Dienstag, 20 September 2011 00:00

Ich habe noch nie etwas gewonnen!

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Franz-Tumler-Literaturpreis 2011

s20_0047In der Mitte der Apsis steht Franz Tumlers Schreibtisch. Tumler schwebt  über der Veranstaltung, er wird durch Text und Bild lebendig gehalten. Hinter seinem Schreibtisch steht er rauchend, als große Fotografie. Schaut erwartend. Der Gesprächsstoff der Anwesenden bleibt bei der Preisverleihung am Abend derselbe wie untertags im Josefshaus: Welcher Roman ist der beste? Langsam füllt sich der mystische Raum. Und dann kommen sie. Die eigentlichen Protagonisten dieser Veranstaltung, die Finalistinnen und Finalisten, die wegen ihrer Debütromane nach Laas geladen wurden. Sie haben daraus gelesen, wurden beklatscht, hielten den Bemerkungen der Jury stand, signierten ihre Bücher, solidarisierten, standen beisammen, rauchten. Draußen rauscht der Regen, leise Unterhaltungen geistern durch den Raum. Die Akustik in der Marx Kirche bleibt seltsam, nicht nur wegen der Mikrofoneinstellungen. Nacheinander treffen die Mitglieder der Jury ein, Neeser, Strigl, Renoldner, Renner-Henke, der uns Vinschgern bekannte Toni Bernhart.  Ich weiß gar nicht, wo ich zuhören soll. Überall streifen mich interessante Gespräche über die Favoritin, den Favoriten. Das Kirchlein füllt sich, die dritte Ausgabe des Literaturpreises hat viele Besucher, nicht nur während der Lesungen. Die Kirchenglocke der Pfarrkirche nebenan schlägt, es ist 20 Uhr, Zeit, den Abschluss der Literaturveranstaltung zu beginnen. Dann kracht es, Donner läutet, oder Tumler mahnt, zu beginnen. Keyboardklänge leiten den Abend ein und peppen  ihn auf, jazzig modern und passend zu Erstlingsromanen. Literaturgeladene Wortfetzen und Regenrauschen, blitzende Foto- und laufende Videokameras  verleihen dem letzten Kapitel des Preises einen schönen Rahmen, einen festen Buchdeckel. Während der Grußworte geht ein Raunen durch die Besucher, zugleich mit dem Dankesapplaus, der eigentlich den Sponsoren gilt,  rauscht Sigrid John Tumler im schwarzen Samtmantel herein. Franz Tumlers Witwe aus Berlin war während des gesamten Preises in Laas.

Durch das Verlesen von Laas-Texten von Kaser und Tumler kann die Spannung etwas erhöht werden, in den Gesichtern der Finalisten und Finalistinnen kann man Ungeduld lesen, sie beugen ihre Rücken. Der Regen rauscht, als gehöre er zur Inszenierung dazu. Spitze Klänge des Keyboards passen in die Stimmung, es ist keine erhitzte Spannung in der Luft, es ist eine kühle. Aber sie ist da. Ferruccio Delle Cave betritt die Bühne, die Apsis wirkt wie ein Ring, in den man hinuntersteigen muss. Er lobt das Umfeld des Preises, „Einbettung und Akzeptanz“ ist in Laas und in Südtirol spürbar. Ein Autor streckt den Rücken durch. Die schwarz lackierten Forstbänke sind wenig bequem, aber sie passen. Diese Kirche verträgt keinen Schnickschnack. Und auch die Situation nicht, der Preis nicht. Die Finalistinnen und Finalisten werden vorgestellt, stehen auf, lächeln, warten. Die fünf  Juroren wirken entspannt, sie haben ihre Arbeit gemacht, eine Entscheidung getroffen. Ihre Arbeit hat darin bestanden, viele Debütromane zu lesen und einen auszuwählen, einen für den Preis zu nominieren. Und dann hätten sie nach den Lesungen im Josefshaus debattieren, Würze in die Abhaltung des Preises bringen sollen. Zu selten kamen Kontroversen auf. Kritischere Kommentare, die dann nicht gleich wieder relativiert werden, täten der Diskussion gut, auch der Authentizität des Preises. Die Jury soll nicht nur Fußnoten liefern. Toni Bernhart hat bei Eva Lohmanns Roman „Acht Wochen verrückt“ einen Anfang gemacht. Andreas Neeser hat durch seine Gegenlesung nach Christian Zehnders „Julius“ aber jeglicher Debatte ein Ende bereitet.

Dann betritt Wilfried Stimpfl die Apsisbühne. Was er erzählt, und wie er es macht, hat Witz – und auch den braucht dieser Preis. Er spannt die AutorInnen auf die Folter, wie in einem Einakter versammelt er die Leserstimmen der Laaser, kommentiert durch die Reaktionen der Leserschaft die einzelnen Romane. Die AutorInnen warten darauf, genannt zu werden, man sieht es ihnen an. Und dann, dann sagt er, er wisse nicht, wer den Preis gewonnen hätte. Man habe es ihm nicht gesagt. Die Pointe gelingt – und Daniela Strigl von der Jury erlöst Stimpfl und das Publikum. Dann geht alles schnell: Joachim Meyerhoff ist der heurige Preisträger. Für seinen Roman „Alle Toten fliegen hoch“ erhält er 8000 Euro Preisgeld und einen Schreibaufenthalt in Laas. Und er strahlt, ich will nicht behaupten, dass so nur ein Burgtheaterschauspieler strahlen kann, der als Othello und Mephisto nichts zu strahlen hatte. Jedenfalls kann er es. „Ich habe noch nie etwas gewonnen!“, freut er sich. Der Preis sei für ihn eine Bestärkung, nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Autor wahrgenommen zu werden. Zu seinem Erfolg hat vielleicht auch seine Leseperformance beigetragen, denn seine Lesung hob sich von denen seiner MitstreiterInnen ab.

Es folgt noch der Publikumspreis, den die LeserInnen der Vinschger Bibliotheken und das Saalpublikum vergeben haben. Er geht an die Berliner Autorin Astrid Rosenfeld für ihren Roman „Adams Erbe“. Sie nimmt den Preis, drei Wochen auf den Rimpfhöfen zu verbringen und in Bibliotheken zu lesen, gerne an.
Ein dickes Buch, das viele Seiten und Platz für Bücher im Buch hat, ist der Tumler-Preis. In zwei Jahren wollen wir es wieder aufklappen und darin Neues lesen und uns darüber austauschen.

von Maria Raffeiner

Zeitung Vinschgerwind Bezirk Vinschgau


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