Montag, 18 Januar 2016 12:00

Die unerwünschte Nauderer Biomilch

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s6 2807Der Deal, die Biomilch aus Nauders in der Mila in Bozen zu Bio-Joghurt zu verarbeiten, hätte auch ein Sprungbrett für die Biomilch im Vinschgau sein können: Die Transportfrage wäre gelöst, die Produktion hätte längst starten können, die Auszahlungspreise wären - grenzüberschreitend - gut gewesen, ein grenzüberschreitendes Bio-Projekt. Es ist anders gekommen.

von Erwin Bernhart

Wenn’s um’s Geld geht, ist die Europaregion Tirol ein Papiertiger. Anders gesagt: Grenzüberschreitendes, gemeinsames Wirtschaften funktioniert in der Theorie und auf schönen Thesenpapieren und bei Sonntagsreden, in der Praxis funktioniert dies höchst selten oder gar nicht.

Dies mussten zum Beispiel die Nauderer Biobauern mit großem Bedauern zur Kenntnis nehmen. Die ganze Geschichte ist zwar schon etwas länger her, hat aber auch Auswirkungen auf die Gegenwart.  Und wenn der Nauderer Biobauer mit 30 Melkkühen Elmar Monz auf Gespräche und E-Mails zurückblickt, kann er nur den Kopf schütteln.  „Schade, sehr schade“, sagt Monz.

Was ist geschehen?
Ausgelöst hat die Geschichte ein Informationsabend von Vertretern von „Alce Nero“ gemeinsam mit Vertretern der Bergmilch Südtirol in Mals im Herbst 2014. „Alce Nero“ ist einer der großen, wenn nicht der größte Bio-Händler in Italien, vertreibt Bio-Produkte - Teigwaren, Fruchtsäfte, Honigprodukte, Reis, Olivenöle, Tomatenprodukte  usw.. Was „Alce Nero“ in seinem Sortiment fehlt, sind Milchprodukte, hergestellt aus Biomilch. Die höchsten Vertreter von „Alce Nero“ waren in Mals auf der Suche nach dieser Biomilch. Lucio Cavazzoni, Mitbegründer und Präsident von „Alce Nero“ war selbst in Mals und er war von der Landschaft und von der Möglichkeit, Biomilch aus dem Oberen Vinschgau zu beziehen, sichtlich angetan (sh. Vinschgerwind vom September 2014). Die Idee dahinter war und ist es immer noch, dass die Bergmilch Südtirol bzw. die Mila in Bozen die Biomilch zu Joghurt verarbeitet und für „Alce Nero“ ettikettiert. Einziges Problem damals: Mit einer Produktion von rund 1000 Kilogramm sei im oberen Vinschgau zu wenig Biomilch vorhanden, so dass sich der Abholtransport noch nicht rechne.
Und da kamen die Nauderer ins Spiel. Elmar Monz, seines Zeichens auch Bezirksobmann des Bauernbundes Landeck, Obmann der Landwirtschaftskammer in Landeck und Obmann-Stellvertreter des Bauernbundes Tirol und zudem Gemeinderatsmitglied in Nauders, hat der Bergmilch Südtirol eine Zusammenarbeit angeboten. In Nauders sind die meisten Milchbauern Biobauern und die 16 Biobauern dort haben ein Kontingent von rund einer Million Kilo Biomilch pro Jahr. Alle zwei Tage stehen rund 6000 Kilo Biomilch abholbereit in Nauders. Tatsächlich zeigten die Bergmilch-Vertreter Interesse und bekundeten dies auch bei gemeinsamen Gesprächen in der Bauernstube von Monz in Nauders. Reinhard Schuster, der bei Bergmilch für das Mitgliederwesen und für den Milchtransport verantwortlich ist, der Vize-Obmann der Bergmilch Südtirol Alfred Pobitzer und auch Milchtransporteur Andreas Zöggeler waren bei Elmar Monz. Weil die Nauderer ihre Milch zu einem einzigen Sammelpunkt an der Hauptstraße bringen, wäre die Transportfrage kein Problem gewesen. Schuster habe von einem Biomilch-Preis von 60 Cent pro Kilo gesprochen, die Gespräche hätten im Laufe von 2014 Fahrt aufgenommen, sagt Monz.
Voraussetzung für eine Zusammenarbeit sei, so hat es Monz gefordert, dass die Nauderer Bauern Mitglieder bei der Bergmilch Südtirol werden. Dazu solle der Vorstand der Bergmilch Südtirol einen Grundsatzbeschluss fassen. Ein positiver Beschluss sei, so Monz,  auch gekommen. Erst dann hat Monz beim Tiroler Raiffeisenverband diverse Gutachten eingeholt, die rechtliche Seite beleuchten lassen, die genossenschaftliche Seite auch. Denn die Nauderer, so der Plan, wären in Form einer eigenen Genossenschaft der Bergmilch Südtirol beigetreten.
Auch wurde Rat beim ehemaligen Tiroler Bauernlandesrat Anton Steixner gesucht. Schließlich war Steixner bei den Verhandlungen federführend, deren Ergebnis es den Bauern im Stubai- und Wipptal vor knapp zwei Jahren ermöglicht haben, von der Tirol-Milch zum Milchhof Sterzing zu wechseln. Vom erfolgreichen Joghurthersteller, dem Milchhof Sterzing, wurden im Jahr 2014 sensationelle Preise an die Bauern gezahlt: im Schnitt 59 Cent/kg für konventionelle Milch und sagenhafte 74 Cent/kg für Biomilch. Die Wipptaler Bauern sind bei den Sterzingern mehr als gut aufgehoben.
Ähnliches könnte auch mit der Nauderer Biomilch gelingen, wenn eine Zusammenarbeit mit der Bergmilch Südtirol (welche aus der Fusion von Mila und Senni hervorgegangen ist) in Richtung „Alce Nero“ gelingt. Preise von 60 Cent/kg aufwärts ließen in Nauders Träume aufkommen.
Berechtigte Träume auch, wenn man bedenkt, dass die Tirol-Milch den Bio-Bauern derzeit rund 48 Cent/kg für die Biomilch ausbezahlt. Für die konventionelle Milch werden nur 34 Cent/kg bezahlt. Die Tirol-Milch ist 2011 in die Oberösterreichische Berglandmilch eingegliedert worden. Seither sinken die Auszahlungspreise und die Tiroler Bauern murren immer lauter. „Die Zustimmung für diese Fusion war der größte Fehler der Bauern in Tirol“, kommentiert Elmar Monz den Schritt im Rückblick. Die Nauderer Milch wird in die Verarbeitungszentrale der Tirol-Milch nach Wörgl transportiert. Das sind rund 170 Kilometer. Von Nauders nach Bozen wären es 114 Kilometer. Sind uns die Bauernbrüder aus Nauders deshalb näher?
Mitnichten. Denn plötzlich kamen die Verhandlungen und die Gespräche zwischen den Bauern aus Nauders und den Südtiroler Bergmilch-Vertretern ins Stocken. Just am Heiligabend 2014 ließ Reinhard Schuster dem Elmar Monz in einer E-Mail wissen: „Leider  verzögert sich die Entscheidung über die definitive Zusage zur Abholung der Rohmilch aus Nauders.“ Es seien nochmals einige Dinge mit „unserem Partner Alce Nero“ abzuklären.

Und dann, Mitte Jänner 2015, kam die kalte Dusche für die Nauderer. Mit einer lapidaren Mitteilung wurden sämtliche Nauderer Bio-Bauern-Träume vorerst zunichte gemacht. „Leider muss ich euch mitteilen“, so das E-Mail von Reinhard Schuster an Elmar Monz, „dass der Zukauf von österreichischer Milch sehr schwer möglich ist und zwar aus folgenden Gründen:
1. Die Aufnahme als Mitglied/Mitglieder wurde abgelehnt.
2. Unser Partner Alce Nero ist nicht besonderlich erfreut über „ausländische Milch“
3. Die Rückverfolgbarkeit in unserer Produktion ist nicht gewährleistet, da die ausländische Milch/Rahm getrennt werden muss...“
Elmar Monz ist enttäuscht und vermutet auch anderweitiges. Und zwar, dass Vertreter der Tirol-Milch Druck auf Bergland Südtirol ausgeübt haben könnte. Denn Tirol-Milch lässt ihre Bauern ungern ziehen. Dem widerspricht allerdings Reinhard Schuster. Es sei kein Druck ausgeübt worden.
Vom Vinschgerwind mit der Aussage konfrontiert, dass „Alce Nero“ über die „ausländische Milch“ nicht erfreut sei, widerspricht „Alce Nero“-Präsident Lucio Cavazzoni. Cavazzoni sagt, das sei nicht die Position von „Alce Nero“. Man arbeite grundsätzlich grenzüberschreitend. Es sei eher ein internes Problem der Mila, ein genossenschaftliches und ein technisches. Denn die Milch aus dem Ausland müsse getrennt behandelt werden. Er wolle sich da nicht einmischen. Und zum Start der Bio-Joghurt-Produktion bei der Mila sagt Cavazzoni, dass man derzeit südtirolweit 42 Biomilch-Bauern beisammen habe. Benötigt würden 70 bis 80 Biobauern, damit die Milchmenge zusammenkomme, um mit der Produktion starten zu können. Er sei zuversichtlich, dass noch im heurigen Jahr mit der Produktion gestartet werden könne. Man sei der Mila mit allen verfügbaren Mitteln für die Umstellung einiger Mitglieder von konventionell auf bio behilflich.
Elmar Monz und die Biobauern aus Nauders haben nach wie vor Interesse an einer Zusammenarbeit in Sachen Biomilch. „Ich sehe, dass die Bergmilch aus dem Alpenraum Zukunft hat“, sagt Monz. Und als grenzüberschreitendes Projekt hätte die Biomilch eine große Chance. Geografisch gehöre Nauders ohnehin zum Vinschgau. Auch wäre den Bauern im Oberland beim Abtransport geholfen. Derzeit müssten etwa zwei Biobauern aus Reschen ihre Biomilch alle zwei Tage selbst zur Sammelstelle nach St. Valentin liefern.
Die Mila bzw. Geschäftsführer Robert Zampieri fand es nicht der Mühe wert, auf eine schriftliche Anfrage des Vinschgerwind eine Stellungnahme abzugeben.
Will man in der Mila die Europa-Region Tirol als Papiertiger erhalten? Die Sterzinger jedenfalls haben’s anders gemacht.

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