Dienstag, 24 Oktober 2017 09:26

Katharina und Kaser

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spinges2 testIn der Pfarrkirche von Spinges erinnern Glasfenster an die mutige Dienstmagd Katharina Lanz, die mit der Heugabel die zudringlichen Franzosen abwehrt. Darunter die feierliche „Verlobung“ der Tiroler mit dem Herzen Jesu.   
Spinges, italienisch Spinga, Fraktion der Gemeinde Mühlbach im Mittleren Eisacktal, liegt auf einem strategisch wichtigen Plateau mit weitem Überblick bis zum Pustertal. Hier tobte die Schlacht am Spingesberg 1797.


Katharina Lanz wurde 1771 in der ladinischen Gemeinde St. Vigil in Enneberg geboren und kam als junge Bauernmagd nach Spinges. Durch ihre Taten im Kampf gegen die napoleonischen Truppen wurde sie zu Lokalheldin. „Man sah hier unter anderem eine Bauernmagd aus Spinges, die mit zusammengegürtetem Untergewand und fliegendem Haar die Franzosen abwehrte“, berichtet ein Inntaler Freiheitskämpfer. Katharina Lanz kehrte später in ihre Heimat zurück und verstarb im hohen Alter 1854 in Andraz.

FullSizeRender testBeide Glasfenster enthalten erklärende Bildtexte:

Keines frechen Fremdlings Fußtritt
Soll das Heiligtum beflecken,
Will Altar und Tabernakel
Noch mit meiner Leiche decken!

Tirols Rettung unter dem Schutz des
heiligsten Herzens Jesu durch die
Schlacht am Spingeserberg 2. April 1797.

Bei einer Autofahrt von Bozen nach Schlanders kam ich mit Herbert Denicoló ins Gespräch und fragte nach Gründen für sein soziales Engagement. Das kennzeichnete seine politische Laufbahn und wird auch jetzt ganz selbstverständlich fortgesetzt. Wobei mich ein Hinweis auf die Herkunft seiner Großeltern besonders interessierte. Sie stammen aus Buchenstein, ehemals zu Südtirol gehörig. Der italienische Name ist Livinalongo. Der Ort befindet sich nicht mehr im Trentino, sondern in der Nachbarprovinz Belluno an der Grenze mit Südtirol. Dieses Buchenstein ist ein besonderer politischer Wetterwinkel, angefangen mit der hier in der Nähe heftig umkämpften Front des Col di Lana im Ersten Weltkrieg. Berühmt ist der Tunnelbau und die damit ermöglichte Sprengung des Gipfels. All diese Opfer haben den Verlauf des Krieges kaum beeinflusst; die Front hat sich nicht verändert.
Um die Menschen aus diesem Frontabschnitt zu retten, wurden sie in Erwartung der Kampfhandlungen einfach ausgesiedelt, zum Beispiel nach Brixen oder ins Pustertal. Mit dem baldigen Ende des Krieges und des Sieges wurde sicher gerechnet; dann könnten sie, so wurde versprochen, wiederum in ihre Heimat zurückkehren. Der Krieg nahm aber kein Ende, die ausgesiedelten Menschen lebten für Jahre wie Flüchtlinge.
So erging es auch der Familie Denicolò, die sich fern von ihrer Heimat eine neue Existenz aufbauen musste. Herberts Vater Josef bekam nach dem Zweiten Weltkrieg eine Arbeitsstelle als Sekretär in der Gemeinde Schluderns, wohin er mit seiner Familie zog und dort sehr hilfreich und beliebt war. Im Elend der Ausgesiedelten und in der Selbstbehauptung dieser - inzwischen nach zwei Generationen weit verzweigten Familie - IMG 0419konzentriert sich die leidvoll bewegte Geschichte der Menschen dieses Landes seit dem Ersten Weltkrieg.
Aber zurück zur Dolomitenfront. Das Gadertal endet mit dem Campolongo Pass, dahinter liegt Buchenstein. Dort steht auf dem Dorfplatz ein Denkmal für die Freiheitskämpferin Katharina Lanz; sie hat hier bis zu ihrem Lebensende als Dienstmagd gearbeitet. Wegen Ihrer Tapferkeit wurde ihr ein Denkmal gesetzt, das eine eigene Kriegsgeschichte hat. Die Symbolkraft dieser Kämpferin  für die Verteidigung Tirols hat nämlich den italienischen Faschisten keineswegs gefallen. Die Bronzestatue landete als „Beutestück“ im Kriegsmuseum von Rovereto und wurde erst nach langen Verhandlungen und vielen Jahren wiederum am Ursprungsort aufgestellt. Nun kämpft sie wieder, die wehrsame Dienstmagd, Ausschau haltend und abwartend mit der Heugabel.
Als wehrsam kämpfend, allerdings mit der Schreibmaschine, tritt uns auch das Denkmal für N. C. Kaser (Norbert Conrad Kaser 1947 – 1978) entgegen und zwar auf dem Rathausplatz von Bruneck. Der Künstler dieses Denkmals, Josef Rainer, widmet mit dieser „sprechenden“ Skulptur dem Dichter erzählende Aufmerksamkeit: Kaser sitzt auf einem Stuhl, der seinerseits auf einem Tisch steht und mit untergeschobenen Büchern - Pasolini und Kafka - ins Lot gerückt wird. Die übergroßen Brillengläser lassen an den durchdringenden Blick des Kritikers denken, dessen kurz und scharf formulierte Texte aus der Schreibmaschine aufsteigen als fliegende Botschaften in Papier, gefürchtet und geschätzt. Eine Kostprobe seiner „Stadtstiche“ ist in Bronzelettern auf einem Stein des Brunecker Stadtplatzes zu lesen.
„Kalt in mir“, der Titel eines der Gedichte. Der Bildhauer setzt den Stuhl mit dem Dichter auf einen Tisch, ganz so, wie es wie es überliefert wird. Das Zimmer war so kalt, dass er den Stuhl auf einen Tisch stellte, um die wärmere Luftschicht über dem kalten Boden zu erreichen.
P1020190Weil Josef Rainer den Dichter Kaser nicht persönlich kannte, habe er sich nicht auf die Person, sondern auf den schöpferischen Prozess im Entstehen eines Textes konzentriert. Ein zweiter Stuhl lädt den Betrachter ein, sich Zeit zu nehmen und mit Kaser in Dialog zu treten. Die Bronzeskulptur wurde am 19. April 2017, am 70. Geburtstag von N.C. Kaser feierlich enthüllt.
Katharina und Kaser, entschlossene Tapferkeit bei der Frau mit der Heugabel und Zivilcourage beim einsam kämpfenden Intellektuellen mit den Mitteln des Wortes. Mut hat er aus geistesverwandten Büchern geschöpft, aus der Lektüre von Pasolini und Kafka.
Hans Wielander

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