Dienstag, 03 September 2013 09:06

Von der Schönheit des Alters

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s17 4595Vor zwei Tagen, am 3. September feierte Erna Privora ihren 104. Geburtstag. Gefeiert wurde so, wie es der ältesten Bürgerin von Schlanders am besten gefällt: Mit an „mords Tam-Tam“, wie es die alte Dame selbst nennt.

von Angelika Ploner

Im Gesicht lässt sich ihr Alter nicht ablesen. Und dass sie einmal 104 Jahre alt werden würde, hätte Erna Privora selbst wohl nicht für möglich gehalten. Vor zwei Tagen, am 3. September feierte die älteste Bürgerin von Schlanders im Bürgerheim ihren 104. Geburtstag, und zwar so wie es ihr am besten gefällt: „Mit an mords Tam-Tam.“

Die weiß-blau getupfte Bluse und der dazu passende Rock hingen schon seit einigen Tagen ganz vorne im Schrank, bereit für die kommende Geburtstagsfeier. Und der Besuch beim Friseur, um die Haare nachzufärben, war ebenso seit Wochen vorgemerkt. Denn weiße Haare, sagt sie, sind nur etwas für alte Leute. Eitel, das ist Erna Privora auch mit ihren 104 Jahren noch genauso, wie früher. Ihre Mutter habe schon einen ganz „eigenen Gusto gehabt.“ „Und man tut schon was erben“, meint sie. Ihr Gusto sei „ollm modern zu sein.“ Dunkelblau, Grün und Weiß sind ihre Lieblingsfarben. Um den Hals trägt sie seit vielen Jahren ein und dieselbe schwarze Perlenkette. Es kann schön sein, das Alter, solange man gesund ist und jeden Tag aufstehen kann. Oft beneiden sie die anderen Mitbewohner vom Bürgerheim um ihre Kraft in den Beinen. „I bin no guat ba die Fiass“, sagt sie stolz. Einmal habe man ihr einen Rollstuhl gebracht. Aber „des hot miar nit gepasst, des isch nix für miar“, schüttelt sie den Kopf und hinter der blaugrün umrandeten Brille blitzen die dunkelbraunen Augen auf.

Fast das gesamte 20. Jahrhundert hat Erna Privora erlebt. Am 3. September 1909 wurde sie in Meran geboren. Als sie drei Jahre alt war, zog die Familie Privora von Meran nach Schlanders. Der Vater hatte jenes Haus, in dem heute der Hasenwirt untergebracht ist, gekauft gehabt. Erna Privora war eines von sechs Kindern: drei Buben und drei Mädchen. Der Erstgeborene war ein Sohn. Da hätte der Vater seine rechte Freude gehabt. „So worn holt die Männer“, lacht Erna Privora, „lei koan Madl als Erschts.“ Dann gebar die Mutter noch den Erich, die Hildegard,  die Gisela, den Karl und als Letzte, als Jüngste, sie, die Erna.

Als die Mutter meinte, dass des Madl nähen lernen müsse, war Erna gerade ausgeschult. Doch in der Näherei, in der sie untergekommen war, verstrich nur wenig Zeit. Erna Privora musste in dem Geschäft ihres Vaters mitarbeiten. „A kloans Gschäftl isch des gwesen. Über 50 Jahre hon i ausgholtn“, erzählt die Jubilarin mit Stolz. Alles Mögliche stand zum Verkauf:  Erst Schuhe, später Schürzen, die blauen Bauernschürzen, Ausnähdecken und Kissen, Stickgarne, Knöpfe, und Servierschürzen mit Sangallo-Spitze. Auch  Hüte waren im Sortiment, Filz, Loden, Strohhüte und die praktischen „Vespa-Kapplen“. Das Geschäft von Erna Privora war damals - ganz nebenbei erwähnt - das einzige Hutgeschäft im Vinschgau. In der Auslage ganz vorne breitete  sie des Öfteren die blauen Schürzen mit humorvollen Sprüchen wie „Lustig und ledig, verheiratet und erledigt“ oder „Mei Ruah will i hobn“ aus. Wie die warmen Semmeln seien diese Schürzen weggegangen. Einmal parkte eine ganze Motorradgruppe vor dem Geschäft,  weil sie diese Schürzen entdeckt gehabt hatte. Es dauerte nicht lange und alle standen samt Schürzen bekleidet und zum fotografieren bereit. „Dia hobm a Gaudi kop“, erzählt Erna Privora.
 
Auf ihrem Tisch im Zimmer im 4. Stock des Bürgerheims stehen Rosen, die ihre Schwiegertochter gebracht hat. Erna Privora liebt es, wenn Blumen ihr Zimmer schmücken. Einmal, erzählt die kleine, zierliche Frau sind drei Herren und eine Dame vom Radio zu ihr hierher gekommen. Der Robert, ihr Sohn, saß neben ihr auf einem Stuhl. Die Dame hat Erna angeschaut und gefragt: „Sagen Sie mir bitte, welches war Ihre größte Freude im Leben.“ Und sie  habe daraufhin ihrem Bua mit dem Ellbogen einen ordentlichen Stoß versetzt. Es war der Robert, ihr Sohn, der ihre ganze Freude war. Die Tante, Ernas älteste Schwester und die Großmutter zogen den Robert auf. Sie hingegen sei immer im Geschäft gestanden, sagt sie.  Robert ist heute 81 Jahre alt.

Seit vier Jahren lebt Erna Privora im Bürgerheim von Schlanders. Das „Tam-Tam“, wie sie sagt, beim letzten  Geburtstag, dem 103., das hätte ihr gefallen. Da habe der Kommandant sie einfach unter seinem Arm eingehakt und sei mit ihr hinaus spaziert, aus ihrem Zimmer. Draußen hätten dann alle geklatscht, die gekommen waren, um ihr zu gratulieren.„Miar geats wirklich guat do“, sagt sie und deutet auf das Bürgerheim. Das Altern kann eben auch schön sein. Und es ist zweifelsohne diese Schönheit, die es im Gesicht von Erna Privora abzulesen gilt. Und nicht allein das Alter.


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