Dienstag, 04 September 2012 00:00

Drahtige Marschrichtung

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Laas/Prad/Stilfs/Glurns/Schluderns/Mals/Taufers/Graun - Bozen

s7_tabBleiben die Vinschger BM und die Akteure rund um die Stromgeschichte auf Draht, könnte sich der Traum von der Übernahme des Stromnetzes erfüllen.  In die Sache ist Bewegung gekommen, auch weil der Landesgeneraldirektor Hermann Berger von LH Luis Durnwalder mit der Sache betraut worden ist. Die Gemeinden sollen eine Revisionsgesellschaft mit der Überprüfung der Machbarkeit beauftragen. Kommen heuer noch Vorverträge für die Netzübernahme zustande? Der obere Vinschgau - von Laas bis Reschen - ist vorbereitet.

von Erwin Bernhart

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau

Das Einzige, was sich seit dem Übergang des ENEL-Netzes an die SELnet geändert hat, ist, dass die Stromrechnungen nur noch in italienischer Sprache ausgestellt werden“, sagt Bezirkspräsident Andreas Tappeiner süffisant. Die Einwohner der Gemeinden Laas, Glurns, Schluderns, Taufers, Mals und Graun sind ex-ENEL-Kunden, jetzt also SELnet-Kunden. Einige auch in den Gemeinden Prad und Stilfs. Das soll sich grundlegend ändern.


Denn bei den Bürgermeistern der Obervinschger Gemeinden, von Laas bis Graun, herrscht Konsens darüber, das Stromnetz zu übernehmen. Alle Gemeinderäte haben diesbezüglich Grundsatzbeschlüsse bereits gefasst. Ein weiterer Beschluss - wie man die Netzübernahme finanzieren will - hätten die Gemeinderäte bis 31. August 2012 fassen sollen. So wurde es von der Landesregierung vorgegeben. Glurns hat den Beschluss gefasst, Taufers ebenfalls. Dieser Termin hat dann doch nicht gehalten. In Mals war der Punkt am 28. August zwar auf der Tagesordnung, ist aber vertagt worden. Warum? Weil „wir nicht in der Lage sind, die definitiven Kosten vorzulegen“, begründete BM Ulrich Veith seinen Antrag auf Vertagung.
Tatsächlich ist im Hintergrund einiges in Bewegung. Am 23. August hat in Bozen eine „Elefantenrunde“ stattgefunden. Neben Vertretern der SELnet, des Gemeindenverbandes, des Südtiroler Energieverbandes und des Vinschgauer Energiekonsortiums (VEK) mit dabei auch der Generealsekretär des Landes, Hermann Berger. Bergers Anwesenheit lässt erkennen, dass Ernsthaftigkeit in die Sache geraten ist. Von Seiten der Politik. Bislang hat die SELnet kaum fundierte Daten geliefert, hat taktiert, wollte die sturen Vinschger anscheinend mürbe machen. Denn viele Gemeinden im Lande sind nicht übrig geblieben, die das Stromnetz übernehmen wollen. Schon gar nicht ein derartig großes und zusammenhängendes Gebiet wie es von Laas bis Reschen ist. Die Vinschger stören die Marschrichtung der SEL und der SELnet. Aber LH Luis Durnwalder hat nun mal gesagt, dass Gemeinden das Stromnetz übernehmen können, wohl auch in der Erwartung, dass sie das dann nicht wirklich tun. Die Vinschger wollen aber.
Die Politik, LH Durnwalder im Besonderen, wird nun Wort halten müssen. Sichtbares Zeichen dafür ist eben das Einschalten von Generalsekretär Berger. Das Ansinnen der Vinschger Gemeinden ist damit quasi amtlich geworden.
s7_f08291Diese Amtlichkeit ist auch an der neuen Marschrichtung ablesbar. War es bisher so, dass die Gemeinden bis 31. August beschließen sollten, wie sie das Geld für die Finanzierung des Stromnetzes bereitsellen wollen - wenn es ums Geld geht, soll sich die Spreu vom Weizen trennen, so die Überlegung aus Bozen - ist dieser Termin samt Beschlüssen aufgehoben worden.
„Die übernahmewilligen Gemeinden sollen nicht mehr durch diese Beschlüsse, sondern durch die Beauftragung der Revisionsgesellschaft zur Zertifizierung des Stromverteilerbetriebes ermittelt werden“, telegrafierte der VEK Obmann Albrecht Plangger nach dem Treffen am 23. August an die Obervinschger Gemeinden.
Revisionsgesellschaft? Das ist eine völlig neue Variante.  Mit der Expertise einer Revisionsgesellschaft soll sichergestellt werden, ob die Verwaltung und Betreuung des Stromnetzes durch die Vinschger überhaupt möglich ist. Kurz: Ob die Vinschger dazu imstande sind. Das ist die eine Seite. Die andere ist, dass sich die Landesregierung auch absichern will. Weil sie die Beschlüsse zur Netzübernahme an das zuständige Ministerium und an die zuständige Antitrustbehörde (Autoritá Garante della Condorrenza e del mercato) schicken wird müssen. Gelingt das Vorhaben, ist der Obervinschgau als Stromverteiler im nationalen Haifischbecken.
Im Hochpustertal haben sich letzte Woche einige Gemeinden von einer Netzübernahme mit „kalten Füßen“ verabschiedet. Einige Gemeinden sind noch übrig geblieben.

Im Vinschgau ist die Ausgangsposition eine gute: Mit dem Know-How, welches sich die E-Werks-Genossenschaft Prad und die E-Werksgenossenschaft Stilfs im Laufe der Jahrzehnte angeeignet haben, steht man - technisch - auf solidem Boden. Auf dieses Wissen kann zurückgegriffen werden.
Auch verwaltungstechnisch hat man sich im Vinschgau vorbereitet und an dieser Vorbereitung wird noch gearbeitet.
Erstes Ziel ist der Netzankauf durch die Gemeinden (vorläufige Kosten sh. Tabelle). Gleichzeitig wird in den Beschlüssen stehen, dass der Verteilerdienst an das VEK übertragen wird. Dies soll in den Gemeinden Laas, Schluderns, Glurns, Taufers und Mals erfolgen. In den Gemeinden Prad und Stilfs wird das ex-Enel-Netz von den Gemeinden gekauft und den Genossenschaften E-Werk Prad bzw. E-Werk Stilfs übertragen. „Arrondieren“, abrunden also, heißt dort die Devise, weil Teile des Netzes bereits in Besitz der Genossenschaften sind. Die Gemeinde Graun soll das Netz kaufen, dann der dortigen Energiegenossenschaft Oberland (EGO) übertragen. Die EGO soll dann um eine eigenständige Verteilerkonzession ansuchen. Gesetzlich ist eine solche Vorgansweise jedenfalls gedeckt. Im Landesgesetz 15/2011 heißt es (Auszug): „Um (...) eine angemessene Verteilung von elektrischer Energie (...), mit entsprechenden Qualitätsstandards und -niveaus auch in Randgebieten und in benachteiligten Gebieten des Landesgebiets sicherzustellen und zu gewährleisten, können die gebietsmäßig betroffenen Gemeinden sich Körperschaften ohne Gewinnabsicht bedienen, welche die erforderlichen technischen Anforderungen erfüllen.“
Nach dieser Operation wären dann im Vinschgau von Laas bis Reschen vier Stromverteiler aktiv: das VEK, di E-Werke Prad und Stilfs und die EGO in der Gemeinde Graun. Diese vier Verteiler schließen sich, so der interne von Albrecht Plangger und Georg Wunderer erstellte Plan, zu einer Konsortialgenossenschaft zusammen.
Welchen Vorteil bietet eine eigenständige Stromverteilung von Laas bis Reschen? Die Transporterträge. Die Durchleitung von Strom über Drähte bis zum Endkunden ist nicht kostenlos. Die Kosten liegen im Centbereich pro Kilowattstunde, scheinen auf der Stromrechnung nicht eigens auf, summieren sich für einen Netzbetreiber allerdings gewaltig. Im Gebiet zwischen Laas und Reschen haben diese „Transporterträge“ im Jahr 2010 rund 2,2 Millionen Euro ausgemacht. Was die ENEL damit bisher gemacht hat, weiß niemand so genau. Jedenfalls ist das Netz nicht auf dem neuesten Stand. Das Credo von Georg Wunderer, dass die Erlöse aus der Energie wieder in die Energiewirtschaft fließen müssen, dürfte denn auch das Credo des neuen Netzbetreibers im Obervinschgau sein. Mit den 2,2 Millionen Euro kann schon mal begonnen werden, das Netz zu sanieren, die Prioritäten dazu im Obervinschgau selbst festzulegen, die diesbezüglichen Arbeiten an heimische Unternehmen vergeben werden... „Sogar die letzte Meile für den Internetzugang könnte problemloser gelöst werden“, schwärmt Andreas Tappeiner.
Und plötzlich könnten sich für ein Grenzgebiet, wie es der Obervinschgau eines ist, bisher ungeahnte Möglichkeiten auftun: Was, wenn die TIWAG eine Stromverbindung über den Reschen legen möchte? Wenn über die Mittelspannungs-Leitungen in Richtung Provinz Sondrio mehr Strom angefordert wird?
Die Vinschger BM wollen vorerst auf dem Boden bleiben. Zuerst das Netz. „Mein Wunsch ist es, dass die Operation noch heuer über die Bühne geht“, sagt Tappeiner, Vize-Präsident des VEK.
Tatsächlich gibt es in Bälde ein Folgetreffen in Bozen. Zum 24. September 2012, so ist es vereinbart, sollen die Verantwortlichen in der SELnet ein Vertragsgerüst für die Übernahme vorbereiten.  Wenn die Vorverträge heuer noch abgeschlossen werden, könnte das Netz im Wahljahr 2013 gemeinsam geführt werden: SELnet und die Akteure im Vinschgau. Die endgültige Übertragung des Netzes könnte dann zum 1.1.2014 erfolgen.


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