Nach dem Autonomie-Gedenktag "30 Jahre Streitbeilegung" zieht LH Kompatscher Bilanz: "Die Minister und die UNO haben die Sonderstellung ebenso wie den Handlungsbedarf wahrgenommen und bestätigt."
Zur Gedenkveranstaltung anlässlich des 30. Jahrestags der Streitbeilegungserklärung zwischen Österreich und Italien vor den Vereinten Nationen zieht Landeshauptmann Arno Kompatscher eine positive Bilanz. "Es ist uns gelungen, das Bewusstsein für die Autonomie des Landes Südtirol zu schärfen", sagte der Landeshauptmann am heutigen Dienstag (14. Juni) in der Pressekonferenz nach der Sitzung der Landesregierung: "Sowohl Italien
und Österreich mit den Außenministern Luigi Di Maio und Alexander Schallenberg als auch die UNO mit Michelle Bachelet und Fernand de Varennes haben zum einen die Sonderstellung bestätigt, die Südtirols Autonomie einnimmt: Diese gilt nicht nur in Italien, sondern in Europa und weltweit als Friedensmodell. Zum anderen wurde anerkannt, dass weiterhin Handlungsbedarfbesteht, um die Autonomie als Instrument für den Schutz der Minderheiten und das friedliche Zusammenleben mehrerer Bevölkerungsgruppen aufrecht zu erhalten und weiter zu entwickeln."
Südtirols Geschichte habe gelehrt, dass es stets aufs Neue wichtig sei, dieses Bewusstsein bei den Partnern in Italien, Österreich und den Vereinten Nationen, aber auch in der Südtiroler Bevölkerung herzustellen: "Das ist uns gelungen", sagte Kompatscher und zeigte sich zuversichtlich, "dass wir damit eine vertrauensvolle Grundlage geschaffen haben, um die notwenigen bevorstehenden Verhandlungen für ein Nachjustieren auf politischer Ebene in Rom erfolgreich führen zu können". Vor allem nach der Verfassungsreform des Jahres 2001 hatte das Verfassungsgericht immer wieder Urteile gefällt, mit denen die autonome Zuständigkeit des Landes Südtirol in vielen Bereichen eingeschränkt wird. Dies gelte, sagte Kompatscher, zu beheben, zumal die Verfassungsreform
selbst in Artikel 10 vorsehe, dass die Statute der Regionen mit Sonderautonomie anzupassen seien.
Der Landeshauptmann verwies auch auf die Bedeutung der Medien: "Nur durch das Interesse und die Berichterstattung der Medien ist es möglich, eine kritisch-konstruktive Auseinandersetzung mit unserer Autonomie in die Öffentlichkeit hinaus zu tragen."
gst
Vor mittlerweile fast 18 Jahren erfuhr die Zusatzvorsorge eine grundlegende Reform. Damals wurde bei der Sparform für den Aufbau einer Zusatzrente die Gleichstellung der verschiedenen Sparformen für den Aufbau einer Zusatzrente festgelegt. Weiters wurde geregelt, dass für die geschlossenen Zusatzrentenfonds der öffentlich Bediensteten weiterhin die Bestimmungen aus dem Jahr 1993 gelten. „Mit dieser Ungleichbehandlung soll nun bald Schluss sein, denn heute (15.6.2022) hat der Regionalrat einen entsprechenden Begehrensantrag einstimmig angenommen“, teilt der Abgeordnete und Erstunterzeichner des Begehrensantrags Helmuth Renzler im Anschluss an die Abstimmung mit.
Bis heute ergibt sich für öffentlich Bedienstete die absurde Situation, dass für sie, je nachdem, in welcher Sparform sie für ihre Zusatzrente sparen, unterschiedliche gesetzliche Bestimmungen gelten. Also besteht hier bis heute eine Ungleichbehandlung, die nun bald ausgeräumt sein sollte.
„Das Parlament wird jetzt nämlich aufgefordert, sicherzustellen, dass schnellstmöglich eine Regelung gefunden wird, die zukünftig keinen Unterschied mehr zwischen öffentlich Bediensteten und Privatangestellten macht und dass bei der steuerlichen Abziehbarkeit der Beträge, der Besteuerung der Auszahlungen, der Vorschüsse, dem Ableben vor der Pensionierung und der Abfertigung, die in den Fonds fließt, dem Beitragszahler unabhängig von seinem Arbeitsverhältnis dieselben Möglichkeiten geboten werden“, erläutert der Abgeordnete Helmuth Renzler, der den Begehrensantrag im Mai 2021 gemeinsam mit den SVP- Abgeordneten Magdalena Amhof, Waltraud Deeg, Franz Locher und Manfred Vallazza eingereicht hat.
Antrag wird ans Parlament weitergeleitet
Trotz jahrelanger Bemühungen auf verschiedenen Ebenen ist die gesetzliche Ungleichbehandlung der öffentlich Bediensteten, falls sie sich in geschlossenen Fonds eine Zusatzrente aufbauen, bis heute nur teilweise behoben. Mit der Annahme des Begehrensantrags dürfte dieser Ungleichbehandlung in Kürze ein Riegel vorgeschoben werden. Der staatliche Gesetzgeber muss nun nämlich eine Regelung finden, damit zukünftig kein Unterschied mehr zwischen Angestellten der öffentlichen Verwaltungen und Privatangestellten gemacht wird.
„Jetzt bleibt zu hoffen, dass dieser Antrag den schnellsten Weg ins römische Parlament findet und dort prioritär bearbeitet wird, damit alle Einzahler eines Zusatzrentenfonds zukünftig dieselben Möglichkeiten und Ansprüche haben“, unterstreicht Helmuth Renzler, der zusichert, sich in Rom regelmäßig über den Stand der Arbeiten zu informieren.
Auf den Abbau der Wartezeiten zielen die Kriterien zur Organisation der Zweisprachigkeitsprüfung, der einsprachigen Prüfung und der Ladinischprüfung ab, denen die Landesregierung zugestimmt hat.
Seit dem Jahr 1977 werden in Südtirol im Sinne des Autonomiestatuts Zweisprachigkeitsprüfungen abgehalten, welche die Kenntnis der deutschen und der italienischen Sprache bescheinigen. Eine bestandene Zweisprachigkeitsprüfung ist Voraussetzung für den Eintritt in den öffentlichen Dienst in Südtirol. Da sich im Zusammenhang mit den coronabedingten Sicherheitsmaßnahmen die Wartezeiten für die Prüfungen erheblich verlängert haben, hat die Landesregierung heute (14. Juni) organisatorische Neuerungen beschlossen, um diese Wartezeiten abzubauen.
"Diese Neuerungen betreffen die Anmeldung zur Prüfung, die Prüfungsdauer und die Pflicht zur Abmeldung", fasste Landeshauptmann Arno Kompatscher die Inhalte zusammen. Der heutige Landesregierungsbeschluss ermächtigt den Landeshauptmann dazu, das notwendige Einvernehmen mit dem Regierungskommissär zu unterzeichnen.
Abwesenheiten, Verschiebungen und Vorverlegungen
Neu eingeführt wird die Pflicht, eine Abwesenheit am Prüfungstag rechtzeitig mitzuteilen. Die Absage ist mindestens drei Arbeitstage vor dem Prüfungsdatum vorzunehmen, eine Ausnahme stellen lediglich belegbare Gründe (z. B. Krankheit mit vorzuweisender Krankenbescheinigung) dar. Sollte eine Abwesenheit nicht drei Tage vor dem Prüfungsdatum mitgeteilt worden sein, so gilt dies als Ausschlussgrund für die darauffolgenden sechs Monate. Dies bedeutet, dass die Kandidatin oder der Kandidat sich in diesem Zeitraum weder zu einer der Prüfungen anmelden, noch um Vorverlegung eines Prüfungsdatums ansuchen kann. Der Prüfungstermin kann nur ein einziges Mal verschoben werden und auch das nur mit einem Vorlauf von drei Arbeitstagen.
Um allen Eingeschriebenen die gleichen Möglichkeiten zu gewähren, die Prüfung abzulegen und gleichzeitig den Wartezeiten entgegen zu wirken, wird der Prozentsatz an Kandidatinnen und Kandidaten, die an einem Wettbewerb teilnehmen möchten und daher um Vorverlegung ihres Prüfungsdatums angesucht haben, auf 30 Prozent begrenzt.
Neues im Prüfungsablauf
Die einsprachige Prüfung findet nicht mehr in gemischtsprachigen Gruppen statt, sondern wird nach Sprachen getrennt abgehalten. Aus diesem Grund arbeiten nur mehr zwei anstelle der bisher vier Kommissarinnen oder Kommissare in den Kommissionen der einsprachigen Prüfung.
Um den Ablauf der Prüfung zu optimieren, wird auch die Dauer der einzelnen Prüfungsteile sowohl der Zweisprachigkeitsprüfung als auch der einsprachigen Prüfung angepasst. Die Dauer der schriftlichen Prüfung inklusive Textverständnis für das Niveau A2 wird von 75 auf 60 Minuten verkürzt, für das Niveau B1 von 105 auf 90 Minuten. Was das Hörverständnis angeht, so wird der Test künftig cornabedingt nicht mehr mit Kopfhörern abgewickelt, sondern über Lautsprecher.
Eine weitere Neuerung betrifft die Unterstreichungen auf den Arbeitsblättern: Diese stellen nun keinen Annullierungsgrund mehr dar.
jw
Vinschgau - „MeWo - Mehr als Wohnen Vinschgau“ - mit diesem Projekttitel starten die Sozialdienste in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau ein ESF-Projekt. Der Titel ist ein Euphemismus - denn es geht um Wohnungssuche für und um Begleitung von Schutzbedürftigen - von Flüchtlingen, Migrant:innen, von Obdachlosen und von „Arbeitssklaven“.
von Erwin Bernhart
Rund 150 Leute suchen im Vinschgau eine Wohnung. Pro Woche wenden sich im Schnitt zwei Obdachlose oder Wohnungssuchende hilfesuchend an die Sozialdienste im Vinschgau. Der soziale Hintergrund der Wohnungssuchenden ist unterschiedlich: Flüchtlinge, vor allem Familien und Einzelpersonen, die die bisherigen Unterkünfte des staatlich unterstützen CAS verlassen müssen. Oder ukrainische Flüchtlinge - Frauen, auch mit Kindern. Einheimische Obdachlose oder - und das ist ein neues Phänomen, Leute, die eine befristete und damit prekäre Anstellung in Vinschger Industriebetrieben vorweisen können und auf Wohnungssuche sind.
Die Gemengelage auf dem winzigen Wohnungsmarkt im Vinschgau ist vor allem eine soziale Frage. Denn betroffen sind Menschen, die kulturell und sprachlich entwurzelt und in einer ökonomisch prekärsten Situation sind.
Wären da nicht beherzte Vinschger:innen, die den Flüchtlingen und den Migrant:innen mit Nachbarschaftshilfe den einen oder anderen Dienst erweisen, die Situation wäre wohl noch viel dramatischer.
Die Dramatik der Wohnungsnot und auch die Schwierigkeiten in der Bewegungsfreiheit, die für Einheimische selbstverständlich sind - etwa ein Arztbesuch, ein Einkauf, ein Besorgen von Medikamenten und vieles mehr - machen die Sozialdienste Vinschgau nun sichtbar.
Alarmiert
Die Sozialdienste sind alarmiert. Die gehäuften Anfragen nach Hilfe und Wohnung haben dazu geführt, dass die Überlegungen gereift sind, die Dienste, die Betreuung, die Hilfestellungen bündeln zu wollen. Die Dienste professioneller anbieten zu können. Dass dies ohne finanzielle Absicherung nicht zu stemmen ist, ist selbstredend.
Die Sozialdienste in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau unter der Direktorin Karin Tschurtschenthaler haben ein Projekt entwickelt und beim Europäischen Sozialfonds (ESF) um Finanzierung angesucht. Für das Durchkämpfen durch den bürokratischen Dschungel hat man sich Hilfe bei der in ESF-Fragen erfahrenen Genossenschaft GRW - Genossenschaft für Regionalentwicklung und Weiterbildung Sarntal - bei Josef Günther Mair geholt.
Im Rahmen einer Pressekonferenz wurde das Projekt kürzlich in der Bezirksgemeinschaft Vinschgau vorgestellt. Projektleiterin ist Barbara Wopfner. Mit im Boot ist die Caritas Südtirol, vertreten von Leonhard Voltmer und das Monitoring des Projektes „MeWo“ übernimmt Johanna Mitterhofer von der EURAC.
Das Projekt „Mehr als Wohnen Vinschgau“ hat in der ESF-Bewertung sehr gut abgeschnitten und ist im Ranking der in Südtirol eingereichten ESF-Projekte auf dem 2. Platz. Das zeigt, dass die Ideen, die Zielsetzungen und die fachlichen Begleitungen gut ausgearbeitet und stimmig sind. So etwas wie Vorschusslorbeeren vom Europäischen Sozialfonds.
Mit 440.000 Euro und für ein Jahr ist das Projekt genehmigt und man ist gestartet.
Die Projektträger sprechen von einer „innovativen Sozialarbeit“.
Barbara Wopfner sagt, dass es darum gehe, Fragen wie „Wie suche ich eine Wohnung“, „Wie führe ich einen Haushalt“, „Was muss ich bei einer Mietwohnung berücksichtigen“, „Wie ist das Verhalten in einem Kondominium“ und viele, viele Fragen mehr zu beantworten. Der Hauptbereich werde also im Sprachenerwerb, im Beratungsdienst und im Begleitdienst liegen, Begleitung und Beratung bei Fragen um die Schule, um die Gesundheitsversorgung, um Sprachübersetzungen bei Ämtern. Angeboten werden auch Rechtsberatungen, psychologische Betreuung, sprachliche Weiterbildungen, Haushaltskurse. Hinzu kommen Arbeitssicherheitskurse, Arbeitstechnik, um Leute in die Lage versetzen zu können, auch eine entsprechende Arbeit annehmen zu können. Letzteres gilt vor allem auch für Flüchtlinge aus der Ukraine. Hilfestellungen beim Schreiben von Lebensläufen, Vorbereitungen auf Vorstellungsgespräche, Wohnungssuche, das Hinweisen auf die Eigenarten der lokalen Kultur, Rechte und Pflichten... Es geht um soziale Integration auf der einen und um Arbeitsintegration auf der anderen Seite. Und es geht um das Grundrecht auf Wohnen.
Herkulesaufgabe
Eine Herkulesaufgabe. Vor allem vor dem Hintergrund, dass sich eine Wohnungssuche als äußerst schwierig gestaltet. Das ist den Projektbetreibern durchaus bewusst und entsprechende Erfahrungen liegen längst vor. „Die Scheu der Wohnungsbesitzer ist groß, eine Wohnung an Leute mit fremder Hautfarbe, mit fremder Sprache, mit fremder Kultur zu vermieten“, sagt Karin Tschurtschenthaler. Auch schlechte Erfahrungen spielen eine Rolle. Dies werde respektiert und da sei es gut, wenn öffentliche Einrichtungen mitbegleiten. Vorgesehen ist, dass mit der Betreuung der Klienten, also der Hilfe- und Wohnungssuchenden, gleichzeitig eine Betreuung der Wohnungsbesitzer einhergeht. Die Wohnungsvermieter werden also nicht allein gelassen. Das dürfte ein entscheidender Punkt sein. „Es ist ein Glücksmoment, wenn private Wohnungsbesitzer einen Mietvertrag mit Schutzbedürftigen machen“, sagt Wopfner.
Wenn etwa die Anmietung einer Wohnung von der Caritas getätigt wird, wenn dies der betreffende Mieter aus verschiedenen Gründen nicht schafft, könnte die Hemmschwelle von Seiten der Wohnungsbesitzer überwunden werden. Auch ein solches Modell ist vorstellbar, sogar schon in Einzelfällen verwirklicht.
„Wir bringen viel Erfahrung in diesem Bereich mit“, sagt Leonhard Voltmer von der Caritas. Mit einer starken Finanzierung, wie es dieses ESF-Projekt sei, und mit der Zusammenarbeit mit Privaten sei dies eine innovative Sozialarbeit. „Wir haben direkten Kontakt mit allen Akteuren, vor allem mit den schutzbedürftigen Personen.“ Gut sei das Monitoring, das Begleiten von der Eurac.
Johanna Mitterhofer von der Eurac sagt, dass in Gesprächen mit allen Akteuren gezeigt werden könne, was gut funktioniere und dass man bei Bedarf die Zielsetzungen anpassen könne. Man werde Indikatoren entwickeln, um Erfolge der einzelnen Schritte messen zu können.
Tatsächlich muss jeder Schritt, jede Beratung, jeder Ämtergang mit Klienten genauestens dokumentiert werden. Das sagt Josef Günther Mair vom GRW Sarntal. Die Genossenschaft für Regionalentwicklung und Weiterbildung (ähnlich dem GWR in Spondinig), ist seit 2017 ESF akkreditiert und hat seither viel Erfahrung im Dickicht des ESF sammeln können. Mut, Risiko, Courage und Kompetenz gehören dazu, ein solches Projekt anzugehen, sagt Mair. Mit Beratungstätigkeiten, dem Organisieren von Dozenten und Orientierung gebend begleitet Mair das Vinschger Projekt. Man wolle damit ein stückweit raus aus dem Ehrenamt, die Beratungen materiell honorieren. Als Regionalentwickler sei es seine Aufgabe, mögliche EU-Gelder zu aktivieren.
Innovative Sozialarbeit
Für die 440.000 Euro wolle man 5 Vollzeitäquivalente schaffen und punktuell Mitarbeiter:innen mit Honorarnoten bezahlen. Eine Weiterührung des Projektes ist nicht ausgeschlossen. „Wir haben motivierte Mitarbeiter:innen“, sagt Karin Tschurtschenthaler. Man wolle die Problematik professionell angehen und damit auch öffentlich machen.
Denn an Wohnungen mangelt es im Vinschgau eigentlich nicht. In jeder Gemeinde gibt es ein Register, in dem alle konventionierten Wohnungen aufscheinen. Dieses Register ist jedes halbe Jahr von den Gemeinden zu aktualisieren. In diesem Register ist genau bezeichnet, welche Wohnungen besetzt sind und welche Wohnungen frei sind.
Allerdings sind diese konventionierten Wohnungen großteils weder für Einheimische und schon gar nicht für Schutz suchende Flüchtlinge zugänglich. Auch Wohnungen des Wohnbauinstitutes sind wegen der Ansässigkeitsklausel von 5 Jahren für Migranten kaum zugänglich. Ein Dilemma.
Ein neues Phänomen hält Einzug. Auch im Vinschgau. Und dieses bekommen die Sozialdienste bei Anfragen von Wohnungssuchenden unmittelbar mit. Es sind Arbeitsmigranten, aus dem italienischen Raum und darüber hinaus, die oftmals von Leihfirmen an die im Tal ansässigen Industriebetriebe vermittelt werden. Viele Betriebe suchen händeringend nach Arbeitskräften und kaufen diese am Arbeitsmarkt ein. Es werden Arbeitsmigranten in der Früh von Meran in die Betriebe und am Abend wieder retour nach Meran gebracht. „Arbeitskräfte sind willkommen, aber Wohnungen?“ bringt es Karin Tschurtschenthaler auf den Punkt.
Problematik ist allen bewusst
Tatsächlich habe man sich mit den großen Industriebetrieben Hoppe und Recla bereits an einen Tisch gesetzt. Die Problematik ist allen bewusst. Eine Lösung ist nicht in Sicht. In Meran und in Bozen gibt es Arbeiterheime. In Meran, so sagt es Barbara Wopfner, gebe es eine Wartezeit von 18 Monaten. Im Vinschgau gibt es (noch) kein Arbeiterheim. Während die Landwirtschaft per Gesetzt verpflichtet ist, für Zupfer und Klauber Wohnmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen, während für die Tourismusbetriebe Ähnliches für ihre Angestellten gilt, gilt das für Industrie und Handwerk nicht. Vorstellbar ist es, dass sich der Arbeitsmarkt in Richtung Arbeitsmigration entwickeln wird. Auch im Vinschgau. Denn in den Ballungszentren Bozen und Meran ist Arbeitsmigration gang und gäbe.
Das Projekt „Mehr als Wohnen im Vinschgau“ macht demnach mehrere Ebenen auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt sichtbar und lässt wohl durch einen Spalt in die Zukunft blicken.
Naturns - Waren die Schritte hin zu einer Neugestaltung des Burggräflerplatzes in Naturns noch von Konsens getragen, gibt es über die jüngste Vorgangsweise Dissens. Zur Erinnerung: Unter der Schirmherrschaft des Bildungsausschusses Naturns und in Begleitung einer Arbeitsgruppe haben Student:innen der Uni Bozen in Umfragen Anregungen gesammelt und daraus eine „Manuale“ erarbeitet, welches als Grundlage einer Umgestaltungsplanung dienen sollte. Der Gemeindeausschuss hat die Architekten Zeno Bampi, Jürgen Wallnöfer und Hubert Schlögl eingeladen, das „Manuale“ grob skizziert und bepreist umzusetzen. Wallnöfer und Schlögl haben ihre Vorstellungen abgegeben und diese zwei Vorlagen sind in der Arbeitsgruppe unter dem Vorsitz von VizeBM Michl Ganthaler besprochen worden. Ab da beginnt der Dissens in Naturns. Denn ein Teil der Mitglieder der Arbeitsgruppe, nämlich Walli Alber, Erich Kofler Fuchsberg, Hartmann Raffeiner und Peter Erlacher haben in einer schriftlichen Stellungnahme an den Gemeindeausschuss und an den Gemeinderat auf die großen Unterschiede der beiden Projekte hingewiesen und sie sind zum Schluss gekommen, dass der Entwurf von Hubert Schlögl „kaum innovative Aspekte“ zeige (...) und „ignoriert den Großteil der Inhalte des „Manuale“, die als Basis der Umgestaltung in langer Vorarbeit bestimmt wurden...“ Wallnöfer hingegen gehe auf die Inhalte des Leitfadens ein...
Der Gemeindeausschuss hat sich, ohne dieses Gutachten der Arbeitsgruppe abzuwarten, für das Projekt von Hubert Schlögl entschieden und am 8. Juni zu einem „Abend der Arbeitsgruppen“ geladen. Alber, Raffeiner, Kofler Fuchsberg und Erlacher haben ihre Nichtteilnahme in einem geharnischten Brief verfasst: „(...) Wir sehen die Vorgangsweise der Gemeindevertreter daher als Geringschätzung und Marginalisierung unserer Arbeit wie auch jener der Studenten der Freien Universität Bozen und auch der Vereine und Bürger , welche am Leitfaden mitgearbeitet haben. Unter diesen Umständen können wir uns keine konstruktive Mitarbeit mehr vorstellen.“
BM Zeno Christanell sieht die Sache ganz anders. Zu 80 % hätten sich die beiden Projekte gedeckt und nur zu 20 % voneinander unterschieden. Es gehe um Ideen und nicht um Personen. Schlögl berücksichtige eben mehr Elemente. Hubert Schlögl bekomme, so habe es der Gemeindeausschuss einstimmig entschieden, einen vertiefenden Folgeauftrag. Das Projekt wird wohl erst bei der Haushaltserstellung im Gemeinderat öffentlich diskutiert werden. (eb)
Karthaus/Schnals - Wenn, dann halten die Schnalser zusammen. Es bildet sich in Schnals eine breite Front des Widerstandes gegen einen geplanten Steinbruch. Der Prader Unternehmer Klaus Mair hatte beim Land um die Eröffnung eines Steinbruches „Sellwand“ angesucht. Nahe der Ortschaft Karthaus am Eingang zum Pfossental möchte die Firma von Klaus Mair für 10 Jahre insgesamt rund 165.000 Kubikmeter Steine abtransportieren.
Der Steinbruch wurde zum Thema im SVP-Ortsausschuss von Karthaus mit dem neuen SVP-Ortsobmann Paul Schwienbacher. Schwienbacher hat dann Klärungen und Informationen bei der Bürgerversammlung in Anwesenheit von LH Arno Kompatscher gefordert.
Damit kam ein Stein ins Rollen, denn die Schnalser haben vom Ansinnen eines Steinbruches nichts gewusst. BM Karl Josef Rainer musste zugeben, dass von Seiten der Gemeinde keine Einwände gegen den Steinbruch vorgebracht worden sein, weil der Grundeigentümer mit dem Bruch einverstanden war, weil die Gutachten der jeweiligen Ämter alle positiv waren.
BM Karl Josef Rainer hatte offenbar kein politisches Gespür für das „Silentium“, welches gerade für das Klosterdorf Karthaus in den vergangenen Jahren eingeführt, gepflegt und mittlerweile zum Markenzeichen geworden ist: Die Ruhe ist es, die die Leute, die Gäste nach Karthaus lockt. Schwienbacher hatte eine Steinlawine losgelöst, die Stellungnahmen bei der Bürgerversammlung waren teils heftig. Der in Karthaus lebende und bekannte Glaziologe Georg Kaser bat den LH, den Steinbruch nicht zu genehmigen. Es war LH Kompatscher, der die Schnalser auf die Eingabefristen aufmerksam gemacht hat: Eingaben, Beschwerden und Stellungnahme seien innerhalb von 45 Tagen möglich.
Diese Tage nutzen derzeit die Schnalser auf allen Ebenen. Der SVP-Ortsuasschuss Karthaus kann auf die Unterstützung in der Mobilmachung gegen den Steinbruch auf die SVP-Ortsausschüsse Katharinaberg und Unser Frau zählen. In der Front gegen den Steinbruch finden sich der Tourismusverein und der HGV Schnals, der AVS ist alarmiert, der Kulturverein Schnals. Bereits gestartet ist eine Petition, also eine Unterschriftensammlung gegen den Steinbruch.
Schwienbacher sagt, dass man alle Argumente gegen den Steinbruch sammeln werde. Einige davon: Die Ruhe in Schnals sei dahin, das Markenzeichen „Silentium“ auf 10 Jahre ad absurdum geführt, die LKW-Belastung werde enorm, man schätzt knapp 2000 LKW pro Jahr, zusammengepresst auf die Sommermonate. Man habe sich in den vergangenen Jahren bemüht, die Schnalser Straße durch Galerien und Steinschlagnetze sicherer zu machen und durch Vibrationen werde diese Sicherheit mit Sicherheit beeinträchtigt. Einen Gefahrenzonenplan an sich gebe es noch nicht in Schnals.
Die Bevölkerung in Schnals ist jedenfalls aufgebracht und wird sich wohl vereint zu wehren wissen. Die Entscheidung für oder gegen die Genehmigung des Steinbruchs liegt bei der Landesregierung. (eb)
Latsch - Mit drei Anfragen scheuchte Sepp Kofler von der Liste Mitanond-Insieme den Gemeindeausschuss und den Gemeinderat auf und zwang das Latscher Gemeindeparlament zum Nachdenken. BM Mauro Dalla Barba ließ die Diskussion zu.
von Erwin Bernhart
Sepp Kofler sticht ins Wespennest. Ob eine formelle Plattform zwischen Gemeindeärzten und Gemeinde bestehe und wie sich der Gemeindeausschuss die Zukunft der Haus- und Kinderärzte in Latsch vorstelle, wollte Kofler in einer ersten Anfrage wissen. Die zuständige Sozialreferentin Gerda Gunsch musste ersteres verneinen, es gebe keine formelle Plattform. Die Gemeinde müsse den Ärzten die Ambulatorien unentgeltlich zur Verfügung stellen. Es gebe engagierte Ärzte in Latsch, aber die Bürger wünschten organisatorische Verbesserungen. Deshalb strebe die Gemeindeverwaltung eine konstruktive Zusammenarbeit an. Man wollte zuerst die Bürgerversammlungen hinter sich lassen, um mit den Ärzten einen Termin vereinbaren zu können. Die Aufrechterhaltung des Kinderarztdienstes nach der Pensionierung von Walter Tscholl habe der Sanitätsbetrieb zugesichert. Kofler, der sagte, dass er sich als Kummerkasten für die Bürger vorkomme, bedankte sich öffentlich bei den Ärzten für die erbrachten Leistungen. Er wolle, dass über die Probleme diskutiert werde.
Mit einer nächsten Interpellation stieß er dann eine rege Diskussion im Gemeinderat an. Kofler warf das Problem des Konfliktes zwischen Mountainbikern und Fußgängern auf, Haftungsfragen, Beschilderungen, Trends. Denn mit den E-Bikes dürfte sich die Problematik verschärfen. VizeBM Christian Stricker verwies in seiner schriftlichen Beantwortung auf die eigene und vor mehr als 10 Jahren für Südtirol wegweisende Beschilderung. Man habe keine Zählungen der Biker zur Hand, auch keine Analysen über Trends, aber mit 50.000 Euro sei der Tourismusverein für die Instandhaltung der Wander- und Bikewege zuständig. Stricker verwies auch auf die kürzlich ins Leben gerufene Arbeitsgruppe Mobilität. Die Haftungs- und Versicherungsfragen habe man bereits 2011 klären können. Die Problemstellung untermalte Kofler mit eindrucksvollen Bildern von Bike- und Wanderwegen, die dermaßen ausgefahren waren, dass sie für Fußgänger nur mehr schwer benutzbar sind. Umgestürzte oder nicht vorhandene Schilder, Biker auf Waalwegen...
In der angeregten Diskussion gab Hotelier Martin Pirhofer („Ich habe rund 25% Biker im Haus“) einen Seitenhieb in Richtung Nationalpark. Als der Sitz noch in Bormio war, lief es besser. Nun passiere nichts mehr, obwohl der Park für gewisse Sachen zuständig sei.
Auf fruchtbaren Boden fiel die dritte Anfrage: die Bild- und Tonübertragung der Gemeinderatssitzungen. BM Dalla Barba ortete eine Mehrheit im Rat dafür und man werde die entsprechende Satzungsänderung vorbereiten und die technischen Voraussetzungen schaffen.
Bei der kürzlichen SVP-Bezirksausschusssitzung der Generation 60+ wurden im Beisein des Landesvorsitzenden Otto von Dellemann, der LA Paula Bacher, der Bezirksobmann-Stellvertreterin Irmgard Gamper sowie des Altsenators Armin Pinggera, der bisherige Bezirksvorsitzende der Generation 60+ im Bezirk Vinschgau Johann Mitterer einstimmig bestätigt. Sein Stellvertreter bleibt weiterhin Franz Schuster. Die gewählten Mitglieder der Bezirksleitung der Generation 60+ sind zudem Konrad Gurschler, Heinrich Thöni und Roswitha Weissensteiner.
Kommentar von Chefredakteur Erwin Bernhart - Unsren Sommerwind, der Ihnen diese Tage zugestellt worden ist oder wird, teilen unsere Vinschgerwind-Leser:innen mit unseren Gästen im Tal. Das ist Teil von unserer Philosophie, den Vinschgau mit dem Tourismus zu verflechten. Marktschreierisch soll das nicht geschehen, sondern bodenständig. Storytelling - wir machen das in den Sommerwinden schon seit Beginn des Vinschgerwind vor mehr als 17 Jahren. Längst bevor Tourismusmanager diesen Begriff und dessen Umsetzung für sich entdeckt haben. Wir sind der Meinung, was unsere Leser:innen interessiert, könnte auch unsere Gäste interessieren. Dabei sind wir auf den Nutzwert unseres Sommerwindes bedacht: Mit der beigehefteten Wanderbroschüre inspirieren wir mit Wanderideen zu Aufbrüchen in die Naturwelten des Vinschgau.
Aktuelles lassen wir nicht außer Acht. Wir befragen den Alt-LH Luis Durnwalder zur Autonomie. Vor 50 Jahren trat das 2. Autonomiestatut in Kraft. Vor dem Paketabschluss 1969 sind Fetzen und Worte geflogen, „altroché heute“ sagt Durnwalder. Themen im Sommerwind sind auch der Vinschger Wein, der Lederer Altar und die Entdeckung des Menhir in Latsch, der faire Handel im Weltladen Latsch, der Vinschger Radweg, der Marmor in Laas, die Musikkapellen im Vinschgau, die Kite-Schule in Graun, St. Stefan bei Marienberg, das Wandern mit den Öffis in Mals, das Wandern von Bergsteigerdorf zu Bergsteigerdorf...
Bozen/Schlanders - Hanspeter Staffler (Grüne, Bild) wies in der aktuellen Fragestunde im Landtag auf ein Fischsterben im Schlandraunbach hin. Der Schlandraunbach sei trockengefallen, weil sämtliches Wasser für Beregnungszwecke abgeleitet wurde. Kürzlich hat die Landesregierung im Beschluss 147/2022 verkündet, dass die ökologischen Ziele zur Verbesserung der Wasserführung des Schlandraunbaches „Gut und sehr gut erreicht“ worden seien. Kurze Zeit drauf fiel der Bach trocken mit einem massiven Fischsterben, berichtete Staffler und stellte dazu folgende Fragen an die Landesregierung: Wurde die Landesregierung über den Vorfall informiert? Falls ja, welche Sanktionen und Maßnahmen wurden umgesetzt? Wie kann es sein, dass zwischen dem Beschluss 147/2022 (guter ökologischer Zustand) und der Wirklichkeit (Fischsterben) eine dermaßen große Lücke klafft? Die bisherigen Maßnahmen reichen augenscheinlich nicht aus, um einen guten ökologischen Zustand des Schlandraunbaches zu garantieren. Welche zusätzlichen Maßnahmen plant die Landesregierung, um das Trockenfallen des Schlandraunbaches definitiv zu beenden?
LR Giuliano Vettorato dankte für die Anfrage, die Landesämter hätten nichts davon gewusst. Man habe nun Kontrollen vorgenommen. Die Konzessionäre hätten alle die Auflagen eingehalten, aber anscheinend habe jemand, wahrscheinlich im Mai, unerlaubt Wasser abgeleitet. Man werde alles tun, damit die Auflagen des Gewässerschutzplans eingehalten werden. Auch wenn es neue Konzessionen geben sollte, müsse immer ein bestimmter Wasserstand garantiert werden.