ganz im Hier und Jetzt, bei sich angekommen. Er gibt viel und bekommt noch mehr zurück. Die Menschen dort seien nämlich reich an Freude und an Gastfreundschaft. „Uns Brüdern geht es hier nicht nur ums Tun“, erklärt Siegmar, „auch wenn es viel zu tun gibt“. Vielmehr geht es darum, gegenwärtig zu sein als kleine Gemeinschaft, um Zeugnis von Jesus Christus abzulegen und das Leben mit den Ärmsten zu teilen: Die Ordensgemeinschaft bietet einen offenen Raum für Bedürftige, so zum Beispiel ist sie Anlaufstelle für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung und unterstützt Mütter mit geistig beeinträchtigten Kindern. Jeden Tag sind Bedürftige beim Mittagessen zu Gast. Das Helfen setzt auch eine bestimmte Wachsamkeit voraus, um nicht ausgenutzt zu werden.“ Die christliche Ordensgemeinschaft von Taizé ist seit 1974 in Bangladesch tätig und hat u.a. Grundschulen aufgebaut, in denen Studenten als Lehrkräfte eingesetzt werden. In den Schulen wird mit staatlichem Lernmaterial gearbeitet, die Schulkinder sind muslimisch oder hinduistisch. Die Studenten werden von den Brüdern mit einem monatlichen Stipendium entlohnt. Bruder Siegmar hat auch ein Zentrum aufgebaut, in dem Studenten aus der Stadt den Umgang mit dem Computer erlernen. Die Gemeinschaft unterstützt viele Studenten, die als Gegenleistung Zeit zur Verfügung stellen und in den verschiedenen Projekten mithelfen. Interessant dabei ist, dass bei allen Aktivitäten immer alle Hauptreligionen vertreten sind. Diese Vielfalt wird von allen als eine große Bereicherung empfunden.
Auf die Frage, ob Siegmar immer schon gläubig gewesen sei, reagiert er mit einem Schmunzeln. Der Religionsunterricht in der Grund-, Mittel- und Berufsschule, der habe etwas in seinem Inneren berührt. Zu diesem Unterricht gehören Dekan Schönauer, Alois Oberhöller und Alfred Mair. Sie waren authentisch in dem, was sie taten. Alfred Mair, der Religionslehrer, der in der Fachschule für Elektrotechnik in Bruneck Religion unterrichtete, schaffte es, ihn regelrecht für den Glauben zu begeistern, durch sein eigenes Zeugnis und v.a. durch die Musik.
Im Oktober war Siegmar für einige Wochen in seinem Heimatdorf Schlanders. Dort hat er sich auch mit Ariff getroffen, einem jungen Flüchtling aus Bangladesch, der in Schlanders untergebracht ist. Groß war die Freude für Ariff, hier mit jemandem Bengalisch sprechen zu können und das Gefühl zu haben, verstanden zu werden.
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