Dienstag, 21 März 2017 09:26

Karl, der Zuckbichler

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s39 4 Filmteam Karl der ZuckbichlerZuckbichl, der verfallene Hof am Vinschger Sonnenberg, oberhalb von Vetzan, war rund 20 Jahre lang, mit einigen Unterbrechungen von 1979 bis 2004, der Rückzugsort von Karl, dem Zuckbichler, wie er im Vinschgau genannt wurde. Hier hauste er in seiner „Residenz der Zuversicht“.

In der Natur fand er die Ruhe und die Stille, die er sonst nirgendwo fand und die ihm ein Gefühl von Zuversicht gab. Er war Sudetendeutscher, ein Aussteiger, ein Einzelgänger, ein Träumer und Idealist, vielleicht ein Verrückter, ein Freidenker, ein Philosoph, ein Suchender. Er machte sich viele Gedanken über Gott und die Entwicklung der Welt, suchte Kontakt mit Künstlern, Wirtschaftstreibenden, Politikern und Bankern. Er suchte nach einer Lösung, um die Gegensätze in der Welt zu überwinden. Dabei entwickelte er seine eigene Weltformel: „Ich mag dich, du magst mich und die Welt hält zusammen“. Karl war ein besonderer Mensch: er verließ die Familie, seine Frau und seinen Sohn und wanderte herum wie ein Landstreicher. Er lebte in seiner eigenen Welt, schrieb seine Gedanken auf Steine und Holzstücke. Oft waren es Sätze, weit weg von der Realität. Er war mit wenig zufrieden und führte ein einfaches Leben. Peter Tscholl aus Latsch hat ihn oft auf Zuckbichl besucht und mit ihm viele Gespräche geführt. Enge Kontakte hatte Karl auch mit Annemarie Hell und s38 1 ZuckbichlBellino Massiero aus Schlanders. Sie haben ihn noch kurz vor seinem Tod im Jahre 2005 im Spital in Karlsruhe besucht. Jahre nach seinem Tod ist die Idee entstanden, einen Film über Karl zu machen, um seine Gedanken und seine Träume festzuhalten. Josef Gufler aus Vetzan und Alfred Habicher aus Schlanders, beide seit Jahren begeisterte Hobbyfilmer beim Amateurfilmer Verein Vinschgau, haben die Idee aufgegriffen und umgesetzt. Bellino Massiero, der mit seinem weißen Bart und den weißen Haaren eine bestimmte Ähnlichkeit mit Karl hat, spielte an den Orten, wo Karl gelebt hat, diesen nach. Im Film kommt Karl mit einem Schubkarren durch unser Tal. Er ist auf dem Weg von Rom nach Bayern. Weil der Lärm und Gestank der Straße ihm zu viel wurde, wollte er nicht mehr weiter und sah sich hier nach einer Bleibe um. Ein Bauer hatte ihm mehrere Adressen von aufgelassenen Höfen gegeben, wo er bleiben könnte. So landete er auf Zuckbichl. Das Filmprojekt zog sich über vier Jahre hin. Zu verschiedenen Jahreszeiten wurde auf Zuckbichl, aber auch in Vetzan und in Schlanders gefilmt. Peter Tscholl verfasste die Texte zum Film. Zum s38 2 BehausungSchluss gelang es, den vielseitigen Volksmusikanten Gernot Niederfriniger für das Projekt zu gewinnen. Mit verschiedenen Instrumenten hat er dem Ganzen eine klangliche Seele gegeben. Entstanden ist eine meditative Musik mit vielen Improvisationen auf verschiedenen Instrumenten: Hackbrett, Zither, Schwegl, Raffele und Harfe. Die schönen Naturaufnahmen, die tiefsinnigen Texte und die sanfte Musik machen den Film zu etwas Besonderem. Trotzdem bleibt Karl, der Zuckbichler, ein Rätsel. Er suchte den Dialog, aber es ist ihm nicht gelungen, richtigen Kontakt herzustellen. Viele Menschen haben Karl trotz seiner ruhigen und unerschütterlichen Art als ruhelosen Menschen erlebt, so heißt es am Ende des Films. Bei der ersten Vorführung des 46 Minuten langen Film in der Bibliothek Schlandersburg am 20. Jänner, waren nicht nur viele Menschen aus Schlanders anwesend, die Karl kannten, sondern auch seine Frau s39 3 MauerresteHannelore und sein Sohn Erik. Am Freitag, den 10. Februar gab es die Filmpremiere im Bürgersaal von Vetzan. Der Andrang war so groß, dass der Film zwei Mal gezeigt werden musste. Am 15. März wurde der Film in Mals vorgeführt. Und am Sonntag, den 26. März gibt es eine weitere Vorführung um 16 Uhr im Kulturhaus von Schlanders.
Heinrich Zoderer

Neue Filmvorführung im Kulturhaus von Schlanders
Karl – der Zuckbichler
Momentaufnahmen aus dem Leben eines Freidenkers
ein Film von Josef Gufler und Alfred Habicher
mit Texten von Peter Tscholl und Filmmusik von Gernot Niederfriniger
am Sonntag, den 26. März 2017 um 16.00 Uhr

Originalzitate aus dem Film:
Karl, der Zuckbichler, hatte nicht viel. Er wollte auch nicht viel und brauchte nicht viel. Karl war ein besonderer Mensch: er verließ die Familie und lebte wie ein Landstreicher. Er war Einsiedler, Einzelgänger, Philosoph, Idealist, Rufer in der Wüste, Freidenker, ein Gescheiterter, ein Suchender, vielleicht ein Verrückter. Oft schien er wie Diogenes, der in einer Tonne lebte und mit der Laterne am helllichten Tag nach Menschen suchte.

Karl stammte aus Nordböhmen und ist in der ehemaligen Tschechoslowakei aufgewachsen. Er ging in den Westen und wollte dort mit vielen Persönlichkeiten Kontakt aufnehmen. Er traf Vaclav Havel, den Präsidenten von Tschechien und wollte mit der Königin von Holland sprechen. Nach Rom ging er, weil er einen Wirtschaftsmann treffen wollte. Er traf ihn und sprach rund 10 Minuten mit ihm, doch gebracht hat das Treffen am Ende nicht viel. Auf dem Rückweg kam er in den Vinschgau und landete auf Zuckbichl, einen aufgelassenen, zerfallenen Hof, einen einsamen Ort am Vinschger Sonnenberg.

Für Karl war Zuckbichl seine „Residenz der Zuversicht.“ „Ich fühle mich hier wohl. Es ist für mich nichts Abnormales, es ist etwas ganz Natürliches, hier zu wohnen. Ich fühle mich magisch angezogen von alten Gemäuern. Im Tal, in einer neuen Wohnung mit neuen Möbeln würde ich mich nicht wohl fühlen.“ Das sagte Karl. Allerdings fügte er hinzu: „Es ist aber nicht immer so leicht, wie man es sich anfangs vielleicht vorgestellt hat.“

Für viele war Karl da oben auf Zuckbichl auf der Suche nach dem eigenen Ich. Dazu meinte er folgendes: „Nein, ich habe aufgehört zu suchen. Das Leben lässt sich nicht vom Verstand her finden. Das Leben lässt sich bloß leben und das hat viel mit Bewusstsein zu tun. Wenn ich sage: ICH BIN, dann brauche ich nichts hinterfragen, da kommt nix. Man braucht nicht alles bewerten. Es ist wie es ist.“  

Karl lebte auf Zuckbichl einfach und bescheiden. Im Winter zog er nach Deutschland, aber drei Winter blieb er auch in seiner Behausung auf Zuckbichl. Manchmal stieg er ab ins Tal, besuchte Bekannte in Vetzan und Schlanders, machte Einkäufe, öfters suchte er auch die Bibliothek Schlandersburg auf.

Beim Gespräche mit Karl kam er oft ins Philosophieren: „Das Leid ist ein Teil des Lebens. Sich vorstellen, ich mach mir ein schönes Leben, das ist ein Trugschluss. Wenn ich die leidige Seite ausschließe, schließe ich auch die Freudige aus“

 „Geld soll dem Leben dienen und nicht das Leben dem Geld“, dies war einer seiner zentralen Gedanken. „Die Kirche verlangt von den Leuten, dass sie glauben. Der Glaube aber kann nicht von außen kommen. Es muss gelingen, die Menschen so lange alleine zu lassen, dass sie lernen selber zu glauben. Es gibt kein Leben aus zweiter Hand, ich muss selber am Göttlichen beteiligt sein. Das Göttliche kommt nicht, es ist da. Und je nach unseren Möglichkeiten, liegt es an uns sich dessen bewusst zu werden.“

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