„Familienpolitik vom Kind und von der Familie aus denken“

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Das Eltern-Kind-Zentrum Obervinschgau VFG (Elki Obervinschgau) gibt es erst seit 2021. Trotzdem hat der junge Verein mit ihrer Präsidentin Natalie Telser und einem engagierten Team von jungen Frauen und Müttern am Samstag, den 20. Jänner die erste Vinschger Familientagung in Mals organisiert. Dabei gab es von 10 – 17 Uhr im Oberschulzentrum Mals nicht nur Vorträge, Kurse und Workshops, sondern auch ein vielfältiges Kinderprogramm und verschiedene Infostände rund um das Thema Familie.

von Heinrich Zoderer

Es herrschte Hochbetrieb im Erdgeschoss und im ersten Stock des Oberschulzentrums in Mals. Mütter und Väter mit und ohne Kinder kamen zur ersten Familientagung im Vinschgau und informierten sich bei den 20 Infoständen mit vielfältigen Informationen und Angeboten von der s6 Christa LadurnerSchwangerschaft bis zum Tod eines Familienangehörigen. Anwesend waren das Vinschger Team „Frühe Hilfen“, die Sozialdienste der Bezirksgemeinschaft vom Bereich Kinder und Jugendliche, das Therapieteam Mals, der Gesundheitssprengel Obervinschgau, Family Support, das Vinschger Familiennest, Kinderherz als Anlaufstelle für Familien mit herzkranken Kindern. Außerdem: AEB (Aktive Eltern von Menschen mit Behinderung), Sozialgenossenschaften (Kinderfreunde Südtirol, LOLA und Tagesmütter), die Ergotherapeutin Karin Pinggera, die Logopädin Andrea Gratl, Doula im Vinschgau, Lea Stecher (Hearzig Familienbegleitung zu den Themen: Stillen, Baby- & Kleinkindschlaf sowie Beikost), sowie die Beratungsstelle Frauen gegen Gewalt. Zugegen waren auch die Gewerkschaft ASGB mit Informationen über die soziale Für- und Vorsorge, der Versicherungsexperte Peter Pinggera, die Raiffeisenkasse Obervinschgau mit Informationen über das Bausparen und über den Pensionsfond und das Bestattungsunternehmen Angelus von David Bertoldin und Nadia Gluderer. Abwechslungsreich war auch das Kinderprogramm mit Kasperletheater, Büchertisch, Kinderkino, Bewegungs-, Schmink-, Bastel-, und Spielräumen und die Schauküche mit Erwin Folie. Zwischen 10 und 17 Uhr gab es außerdem mehrere Workshops, Referate und Gesprächsrunden über Beikost, Erste Hilfe, Kleinkinderschlaf, Lernen in Bewegung, Wertschätzung und Grenzsetzung, kindliche Sexualität, Bedürfnisse von Kindern in Trennungssituationen, über emotionale Ausbrüche und Wutanfälle und über das Ehrenamt.

Was die Familie braucht
s6 Peer TrenkwalderDen Hauptvortrag zum Thema „Was Familie braucht“ hielt Christa Ladurner, die Koordinatorin der Fachstelle Familie im Forum Prävention und Sprecherin der Allianz für Familie, einem landesweiten Netzwerk von 13 Organisationen und Elterninitiativen, welche die Förderung von Familienanliegen vorantreiben und umsetzen wollen. Die Familie hat sich stark verändert und verändert sich immer mehr, meinte Ladurner. Neben der traditionellen Familie mit Vater, Mutter und Kindern, gibt es Alleinerziehende, Regenbogenfamilien und Patchworkfamilien. Die Eltern sind meist berufstätig, haben weniger Kinder, es gibt eine kulturelle Vielfalt und hohe Ansprüche an die Elternschaft. Wir leben in einer alternden Gesellschaft mit vielen Einzelhaushalten. Viele wollen keine Kinder und heiraten viel später. Italien hat neben Spanien und Malta die niedrigste Geburtenrate. Pro Frau kommen in Italien 1,25 Kinder auf die Welt, in Frankreich sind es 1,8 und in Deutschland 1,53 Kinder. Auch Südtirol verzeichnet in den letzten fünf Jahren einen Geburtenrückgang von rund 12%. Viele Kinder sind überbehütet, viele Eltern sind überfordert und nicht imstande, ihre Kinder zu erziehen. Es gibt nicht nur eine Zunahme von Trennungen und Scheidungen, sondern auch von Essstörungen, Depression und Suiziden. Das familiäre Netzwerk, das die Familie trägt und unterstützt, wird immer dünner. Großeltern arbeiten vielfach noch. In einer ASTAT Umfrage aus dem Jahre 2021 gaben 23% der Befragten an, dass sie über kein soziales Netz bei der Betreuung ihrer Kinder verfügen. Es fehlt immer noch an der gerechten Arbeitsaufteilung im Haushalt zwischen Männern und Frauen. Durch die Corona-Pandemie oder nach der Geburt eines Kindes folgt oft eine Retraditionalisierung, d.h. ein Rückfall in alte Rollenklischees. Vielen ist nicht bewusst, was diese veränderten Familiensituationen für den Arbeitsmarkt, das Sozialgefüge und die Rentenabsicherung in Zukunft bedeuten wird, meinte die Referentin. Es braucht deshalb eine verstärkte Familienpolitik, damit die sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen für Familien verbessert werden und eine Familiengründung mit Kindern keine gesellschaftlichen Nachteile nach sich zieht. Es braucht Maßnahmen zur Stärkung der Familie auf staatlicher und auf Landesebene. Es muss mehr in die Bildung und in den Auf- und Ausbau von Kinderbetreuung investiert werden. Eltern brauchen Zeit, Anerkennung, Entlastung und Unterstützung, Gemeinschaft, finanzielle Leistungen, Infrastrukturen und Dienstleistungen. Wenn sich die Rahmenbedingungen für Familien nicht ändern, werden sich Eltern und vor allem Frauen gegen Kinder entscheiden. Mit weitreichenden Folgen für die ganze Gesellschaft.

Kinder brauchen stabile Bezugspersonen und Familien brauchen Verlässlichkeit
In einem umfangreichen Positionspapier aus dem Jahre 2022 und einem Forderungskatalog zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf von 2023 hat sich die Allianz für Familie sehr detailliert über eine zukünftige Familienpolitik geäußert. Wichtig ist es das Thema aus der Sicht der Kinder und der Familien zu denken, meinte Ladurner. Kinder brauchen stabile Bezugspersonen und Familien s6 Rinner Paulmichlbrauchen Verlässlichkeit. Schule und Arbeitswelt sind die Taktgeber. Deshalb braucht es familienfreundliche Arbeitszeiten und eine Abstimmung der Zeiten der verschiedenen Bildungsstufen. Es braucht flexible Ganzjahreskindergärten, Nachmittagsbetreuung inkl. Verpflegung, Transport und Mensa. Die Kleinkindbetreuung muss flächendeckend ausgebaut und die Entlohnung der Kleinkinderbetreuerinnen erhöht werden. Es braucht eine Vernetzung von Bildungs- und Betreuungsangeboten und innovative Modelle der Nachbarschaftshilfe. Vorgeschlagen werden vollzeitnahe Teilzeitmodelle für beide Elternteile (z.B. in Form von 75%) und eine Anerkennung der Erziehungs-, Fürsorge- und Pflegezeiten. Auf staatlicher Ebene sollten steuerliche Erleichterungen für Familien durchgesetzt werden. Das Ressort Familie und Bildung soll in Südtirol zusammengeführt werden. Christa Ladurner meinte am Schluss ihrer Ausführungen, dass in den letzten Jahren viel aufgebaut wurde, viele Familien gut funktionieren, auch viele Männer und Väter sich stärker in der Familie engagieren und Eltern auch nicht perfekt sein müssen. Sie wünscht sich engagierte Eltern, eine ausgewogenere Lastenverteilung zwischen Männern und Frauen und eine Familienpolitik, die Kinder und Eltern in den Mittelpunkt stellt. Denn eine Gesellschaft mit wenigen Kindern investiert nicht in die Zukunft, sondern nur in sich selbst, so Ladurner.

 

Private und öffentliche Einrichtungen:

Forum Prävention
Alleanz für Familie
39100 Bozen
+39 0471 324 801
info@forum-p.it
www.forum-p.it

Bezirksgemeinschaft Vinschgau
Bereich Kinder und Jugendliche
0473-736700 (Schlanders)
0473-836000 (Mals)

Frühe Hilfen Team Vinschgau
0473-736700 (Schlanders)
0473-836000 (Mals)

Family support
Unterstützung nach der Geburt
im Netzwerk Elki
+39 371-1663433

Familiennest Vinschgau
Elisabeth Schweigl
+39 3501725908

Hearzig-Familienbegleitung
Lea Stecher
+39 3792598892

Frauen gegen Gewalt
Tel. 800014008

 

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