Die Debattenbeiträge von Gennaccaro, Oberkofler, Bianchi, A. Ploner, Galateo, Rabensteiner, Pamer, Scarafoni, Mair, Holzeisen und Atz Tammerle
Angelo Gennaccaro (La Civica) wies darauf hin, dass eine Ära zu Ende gehe und er sich entschlossen habe, die betreffende Koalition zu unterstützen, da nur eine Regierung mit einem soliden Fundament die Entwicklung der Provinz garantieren könne. Die Civica habe die Pflicht, das Wahlprogramm umzusetzen, in das die Wähler ihr Vertrauen gesetzt hätten: Das Programm sei nicht rechtslastig. Das Votum der Bürger, die sich für die Partei mit der relativen Mehrheit entschieden hatten, müsse respektiert werden, und man habe Vertrauen in Präsident Kompatscher, in seine unermüdliche Arbeit und in seine Werte. Die Entscheidung, der Koalition beizutreten, sei nicht leicht gefallen, aber man werde als Garant dafür auftreten, dass der Balken in der Mitte bleibe. Die Entwicklung der Autonomie konnte nur nach der Wiederherstellung der Standards der Streitbeilegungserklärung erfolgen, in Zusammenarbeit mit der 6er-Kommission und den Parlamentariern. Die Arbeit von Kompatscher sei schwierig, aber er sei der Aufgabe gewachsen: Er glaube an ein europäisches, offenes Südtirol, das in der Lage sei, extremistische Tendenzen zu entschärfen.
Zeno Oberkofler (Grüne) erinnerte an die Versprechungen, die ihm Kompatscher zur Klimapolitik gemacht habe. Dieses Vertrauen sei nun enttäuscht worden, er habe sich von jenen abgewandt, die ihn unterstützt hätten, und sich jenen zugewandt, die den Klimawandel leugneten. Jetzt gebe es keine Entschuldigung mehr, Kompatscher habe bewusst eine bestimmte Richtung eingeschlagen. Die letzten drei Monate seien ein Trauerspiel gewesen, der Streit um die Gutachten, die Kundgebungen, der Kampf um die Posten. Diese Koalition sei ein Affront gegen jene, die gegen den Faschismus bekämpft hätten, man mache homophobe, rassistische, rechtspopulistische Aussagen salonfähig. Südtirol werde derzeit von Europa genau beobachtet und könne sich nicht mehr als europäisches Modell verkaufen. Kompatscher werde vielleicht in Erinnerung bleiben als derjenige, der das Statut reformiert habe, aber sich auch als derjenige, dem der Mut zur Führung fehlte.
Christian Bianchi (Uniti per l’Alto Adige - Lega Alto Adige Südtirol) erinnerte daran, dass auch in Leifers die Linke vor der Koalition mit den Rechten gewarnt hatte, aber man habe gesehen, dass die Welt nicht untergegangen sei und dass man gut regiert habe. Nun habe man seriös an einem Regierungsprogramm gearbeitet, und die Koalitionspartner würden regelmäßig darüber wachen, dass es umgesetzt werde. Es sei historisch, dass die Autonomie ins Zentrum der Regierungsarbeit gerückt werde, und dazu gebe es auch Zusagen von Rom, Zusagen, die die Mitte-Links-Regierungen nicht gegeben hätten. Das Regierungsprogramm enthalte zahlreiche Aussagen zu Themen, die den Bürgern wichtig seien, die Einbindung der Civica bezeuge auch, dass die Bedürfnisse der Städte ein besonderes Anliegen seien. Man werde auch mehr für den Zusammenhalt unter den Bürgern tun müssen, wenn diese nicht mehr an die Politik glaubten, würden alle verlieren. Man habe um zwei Landesräte für die Italiener gekämpft, weil einer allein diesen Auftrag nicht ausfüllen könne, wie man in der Vergangenheit gesehen habe. Die Autonomie sei für alle Sprachgruppen da.
Alex Ploner (Team K) erinnerte an die Wahlkampfaussage, dass Südtirol ein besonderes Land sei, und fragte, warum man dann diese Koalition eingehe. Der SVP gehe es um den Machterhalt, dafür würden viele Prinzipien über Bord geworfen, was man z.B. auch an der Rodelbahn Cortina sehen könne, eine verpasste Gelegenheit, die Euregio einzubinden. Rom bestehe nun unter dem Motto „siamo italiani“ auf Cortina, und mit solchen Leuten gehe Kompatscher eine Koalition ein. Auch andere Bauten in Zusammenhang mit Olympia entsprächen nicht den Versprechungen. Kompatscher habe verbrannte Erde hinterlassen, daher tue er sich schwer mit einem Vertrauensvorschuss. Am Ende des Regierungsprogramms lade man alle zur Mitarbeit ein, auch die Opposition. Das habe auch im letzten Programm gestanden, aber die Vorschläge der Opposition seien immer niedergestimmt worden. Laut Medien habe die SVP bereits im Vorfeld beschlossen, alles vom Team K abzulehnen. Viele Aussagen im Programm passten nicht mehr zu der einstigen Losung vom modernen, weltoffenen Südtirol.
Marco Galateo (Fratelli d’Italia) erklärte, er habe noch nie so viel über Faschismus reden gehört. Eigentlich sei man hier, um den Landeshauptmann zu wählen, aber niemand gehe auf die Inhalte des Regierungsprogramms ein. Kompatscher habe von Anfang an erklärt, dass er derselbe geblieben sei und bleiben werde. Die Wähler hatten ihre Vertreter gewählt, und der Landtag hatte die Pflicht, auf das Mandat zu reagieren. Es wurde viel Arbeit geleistet, um eine Mehrheit zu schaffen, die vier von fünf Italienern im Rat umfasste, was sicherlich keine Hegemonie über die italienische Gruppe darstellte. Es sah also eher nach einem Komplex von Verlierern aus, die die Wahl verloren hatten, weil sie, anstatt sich auf die Bedürfnisse des Volkes zu konzentrieren, über Faschismus redeten. In Wahrheit hatten die SVP-Vertreter bei der Diskussion der Vorschläge gesagt, die Vorschläge der Fratelli d'Italia klängen links: In Wirklichkeit waren es nur Vorschläge, die an die Bedürfnisse des Volkes und die Zukunft der Provinz dachten, ohne die Werte der Zugehörigkeit zu einer Nation zu leugnen. Kompatscher habe das Vertrauen seiner Fraktion, weil er gezeigt habe, dass er Divergenzen überwinden könne.
Hannes Rabensteiner (Süd-Tiroler Freiheit) sagte nein zu einem Landeshauptmann, der sich von Rom erpressen lasse, der die Zuwanderung fördere, indem er allen Gemeinden die Aufnahme vorschreiben wolle, der nichts getan habe für die Bürger, die nicht bis ans Monatsende kämen, der die Italianisierung zulasse und nur an Posten denke.
Rosmarie Pamer (SVP) zeigte wenig Verständnis für das politisches Spiel, alles zu kritisieren, auch wenn im Regierungsprogramm wichtige Dinge stünden. Es sei ihr eine Ehre, mit Kompatscher zusammenarbeiten, den sie bereits seit seiner Zeit als Präsident des Gemeindenverbandes kenne. Sie schätze seinen Einsatz für Land und Bürger, er stelle sich vorbehaltlos in den Dienst für die Mitbürger. Er habe Schwächen, aber viele Vorzüge. Pamer kritisierte dieses beleidigende Trauerspiel. Seit zehn Jahren halte Kompatscher den Kopf hin, wenn es in diesem Lande brenne, und es habe mehrmals gebrannt. Sie fragte, wer sonst diese Rolle übernehmen könnte: jemand, der bei den Sondierungsgesprächen plötzlich einen Rückzieher mache, oder jemand, der zuerst Bedingungen stelle und sich dann nicht an die eigenen Versprechungen halte. Kompatscher sei der richtige Mensch zur richtigen Zeit.
Anna Scarafoni (Fratelli d’Italia) meinte, dass Neuerungen stets auf Widerstand stießen. Diese Koalition sei ein absolutes Novum. Man habe lange und intensiv über jedes Detail des Programms geredet, im Respekt vor anderen Personen und ihren Überzeugungen und ihrer Geschichte. Das Ergebnis sei eine Synthese. Kompatscher sei immer noch ein Hoffnungsträger, er habe in den Verhandlungen die Fähigkeit gezeigt, Divergenzen zu überwinden. Daher stimme sie mit Überzeugung für ihn.
Sie sei lange genug auf der Oppositionsbank gesessen, um die Stellungnahmen der Opposition einordnen zu können, bemerkte Ulli Mair (Freiheitliche). Derzeit erlebe man in Italien eine Debatte, in der die Rechtsparteien für Föderalismus und die Linksparteien für Zentralismus einträten. Südtirol müsse in dieser Debatte mitwirken und dürfe die Entscheidung nicht anderen überlassen. Auch in Europa gehe es um eine Grundsatzdebatte, um mehr Zentralismus da und mehr Subsidiarität dort. Unser Land werde nicht durch schöne Worte verbessert, sondern durch konkrete Maßnahmen. Die Freiheitlichen hätten in harten Verhandlungen darauf bestanden, dass die wesentlichen Themen ins Programm einfließen: Ehrenamt, Einwanderung, Wohnbau u.a. Im Landtag seien mehr bzw. weniger konstruktive Bewegungen vertreten, die Freiheitlichen würden auf konkrete Maßnahmen setzen. Diese Koalition sei eine pragmatische, nüchterne Arbeitskoalition. Das Versteifen auf Symbole und Ideologie überlasse man anderen.
Ein Rechts-Links-Geplänkel könne man von ihr nicht erwarten, erklärte Renate Holzeisen (Vita), der Autoritarismus habe ein neues Gesicht bekommen. Sie könne nicht für diesen Landeshauptmann stimmen, der in den vergangenen Jahren autoritäre Maßnahmen ergriffen habe, die nachhaltige Schäden hinterlassen hätten. Man müsse diese Autonomie gerade heute vor Attacken von außen schützen, und davon merke man im Koalitionsprogramm nicht. Im Zivilschutzbereich, der bei den Coronamaßnahmen eine wesentliche Rolle gespielt habe, riskiere man den Verlust der Zuständigkeit ab Mai, wenn Italien sich nicht gegen diesen Eingriff wehre. Die Bevölkerung wisse nicht, was für Auswirkungen diese internationalen Gesundheitsvorschriften auf Südtirol haben würden. In Zukunft würde der Direktor einer vorwiegend privatfinanzierten internationalen Organisation die Entscheidungen treffen. Das Bewusstsein darüber fehle ihr sowohl bei der Koalition wie auch zum Großteil bei der Opposition. Wesentlich für eine Demokratie seien freie Medien, daher sei sie sofort aufgesprungen, als sie vom zunächst geplanten Medienbeirat gehört habe. Die Medien würden bereits jetzt in die Schranken gewiesen, wenn es um angebliche Falschinformationen gehe. Was eine Falschinformation sei, zeigten die Fakten und die Dialektik unter den Medien, die man allerdings in den letzten Jahren vermisst habe. Holzeisen kritisierte auch jenen Passus im Programm, der sich gegen bilingualen Unterricht in der deutschen Schule ausspreche - gerade im städtischen Gebiet sei ein solcher Unterricht gefragt. Sie werde die Regierung immer dann unterstützen, wenn sie sinnvolle Maßnahmen sehe, sie werde aber gegen Fehlentscheidungen kämpfen.
Myriam Atz Tammerle (Süd-Tiroler Freiheit) sah in dem Koalitionsprogramm keinen Inhalt. Viele Versprechungen, die in den letzten Jahren gemacht wurden, würden nicht mehr erwähnt. Es gebe keine Sicherheit, für die Frauen, beim leistbaren Wohnen, bei der Gesundheitsversorgung, bei den Renten, bei den Lebenskosten. Eine Studie habe belegt, wie weit die angeblich beste Autonomie bereits beschnitten wurde. Es seien viele Versprechen gegeben worden, nichts sei gehalten worden, das könne man auch am Wahlergebnis ablesen. Diese Landesregierung bestehe hauptsächlich aus Wahlverlierern, das entspreche nicht dem Wählerwillen. Es sei daher kein Wunder, wenn das Vertrauen der Wähler verloren gehe. Daher werde ihre Fraktion nicht für Kompatscher stimmen.
Die Arbeiten werden um 14 Uhr wieder aufgenommen.
Die Arbeiten im Plenum werden live auf www.landtag-bz.org und auf dem YouTube-Kanal des Landtags übertragen. Auf letzterem können Zuschauer während des Streams die Wiedergabe anhalten und zurückspulen, sodass Redebeiträge und Debatten bei Interesse nachgesehen werden können. Auf der Landtagswebsite ist unter https://www.landtag-bz.org/de/videos-der-landtagssitzungen ab dem Morgen nach der Aufzeichnung eine strukturierte Videoaufzeichnung abrufbar (geordnet nach behandelten Sachbereichen).
LT