Donnerstag, 10 März 2011 10:23

Sie brachten den Mäh- und Heumaschinen das Fliegen bei

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Rabland

Die Installation „Korn- und Heumaschinen“ auf der Radstrecke in Rabland ist je nach Betrachtung, sei es von oben herab oder von unten hinauf, eben Kunst. Und Kunst ist eben eine hoch gestellte Angelegenheit, nicht für jedermann zugänglich – auch im räumlichen Sinn des Wortes.

Foto1Mit der Bezeichnung „technische Kulturgüter“ sind wohl jene Maschinen gemeint, welche hier oben in den Bäumen hängen, so steht es zumindest auf der Informationstafel. Der Name „Maschine“ war den Veranstaltern oder Ausstellungsmachern scheinbar zu wenig, vielleicht hat man sich deshalb für „technisch“ und „Kulturgut“ entschieden – klingt besser, da gebe ich ihnen recht, auch wenn es sich „nur“ um landwirtschaftliche Maschinen handelt. Es hängen eben keine Ferraris herum, das verstehe ich, so bleibt es ein halbversteckter, halb gewollter Insidertreff auf dem Rablander Radweg.

Der Bauer oder Knecht, welcher übrigens unweit von dieser Stelle auf dem Gutshof mit diesen „Kulturgütern“ hantierte, hätte gestaunt, wenn er das erfahren hätte. Verstanden hätte er bestenfalls was an dem Kulturgut „gut“ sei, doch was hätte er sich gedacht, wenn er das Gut wie Wäsche zum Trocknen auf Drahtseilen gespannt, angetroffen hätte? ... Die Herren sind jenseits von Gut und Böse?

Den Begriff „technische Kulturgüter“ verwendet man seit den 70er Jahren, als es um den drohenden Verlust oder den Erhalt von bewahrenswerten oder schützenswerten Kulturgütern vor Kriegen oder Katastrophen ging. Krieg keiner, Katastrophe schon eher, wenn ich an die Veränderung des Landschaftsbildes im Vinschgau durch die Monokultur der Apfelplantagen denke. - Wenn ich daran denke, wieviel Gelder im Namen des Landschaftsschutzes verprasst werden und sämtliche Hecken, alte Bäume und Wege verschwinden.

„Wir haben einige schöne, veraltete landwirtschaftliche Maschinen. Was machen wir damit? Eine Technikmeile am Radweg, zum Beispiel, damit unsere Touristen erkennen, was wir sind und was für Leistungen wir erbracht haben. Damit der Radfahrer oder Wanderer sich dort aufhalten und die Geräte bestaunen kann.“ So oder ähnlich werden die Überlegungen dazu gelautet haben, bevor die Sache dann auf künstlichem Weg erledigt wurde.

Doch eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Dingen und Zusammenhängen mit dem unmittelbar Wahrnehmbaren und Spürbaren fehlt. Selbst, wenn sie darüber nachgedacht haben, wird die eigentliche Aussage nicht verstanden. Man wird alleine gelassen vor diesen ausgedienten, verbrauchten, einstigen Geräten. Zerfetzte Industrieleichen hängen hier in den Bäumen! Der Ort jagt mir Angst ein, ich will weg, als ob ich Zeuge eines Verbrechens geworden wäre. Und plötzlich erkenne ich, dass ich nicht weglaufen kann, weil dieser kulturelle Verwesungsgeruch mich überall begleitet und zum Vinschgau gehört, wie das Gute zum Bösen.

So hängen die gepfählten Maschinen nun in den Bäumen, für die Fahrradtouristen kaum sichtbar oder wenig spürbar, für die Einheimischen auch nicht weiter störend, fährt man doch vorbei. Nützt’s nichts schadet’s nicht, könnte man erwidern (Sprichwörter haben immer etwas Beruhigendes) und es dabei belassen.
Ehrlich gesagt, das wollte ich auch, doch da gab es einen sensiblen Vinschger, einen, dem diese „selbstgefällige Ignoranz an dieser Stelle“ schon lange im Magen lag. Jetzt kann ich die Empörung nicht mehr abtun, kann sie nicht mehr abschütteln wie ein paar Regentropfen vom schicken Raddress, kann nicht wegschaun, kann nicht auf die Pedale treten und davon radl’n, nein, leider! Bin ich doch zu Fuß gekommen und habe mich mit diesem Vinschger Bürger unterhalten und gesehen, wie weit Kulturpolitik gehen kann - von oben nach unten herab oder hochfahrend gnädig.
Diese aufgehängten Maschinen, deren Holzteile nicht vor dem Wetter geschützt seien, empfinde er als Hohn und als Spott an die Menschheit, meint er. Das erscheint mir nachvollziehbar, wissen wir doch, wie geschätzt und geschützt diese Maschinen damals wurden. Vielleicht wollten die Veranstalter nicht, dass die Maschinen in hoch aufschießendem Kraut einwachsen, werfe ich beschwichtigend ein, bin jedoch selber nicht überzeugt von meinem Argument. Stehe ich doch vor einem höchst komplexen, einem hoch gestellten Unterfangen. Ausgedacht und ausgeführt von allerlei auserwählten Fachleuten, Firmen und Politikern von Rang im Namen des Gemeinwohls, welche mithilfe eines hohen Betrags an öffentlichen Steuergeldern ihren Nutzen zogen. Jedenfalls war der Betrag so hoch, dass der Landeshauptmann und sein Kreis persönlich dabei waren, um diese drei Volksgüter kulturpolitisch zu institutionalisieren,Foto2

Hier geht es nicht um die Frage, was ist ausstellungswert und was nicht. Das Beispiel zeigt, wie Macher händeringend etwas Verkrampftes schaffen mit hohem technischen Know-how und einem Mangel an Sensibilität und Gespür. Stattdessen stehen die Technik im Vordergrund, das Rationale, die Wirtschaft und das „Oldtimerdenken.“ Was will ein solch abgehobenes Kulturprojekt angesichts der betonsäulengesicherten und drahtverspannten Apfelmeilen vermitteln?

Macht es Sinn sich um das „Wie und Warum“ dieser „Hängung“ den Kopf zu zerbrechen? -Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Es geht um ganz andere Beobachtungen:
Wozu ein derartig hoher (finanzieller) Aufwand? Für wen halten sich die Verantwortlichen eigentlich? Machen sie sich nicht lächerlich gegenüber einer schweigenden, hart arbeitenden Masse? Wo bleibt der Respekt? Wer hatte diese Idee? Wer hat sie umgesetzt und wer hielt sie für förderwürdig und für lobenswert und warum? Waren doch, soviel ist aus den Presseberichten und besonders aus den Pressefotos zu entnehmen, alle lokalen wie überlokalen Größen des Landes vertreten. Denn lässt man das Kunstprojekt einmal beiseite und betrachtet das ganze Drumherum, den Aufwand, das Aufgebot und das Spektakel, dann erhält man einen grotesken, verzerrten Spiegel der Südtiroler Gesellschafts- und Kulturpolitik.


Frieda B. Seissl,
wirft den Blick einer Fremden auf den Vinschgau, vorher Projektleitung im Architektur Zentrum Wien und Lehrerin an einem Realgymnasium

Foto4


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