„Beide Seiten sind zu beleuchten“

geschrieben von Ausgabe 5-19

s10 9094Vinschgerwind: Abgesehen von der Klosterschule in Marienberg, führen Sie als Direktorin der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg und der Fachschule für Hauswirtschaft zwei der wohl ältesten Schulen im Vinschgau.
Monika Aondio: Die Schule in der Fürstenburg ist mit ihrer Gründung 1952 die erste Landwirtschaftsschule Südtirols. Die Schule in Kortsch war in dieser Form ab 1967 auch eine der ersten im Lande.

Vinschgerwind: Erste Hauswirtschaftskurse haben bereits in den 1940er Jahren stattgefunden.


Monika Aondio: Richtig. Vorläufer waren tatsächlich vorhanden.

Vinschgerwind: Wie fühlt sich das an, Direktorin der ältesten Schulen im Vinschgau zu sein?
Monika Aondio: Nicht besonders, würd’ ich sagen. Vielleicht, weil ich das gewohnt bin. Seit 1996/97 bin ich an der Fürstenburg. Im Jahr 2000 bin ich Vizedirektorin unter dem damaligen Direktor Georg Flora geworden und habe die Schulleitung in Kortsch übernommen. Nach der Pensionierung von Dr. Flora im Jahr 2008 habe ich die Schule als geschäftsführende Direktorin übernommen und seit 2010 bin ich Direktorin beider Schulen.

Vinschgerwind: Schlagen sich gesellschaftliche Veränderungen und Entwicklungen in Ihren beiden Fachschulen mehr nieder als in anderen Oberschulen?
Monika Aondio: Da muss man die Schulen getrennt anschauen. Weil die Fürstenburg in der Gemeinde Mals angesiedelt ist, war sie in den letzten Jahren im Fokus von zwei Gesellschaftsgruppen. Eine Gruppe ist die biologische und eine die konventionelle. Bedingt durch den „Malser Weg“, haben viele von der Schule eine Positionierung verlangt. Meine Position war und ist: Die Schule hat die Aufgabe beide Seiten zu beleuchten. Wir lehren biologischen Obstbau, biologische Landwirtschaft, genauso wie die traditionelle und integrierte Landwirtschaft. Die Schule hat nicht die Aufgabe, sich zu positionieren. Die Aufgabe der Schule ist es, die Schüler beide Seiten zu lehren und sie damit zu befähigen, eigene Entscheidungen zu treffen.

Vinschgerwind: Und in der Fachschule für Hauswirtschaft in Kortsch?
Monika Aondio: Die Hauswirtschaft hat in der Gesellschaft eigentlich nicht den Stellenwert, der ihr gebührt. Meines Erachtens ist die Hauswirtschaft die Basis für unser Leben, ist Management des Alltags. Wenn wir die Hauswirtschaft nicht achten, dann fehlen uns viele Dinge. Hauswirtschaft organisiert das Essen, die Hygiene, den Schlaf und auch, dass das Zuhause ein Rückzugsort für das Wohlbefinden ist. Wenn man diese Dinge gelernt hat, dann begleitet die Hauswirtschaft das Leben. Wird die Hauswirtschaft geschätzt, dann wird Wert auf gute Ernährung gelegt, auch weil man mit Lebensmitteln gut umgehen kann. Damit wird die Gesundheit unterstützt.

Vinschgerwind: Im Leitbild der Abteilung 22 der Fachschulen für Land- und Hauswirtschaft steht unter anderem „Wir prägen ökologische, gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und gesundheitliche Entwicklungen.“ Wie ist das gemeint?
Monika Aondio: Die Abteilung 22 gibt es nicht mehr. Wir sind seit zwei Jahren autonome Schulen in der Bildungsdirektion.
Vinschgerwind: Trotzdem, gilt die formulierte Vision noch?
Monika Aondio: Natürlich. Die SchülerInnen erlernen neueste Erkenntnisse aus der Ernährungslehre. Das inkludiert auch Nahrungsmittelintoleranzen und Allergien. Aber auch in der Erwachsenenbildung werden aktuelle Themen behandelt. Etwa das Managen eines Singlehaushaltes. Es gibt durchaus Interesse, sich vor allem über das Essen, über Intoleranzen usw. zu informieren.
Vinschgerwind: Wie funktioniert das? Wird die Fachschule in Kortsch als Kompetenzzentrum wahrgenommen oder werden Themen von außen für die Erwachsenenfortbildung hineingetragen?
Monika Aondio: Die Lehrpersonen sind bestrebt, neue Themen anzubieten. Als Beispiel von vielen: Es wird ein Kochkurs für glutenfreies Brot angeboten. Die Lehrpersonen sind allgemein bestrebt, aktuelle Themen anzubieten und bilden sich entsprechend weiter.
Vinschgerwind: Auf die Fürstenburg bezogen: Mittlerweile verfügt die Schule über ein komfortables Schülerheim. Ein Wunsch ist damit in Erfüllung gegangen. Ist die Schule damit attraktiver geworden?
Monika Aondio: Ich glaube nicht, dass die Schule selbst attraktiver geworden ist. Aber die Organisation ist einfacher geworden. Sei es vom Unterricht her, weil wir früher sowohl in Moles als auch in der Fürstenburg Unterricht hatten. Auch hatten wir im Heim in der Burg die Schüler nicht mehr Platz, so dass Moles als Heim dazukam. Das war - im Rückblick - ein Hin und ein Her. Ich stelle fest, dass es den Schülern guttut, gemeinsam Unterricht zu haben, die Pausen und die Freizeit miteinander genießen zu können. Was vorher getrennt war, ist nun zusammengewachsen.

Vinschgerwind: Fehlt noch ein Bestandteil, etwa eine Großraumturnhalle?
Monika Aondio: (lacht) Wir haben rund zwei Drittel der Schüler im Heim untergebracht. Einen richtigen Freizeitplatz haben wir keinen. Vom November bis März kann der Fußballplatz von Burgeis nicht genutzt werden. Turnhalle haben wir keine. In der Grundschule ist eine kleine Turnhalle, wo sich eine kleine Gruppe sportlich betätigen kann. Für den Turnunterricht müssen wir nach Mals fahren.

Vinschgerwind: Aus Ihren Aussagen hört man heraus, dass der Wunsch nach einer Turnhalle da ist.
Monika Aondio: Der Wunsch ist da. Wir sind im Gespräch. Wenn’s klappt, wäre das super.

Vinschgerwind: Das Gespräch wird mit dem Kloster Marienberg über den Widumstall geführt.
Monika Aondio: Das Gespräch wird geführt und zwar in Richtung PPP-Projekt.

Vinschgerwind: Oberschulen blicken gern auf Absolventen, die später in der Gesellschaft eine herausragende Rolle spielen. Tun dies auch Abgänger ihrer beiden Fachschulen – die Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Fürstenburg in Burgeis und die Fachschule für Hauswirtschaft und Ernährung in Kortsch?
Monika Aondio: In der Landwirtschaft übernehmen Absolventen Bereiche im Bauernbund. Wir bilden Landwirte aus, die den Hof übernehmen. Einer der letzten und auch der jetzige Bauernbundobmann im Vinschgau ist Absolvent der Fürstenburg. Seit 5 Jahren haben wir die Matura in Kortsch und in der Fürstenburg, seither haben die SchülerInnen die Möglichkeit weiter zu studieren. Von den aktuellen Maturaklassen weiß ich, dass einige ein weiterführendes Studium im Sinne haben.

Vinschgerwind: Wie wichtig ist die Matura für die beiden Schulstandorte?
Monika Aondio: Vom Vinschgau gingen die ersten Forderungen nach einer Matura für die Fachschulen aus. Vor allem von Seiten der bäuerlichen Bevölkerung. Auch für die Eltern, die ihre Kinder in die Hauswirtschaftsschule geschickt haben, war es ein Ziel, die Matura einzuführen. Diese Forderungen waren im Vinschgau stärker als in anderen Bezirken. Georg Flora hatte sich da bereits eingesetzt. Im Zuge der Berufsmatura ist uns dies dann gelungen. Nach der 4. Klasse können wir nach einer Aufnahmeprüfung das 5. Schuljahr anbieten. Damit haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass Interessierte weiterstudieren können. In der Schweiz heißt es, kein Abschluss ohne Anschluss, das ist gelungen.

Vinschgerwind: Stichwort Schweiz: Ihre Schulen pflegen Kontakte und Beziehungen zu ähnlich gelagerten Schulen in der Schweiz und in Nordtirol. Ist das fruchtbringend.
Monika Aondio: Das ist sehr fruchtbringend, weil man sich austauschen kann. Auch weil Schüler in den befreundeten Schulen Dinge sehen, die bei uns nicht angeboten werden. Im Plantahof in der Schweiz gibt es „Bullenflüsterer“ (lacht).

Vinschgerwind: Bullenflüsterer?
Monika Aondio: Mit den Tieren sprechen. Oder Bodystyling für Tiere. Da werden Kühe für Auktionen geföhnt und richtig aufgestylt. Auch mit der Schule in Imst haben wir gute Kontakte. Dort konnten unsere Leute die Imkerei erlernen. Einmal im Jahr machen wir einen Wintersporttag. Oder der Hauswirtschaftsaward, der gemeinsam mit den österreichischen Schulen veranstaltet wird. Oder auch die Wettbewerbe in der Berglandwirtschaft mit den österreichischen Partnerschulen.

Vinschgerwind: Die Fachschule für Hauswirtschaft in Kortsch erfreut sich eines guten Zuspruchs: 100 Schülerinnen und 6 Schüler. Wie viele sind es in der Fürstenburg?
Monika Aondio: Derzeit sind 20 Schülerinnen und 144 Schüler an der Fürstenburg.

Vinschgerwind: Ist die Kapazitätsgrenze erreicht oder ist noch Spielraum nach oben?
Monika Aondio: In Kortsch ist die Kapazitätsgrenze erreicht, im Sinne der Räumlichkeiten. Die Schule ist auf maximal 70 SchülerInnen ausgerichtet. Mittlerweile wurden Räume adaptiert, der Aufenthaltsraum ist ein Klassenzimmer geworden, wir haben Container. Wir müssen uns in Kortsch nach der Decke strecken. In der Fürstenburg ist noch Potenzial. Zwar nicht nach Klassenräumen, aber jeder neue Schüler, jede neue Schülerin ist uns willkommen.

Interview: Erwin Bernhart

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