Dienstag, 04 Oktober 2016 09:26

„Miar hoobm olm mitn Muli gsaamt“

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s17 3793Frau Luisa war als Wirtin der Payerhütte in Sulden weitum bekannt und geschätzt. Vom Frühsommer bis zum Spätherbst beherbergte sie dort 26 Jahre lang unzählige Bergsteiger, zusammen mit ihrem Mann Willi und ihren Kindern.

von Magdalena Dietl Sapelza

Luisa liebt Berge. Es gibt keinen Gipfel im Ortlergebiet, den sie nicht bestiegen hat. In den 1950er Jahre traf sie auf der Payerhütte auf den Hüttenwirt Willi Ortler.

Dieser war von ihr so angetan, dass er sie einlud, mit ihm den Ortler zu besteigen. Bereits am nächsten Tag gab er ihr dort einen innigen Gipfelkuss. „Pa ihm hots gfunkt… pa miar nou nit“, lacht sie. „Er isch a Blonder gweesn, unt i hat olm gearn an Schworzn kopp.“ Es dauerte noch einige Zeit bis Luisa seine Gefühle erwiderte. 1960 gab sie ihm in der Stilfser Pfarrkirche das Ja-Wort und schenkte ihm vier Kinder. „Unt asou bin i Hüttenwirtin gwortn“, sagt sie.
Luisa wuchs  auf dem „Ranar Hof“ in Stilfser Brücke auf. Die Schule in Stilfs erreichte sie täglich nach einem halbstündigen Fußmarsch. Beschwerlich war der Weg im Winter bei Schnee. Unterrichtet wurde sie in Italienisch. „Glearnt hoobmer fan Mussolini unt fan re Vittorio“, betont sie. Der Deutschunterricht fand heimlich statt. Denn dieser war strikt verboten. Luisas Familie optierte für Deutschland und bald darauf erhielt Luisa die „Einberufung“ zum Dienst im Munitionslager bei Tschengls. Sie sollte dort Schießpulver-Säckchen nähen. Luisas Mutter verhinderte das, indem sie für ihre Tochter sofort einen Arbeitsplatz suchte und diesen  beim „Schupferwirt“ in Schlanders fand. Nach dem Krieg begann Luisa eine Schneiderlehre, musste die sitzende Tätig-
keit wegen ihrer Magensenkung aber aufgeben. Ihre Firmpatin vermittelte Luisa in ein Hotel in Sanremo, wo sie daraufhin mehrere Wintersaisonen arbeitete. Im Sommer half sie daheim. „I bin a Bergmensch“, betont sie. Eine Kollegin aus der Nachbarschaft überredete sie, mit ihr in den Dienst einer Arztfamilie in Rom zu treten. Während die eine kochte, machte Luisa die Betten oder bügelte. Die beiden kamen mit unbekannten Sitten in Berührung. Auf dem Heimweg nach einer Silvesterfeier flogen plötzlich Gegenstände aus den Fenstern. Sie verstanden die Welt nicht mehr. Erst später erfuhren sie, dass das in Rom bei Jahreswechsel so Brauch ist. Nach zwei Jahren kehrte Luisa auf den elterlichen Hof zurück. Wann immer sie konnte, unternahm sie Bergtouren. Einmal begleitete sie Freunde auf der Wanderung von Trafoi nach Sta. Maria im Münstertal. Dort wurde ihr allerdings klar, dass  Schmuggelware wartete. „Mitgegangen – mitgefangen“, dachte sie sich. Doch mulmig war ihr schon zumute, und die Angst von Finanzern erwischt zu werden war groß. Über Stock und Stein erreichten sie mit den Säcken Gomagoi, wo Händler warteten.
Luisa war gerne Hüttenwirtin, denn sie liebte es, immer wieder neue Menschen kennen zu lernen. Den Alltag auf der Payerhütte erlebte Luisa allerdings  auch als Gratwanderung zwischen der Freude nach einem Gipfelsieg und der Trauer nach einem tödlichen Absturz. Der Fall der fünf Bozner Bergsteiger war besonders tragisch. Zwei von ihnen starben und drei wurden mit schweren Erfrierungen gerettet. Willi war stocksauer, weil die Bergretter zu spät angekommen waren. Meist war er der erste, der sich auf die Suche nach Vermissten machte und so mancher Verletzte verdankt ihm sein Leben. Luisa war oft in Sorge, denn sie kannte die Tücken des Gletscherriesen. Sie ließ sich nichts anmerken und kümmerte sich in ihrer herzlichen Art um ihre Gäste. Ein Maulesel brachte regelmäßig Lebensmittel nach oben. „Miar hoobm olm mitn Muli gsaamt“, erklärt sie. Über das letzte Steilstück führte eine Materialseilbahn. Beim Auf- und Abladen waren alle Hände gefragt. „Insr Kialschronk isch long di Dochlan hinter dr Hitt gweesn“, erklärt Luisa.
In den Wintermonaten lebte sie mit ihrer Familie in einer Dependance des Tannen-heims, dem Heimatgasthof ihres Mannes. Dieser arbeitet beim Furkel-Lift. Als Luisa 60 Jahre alt war, übernahm ihre Tochter Filomena die Payerhütte und Luisa blieb im Tal. 1975 zog sie mit ihrem Mann nach Meran. Sie fand dort sofort Anschluss im KVW, im AVS, bei den Naturfreunden, bei den Senioren. Nach dem plötzlichen Tod ihres Mannes 1998 durch einen Hirnschlag gaben ihr vor allem die Wanderungen viel Kraft. „I bin olm gongen, solong is drpockt hon“, sagt sie. Heute betrachtet sie gerne alte Fotos in der Familienchronik, oder sie schwelgt in Erinnerungen, während sie Episoden aus ihrem Leben aufschreibt. Liebevoll umsorgt wird sie von ihrem Sohn Horst.  „Olz geat vorbei. I war iaz grichtet zun Gean“, meint sie.“ Nach Trafoi lässt sie sich gerne fahren, denn dort genießt sie es, ihren geliebten Bergen ganz nahe zu sein.

 

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